Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2831]

Francisco de Enzinas
an Bullinger
Basel,
1. März 1547

Autograph: Zürich StA, E II 366, 38 (Siegelspur) Druck: Boehmer, Dryander 407-409, Nr. 22; Druck und spanische Übersetzung: Enzinas BW 196-200, Nr. 25

[1] Enzinas hat Bullingers Brief [nicht erhalten] sowie die Schrift, die Bullinger ihm versprach, als er zu Besuch in Zürich war, gut erhalten. Gemäß Bullingers Aufforderung wird er die Schrift lesen, gut auf sie aufpassen und sie zurücksenden. 1[2] Er ließ alle Freunde von Bullinger grüßen und erkundigte sich auch bei Myconius über die Vermutung, die Bullinger bezüglich [Ulrich] von Württemberg geäußert hat. Myconius konnte jedoch nichts Genaues dazu sagen. Enzinas entnahm aber einem Brief Hieronymus Sailers, dass sowohl der alte als auch der junge Herzog von Württemberg 2 ihr Territorium für eine bestimmte Geldsumme an König Franz I. von Frankreich übertragen haben. Einige glauben (was übrigens gar nicht abwegig ist), dass die Eidgenossen das Gebiet besiedeln werden und Herzog [Christoph] selbst als Präfekt mit königlicher Befugnis 3 regieren wird. Stimmt dies, wird die Macht der Helvetier wachsen und der Hochmut ihrer Gegner abnehmen. [3] Was denkt Bullinger über Straßburg, welches sich sozusagen in beiden Regionen 4 befindet und den Anschein erweckt, sich beiden Seiten anschließen zu wollen? Doch wären dies nur menschliche Vorkehrungen (auch wenn sie Gottes Willen wohl kaum widersprechen). Allerdings erwartet der Fromme sein Heil allein von Gott. Weiß Bullinger Genaueres dazu? [4] Über die Absetzung des Kölner Erzbischofs Hermann von Wied und die Einsetzung von Adolf von Schaumburg an dessen Stelle ist Bullinger wohl schon im Bilde. [5] Enzinas ist der Meinung, dass die Friedensverträge der schwäbischen Städte mit dem Kaiser eine echte Gefahr darstellen, wenn dessen übles Vorhaben nicht durch die vielen Probleme, die diesem besonders vom Ausland her drohen, vereitelt wird. Sollte Bullinger etwas Neues vernehmen, möge er es mitteilen. Enzinas wird das gleiche tun. [6] Dem kranken Myconius geht es inzwischen besser. [7] Bernardino Ochino, den Enzinas gern mag, lässt grüßen. Er wohnt noch bei Johannes Oporin, 5 weil es sehr schwierig ist, in Basel eine Wohnung zu finden. Die Stadt hat ihn zwar ehrenvoll empfangen, deren Einwohner sind aber rau und unfreundlich. 6 Ochino hätte sich lieber bei den Zürchern niederlassen sollen, die Enzinas als gelehrter, frommer und zuvorkommender erlebt hat. Auch Enzinas würde gern in Zürich leben, müsste er nicht seinen Eltern 7 Rechenschaft ablegen. Bullinger soll doch bei seinen Kollegen und den Zürcher Behörden

1 Da Enzinas die Schrift wieder zurückschicken sollte, wird es sich um eine Handschrift gehandelt haben, wie es der hier verwendete Plural "scripta" ebenfalls nahelegt. Vermutlich ist hier erneut von einer Abschrift der von Bullinger verfassten und damals noch nicht gedruckten Abhandlung "De sacramentis" die Rede; vgl. Nr. 2825, Anm. 2; Nr. 2840.
2 In Anbetracht des Zusammenhangs ist hier mit dem alten Herzog offenbar Georg und mit dem jungen Christoph von Württemberg gemeint, die die Grafschaft Mömpelgard und die Herrschaften Reichenweiher
und Horburg nebst einigen kleineren Herrschaften innehatten.
3 Die des französischen Königs.
4 Gemeint sind Frankreich und Deutschland. —Straßburg stand damals sowohl in Verhandlungen mit Franz I. als auch mit Karl V.; s. Nr. 2810, Anm. 45; Nr. 2813, Anm. 39; 2842,26-28; Nr. 2855,7-9.
5 Wie übrigens auch Enzinas; vgl. HBBW XVIII 218, Nr. 2658.
6 Auch in Augsburg hatte sich Enzinas abschätzig über die Basler geäußert; s. Gilly, Spanien 338. —Siehe ferner Gast, Tagebuch 312f.


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sondieren, ob sie nicht einer Niederlassung Ochinos in Zürich geneigt wären. Dieser würde dann vielleicht dorthin ziehen. Er ist integer, fromm, unaufdringlich, nett und hilfsbereit. Auch die Augsburger, unter deren Schutz er in der Eidgenossenschaft steht, haben ihm geschrieben, dass es ihnen lieber wäre, wenn er in Zürich als anderswo wohnen würde. Bullinger möge sich doch Enzinas und Ochino zuliebe dieser Sache annehmen und bis zum Entschluss des Rates und zur Zustimmung Ochinos alles geheim halten. [8]Gruß, auch an die Kollegen.