Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2813]

Konrad Zwick
an [Bullinger]
[Konstanz,
13. Februar] 1547

Autograph: Zürich StA, E II 364, 86-87 (Siegelspur) Ungedruckt

[1]Zwick legt seinem Brief ein Schreiben aus Ulm bei, das Bullinger mit dem gegenwärtigen Boten [...] wieder zurückschicken soll. [2]Der Brief Kaiser Karis V. [an die Eidgenossen] ist ganz bestimmt nach Luzern gelangt. Er wurde dem St. Galler Marti Hux vorgelesen, wie Vadian dies Bullinger wohl mitteilen wird. [3]Georg Besserer hat, wie aus dem beigelegten Brief hervorgeht, Zwick nicht geschrieben. Es könnte aber sein, dass er an Marcell Dietrich von Schankwitz geschrieben hat. [4]Beiliegend eine aus Nürnberg kommende Aufzeichnung über das Heer von Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen, die Bullinger ebenfalls zurückschicken soll. [5] 2'000 spanische Soldaten wurden nach Biberach verlegt und haben sogleich bei ihrer Ankunft die Stadtschlüssel gefordert. [6]Bullinger wird von Georg Müller über Zwicks Plan erfahren haben. [7] Nicolas Perrenot, Herr von Granvelle, ist auf dem Weg nach Burgund und durch Stockach gereist. [8]Schon zwei Mal hat sich Hans Jakob von Landau als Vermittler zwischen Konstanz und dem Kaiser aufgedrängt. Er bot sich an, die Konstanzer am nächsten Dienstag [15. Februar]in Sipplingen oder auf der Mainau zu treffen, falls einige Ratsherren unschlüssig wären. Er schrieb, dass auch Granvelle von jeglicher Verzögerung abrät. Mit Gottes Hilfe bemühen sich aber die Konstanzer eher, die Kontaktaufnahme mit dem Kaiser aufzuschieben. [9]Man hört aus Basel, dass Wolfgang Rehlinger sich nach Ulm begeben habe, um sich dort für die Straßburger einzusetzen, ja dass Granvelle bereits auf dem Weg nach Straßburg sei. Andere sagen, dass Rehlinger eine Hochzeit zwischen einem Sohn des Granvelle und einer Tochter des badischen Markgrafen [Ernst I.] zu arrangieren versuche. [10] Während eines Gesprächs mit Peter Scher d.J. von Schwarzenburg sagte Johann von Naves diesem, dass dessen Vater, Peter Scher d.Ä., sich beim Kaiser noch beliebter machen würde, wenn er die Straßburger dazu brächte, sich mit dem Kaiser zu verständigen. Denn auch wenn sie sich mit König Franz I. verbinden würden, wären sie noch nicht aus der Klemme. [11] Dem gegenwärtigen Boten ist kein Lohn zu geben, da Zwick diesem bereits einen Zuschuss von 12 Schillingen gewährt hat. Georg Müller soll sich keine

1 Aus dem Inhalt des Briefes geht hervor, dass der Brief an Bullinger gerichtet ist.
2 Zur Abfassungszeit dieses Briefes wusste Zwick noch nicht (s. unten Z. 25-28), dass Johann von Naves in der Nacht von Samstag auf Sonntag den 19.120. Februar sterben würde oder gestorben war (s. dazu Nr. 2824, Anm. 5). Doch spätestens Freitag den 25. war dies in Konstanz bekannt; s. Nr. 2824,7-11. Da vorliegender Brief an einem Sonntag verfasst wurde (s. unten Z. 32), ist er also nicht später als auf den 20. Februar anzusetzen. Wegen der Angabe in unten Z. 15 über Granvelles Abreise in Richtung Burgund muss vorliegender Brief nach Sonntag den 6. Februar entstanden sein. In unten Z. 14 wird ein Aufenthalt des Zürcher Ratsherren
Georg Müller in Konstanz vorausgesetzt. Zwischen dem 6. und dem 20. Februar ist dieser am 11. in Konstanz bezeugt (s. Nr. 2800, Anm. 43). Demzufolge kämen als Abfassungsdaten nur die Sonntage 13. und 20. in Frage. Da der Brief eine Nachricht über die Ende Januar in Ulm gesichtete eidgenössische Gesandtschaft übermittelt (s. Nr. 2790,8— ii), nach welcher die Zürcher sich schon am 2. Februar bei den Konstanzern erkundigt hatten (s. Nr. 2787,2-23 — dort bes. Z. 8-13) und wegen der Angabe in unten Z. 15 über Granvelles Reise durch Stockach ist das Datum vorliegenden Briefes eher auf Sonntag 13. Februar anzusetzen.


