Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[201]

Dietrich Bitter an
Bullinger
Köln,
24. März 1533

Autograph: Zürich StA, E II 361, 99. Siegelspur. -Gedruckt: Krafft 110f

Soest und Münster halten am Evangelium fest. Der Bischof von Münster will sie mit Gewalt zum katholischen Glauben zwingen. Eine Schrift [des Wilhelm von Grevenbroich] über das Konzil wurde in Köln unterdrückt. Phrissemius wurde Kanzler des Kölner Bischofs, ist aber kürzlich gestorben. Bitte um Bücher von Zwingli. Widerstände gegen den Kölner Druck einer Schrift des Agrippa von Nettesheim.

Mein fruntlichen groitz 1 und was ich uch zo dienst und gutem gefallen vermach altzeit zofoerens.

Lieber Heinrice, guter frunt, wisse, dat ich sampt meiner huesfrauwen und hueßgesinde in guder gesuntheit bin, dem herren sie lob. Des gleichen beger ich alletzeit von euch zo vernemen. Weitter wisse, das ich ytzt sonders nitt gehabt, uch zo tzo schryuen; dannoch habe ichs, uff das ich neit unachtsam gehalten werde, diß selbige untworffen.

Die von Soist und Munster halten sich noch hefftich in angefangenem evangelio 2 , davon ich lestmael geschreben 3 . Der busschoff 4 van Munster nam voir sich, syn undersaessen mit gewalt zo tzwingen 5 . Ist im aver gefeilt 6 und verdragen 7 eynen iderem in synem voirnemen tzo laissen, biß tzo komstigem concilio. Van wilchem concilio was by uns etwas in drück gestalt 8 dannoch widder underdruckt.

d korrigiert aus Christus.
e darunter von Bullingers Hand: Domini Ambrosii Blaureri.
30 Vgl. 1Kor 3, 7.
31 Siehe Phil 4, 1.
1 i und e stehen in Bitters niederdeutscher Rechtschreibung oft als Zeichen der Länge des vorangehenden Vokals.
2 In Soest (Westfalen) setzte sich die Reformation Ende Dezember 1532 durch. Münster i. W. wurde mit dem Vertrag vom 14. Februar 1533 eine evangelische Stadt, s. Ludwig Keller, Geschichte der Wiedertäufer und ihres Reichs zu Münster, Münster 1880, S. 102. 112f.
3 In einem nicht erhaltenen Brief? Bitters Brief an Bullinger vom 13. September 1532
(HBBW II Nr. 133) enthält jedenfalls keine Nachrichten über Soest und Münster.
4 Franz von Waldeck, ca. 1492-1553, seit 1. Juli 1532 Bischof von Münster. - Lit.: W. Sauer, in: ADB VII 290-292.
5 Nachdem die Befehle des Bischofs, in denen die Stadt Münster zum Gehorsam und zur Rückkehr zum katholischen Glauben aufgefordert wurde, erfolglos geblieben waren, entschloß sich dieser im Oktober 1532, Gewalt anzuwenden und die Stadt zu belagern, s. Keller, aaO, S. 99f.
6 fehlgeschlagen, mißlungen.
7 es wurde vereinbart (Grimm XII/I 1934).
8 in Druck gestellt, gedruckt; Wilhelm von Grevenbroichs (gest. 1556) Schrift «Oratio [...]de Sede Concilii apud Coloniam Agrippinam deligenda», Köln 1533, in welcher Köln als Sitz des geplanten Konzils vorgeschlagen wird, s. Krafft 111.


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Item, es ist bey uns dairtzo kommen, das etliche van den geistlichen prälaten ouch clein uff pristlichen ban achten.

Item, Phrysemius 9 was uffgenommen und deputiert voir eynen canceler des busschoffs van Collen 10 ist aber neulich mit doide , abgangen.

Ich beger, liber Heinrice, schickt myr Zwingly loblicher gedechtnuß «Institutiones de pueris ad pietatem erudiendis» 11 , und was er in prophetas annotiert, auch wo er etwas in psalmos commentiert ach annotiert hait, dan syen psalterium 12 habe ich bey uns auffgegulten 13 . Und schrieb myr, was yder punct kosten soll; will uch, wilt got, eerlich verrichten 14 . Oder schribt myr, das ich das selbige mit boichen hye gekoifft betzale.

Item, es was eyn seltzam boich in den druck geben Henrici Agrippe a Nettessem 15 . Ist aber dorch die theologos verhindert worden 16 Diß ist der selbige, der die «Declamation de scientiarum vanitate» 17 beschreben.

Will dairneben gebeden haben, diß mein gering schrieben voir guet ufftzonemen, und auch van euch gebetten haben, das ir desgleichen dohet. Haistu mael neit sonders, schrieb das selbige wie ich itzt gedaen und laeß alte fruntschaff neit zerinnen. Und groiß myr dyn liebe huesfrauwe 18 und herr Hansen, deynen broider 19 .

Datum zo Collen, anno 33 uff maentag nae Letare Jh[erusa]l[e]m.

Theodericus Bitter Wipperfordensis.

[Adresse auf der Rückseite:] Dem ersamenn unnd wailgelierten 20 Meister Henricho Bullinger, meynem besonderenn gueten frunde zo handen. Gen Zcurich.

9 Johann Matthäus Phrissemius, gest. Ende 1