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Sorgen machen; Zwick hält ihm nichts vor. [12]Bullinger bete für Zwick. Sonntag nach der Hauptmahlzeit. 1547.

Gottes gnad mit uns. Von Ulm wirtt mir geschriben der aidgnosischen bottschafft und anderer sachen halb, 3 wie ir uß byligendem brief zü vernemen habent. Das wellend mir by zögern 4 wider schicken.

Des kaisers 5 schriben ist gen Lutzern gewisslich kummen. Marte Hux 6 von Sant Gallen hatt es hören leßen. Das werdent ir durch d. Vadianum woll a erfaren kuinden.

Von Jergen Besserer 7 hab ich kain schriben, wie im brieff 8 gemeldet wirtt. Achten, er werde ettwa dem Martzell Dieterich 9 geschriben haben.

Hieby am verzaichnus des churfursten zü Sachsen"10 volcks. Kumpt uß Nurnberg. Die 11 schicken mir ouch wider.

Gen 12 Biberach hatt man gelegt by 13 2'000 Spanger. 14 Die habent glich von stund an die schlüssel zün thoren gnommen. Ach gott, erbarm dich unser!

Minen anschlag 15 werden ir von h. Maister Jergen 6 vernommen haben.

Der Granvella 17 ryt in das Burgund. Ist zü Stockach fur gezogen. 18

Der von Lando 19 hatt sydert zway mal by minen herren angehalten umb fürderung 20 . Erbüt sich, so unser ettlich unstarck 21 , das er gen Sipplingen 22

a In der Vorlage wolt.
3 Siehe dazu Nr. 2787,2-23; Nr. 2790,8— 11. — Der hier übersandte Brief aus Ulm wurde nicht ermittelt.
4 by zögern: mit dem (unbekannten) Briefüberbringer.
5 Karl V. —Gemeint ist dessen Brief an die XIII Orte vom 18. Januar, der erst um den 28. Januar in der Eidgenossenschaft bekannt wurde; s. Nr. 2801, Anm. 3.
6 Der St. Galler Ratsherr Marti Hux, der oft von seiner Stadt als Abgeordneter an die Tagsatzungen zu Baden gesandt wurde; s. EA IV/1d 1098 unter "St. Gallen". Er war mit Vadian entfernt verwandt; s. HBBW XVI 166, Anm. 4.
7 Der Ulmer Ratsherr Georg Besserer.
8 In dem oben in Z. 1-3 erwähnten Brief.
9 Marcell Dietrich von Schankwitz, der sich kurz vor dem 21. Januar 1547 nach Konstanz zurückgezogen hatte; s. Nr. 2762, Anm. 98.
10 Johann Friedrich I. von Sachsen. — Am 19. Februar tauschte Bullinger sich mit Ambrosius Blarer über diese Aufzeichnung aus; s. Nr. 2823,4-7. Am 21. sandte auch Haller ein solches Dokument an Bullinger; s. Nr. 2821,188-197. 201f.
11 Das Wort "verzaichnus" kann sowohl neutral als auch feminin sein; s. Fischer II 1423.
12 Nach.
13 etwa.
14 Diese Angabe erlaubt es, die Ankunft der kaiserlichen Truppen in Biberach genauer zu datieren, als es [Christian Friedrich Essich,] Geschichte der Reformation zu Biberach vom Jahr 1517 bis zum Jahr 1650, Ulm 1817, S. 55f, vermochte. — Bereits am 4. März zogen diese Truppen aus Biberach ab; s. Nr. 2841,89f.
15 Plan.
16 Der Zürcher Ratsherr Georg Müller, der am 11. Februar in Konstanz war; s. oben Anm. 2.
17 Nicolas Perrenot, Herr von Granvelle, der Ulm am 6. Februar verlassen hatte; s. Nr. 2822, Anm. 10.
18 Vgl. Nr. 2812,50-54.
19 Hans Jakob von Landau. — Siehe dazu Nr. 2800, Anm. 6.
20 hatt angehalten umb fürderung: hat darauf gedrängt, (die Versöhnung Konstanz' mit dem Kaiser) voranzutreiben.
21 unschlüssig (sind).


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oder in die Maynow 23 biß zinstag 24 kum-|| 87 men welle. Schribt, 25 der Granvella hab ouch geraten, das wir nit lang ußbliben 26 . Wir suchent uffzug 27 , so vil gott gibt.

Ettlich mainent, der Wolff Rechlinger 28 sye zü Ulm gwesen von deren von Straßburg wegen, und der Granvella ryte gen Straßburg. Das ist zü Basel wol zü erfaren. Ettlich sagent, er 29 helffe ain hürrat 30 machen zwüschent des Granvella son 31 und des margrafen zü Baden dochter. 32

Naves 33 hatt gsagt zum jungen Petter Scheren 34 , sin vatter 35 möcht im 36 darmitt noch ain gnedigern kaiser machen, wann er verhelffe, das Straßburg vertragen wurde 37 . Dann wan sy sich schon 38 an den Frantzosen henckent, so habent sys noch nit gar. 39

Ir sollend dem jetzigen potten nichts geben, dann 40 ich hab die nechsten 12 ß 41 noch zum vortail 42 . Jergen 43 ists alles verzigen, und ich halt inn on klag.

22 Etwa 20 km nördlich von Konstanz, am nördlichen Ufer des Überlinger Sees (der nördliche Zipfel des Bodensees).
23 Die 6 km nördlich von Konstanz gelegene Insel Mainau (Bodenseekreis, Baden-Württemberg).
24 15. Februar.
25 Vgl. Maurer, Übergang 18.
26 (den Beschluss, sich mit dem Kaiser zu versöhnen) aufschieben.
27 Verzögerung. — Schon am Samstag, dem 19. Februar, antwortete Zwick Landau in diesem Sinne; s. Nr. 2800, Anm. 6; Nr. 2820,40-44.
28 Wolfgang Rehlinger. — Dass dieser zugunsten Straßburgs Kontakt mit Granvelle in Ulm aufnahm, ist belegt; s. PC IV/1 585f. 588-593; Franz Josef Schöningh, Die Rehlinger von Augsburg. Ein Beitrag zur deutschen Wirtschaftsgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts, Paderborn 1927, S. 18.
29 Rehlinger.
30 Heirat.
31 Antoine (geb. 1517), Bischof von Arras, kommt hier wegen seines geistlichen Standes nicht in Frage; ebensowenig Granvelles jüngster Sohn, Frédéric, der damals erst 11 Jahre alt war. Gedacht wurde also an einen der drei weiteren Söhne, nämlich an Thomas (geb. 1521). Jérome (geb. 1524) oder Charles (geb. 1531); s. Daniel Antony, Nicolas Perrenot de Granvelle. Premier conseiller de Charles Quint, Clamecy 2006, S. 610-612.
Allerdings liegt hier wohl ein falsches Gerücht vor.
32 Hier könnte nur eine Tochter des Markgrafen Ernst I. (gest. 1552) von Baden-Durlach (zu den Namen seiner Töchter s. Johann Christian Sachs, Einleitung in die Geschichte der Markgrafschaft Baden, 4. Teil, Karlsruhe 1770, S. 72f) in Frage kommen und nicht etwa eine Tochter des bereits 1536 verstorbenen Markgrafen Bernhard III. von Baden-Baden, da dieser als Verstorbener hier sonst anders bezeichnet worden wäre. Der 30jährige, ledige Bernhard von Baden-Durlach, Sohn des oben genannten Ernst, war noch zu jung, um bereits eine uneheliche Tochter im Heiratsalter zu haben.
33 Johann von Naves.
34 Peter Scher d.j: von Schwarzenburg.
35 Peter Scher d.Ä. von Schwarzenburg.
36 sich.
37 vertragen wurde: (mit dem Kaiser) versöhnt würde.
38 Dann wan schon: Denn auch wenn.
39 Zu verstehen ist: wären sie (die Straßburger) noch nicht aus der Klemme. — Damals stand Straßburg tatsächlich in Verhandlung mit Frankreich; s. PC IV/1 599-602.
40 denn.
41 Schilling. — 1 Pfund (Währung) = 20 Schilling.
42 zum vortail: zugute (wohl indem er dem Boten ein voriges Mal mehr bezahlt hatte); vgl. SI XII 1508.


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Gott mit uch. Den bitten für mich. Datum Sonntag nach imbiß 44 47.

Conrat Zwick.

[Ohne Adresse.1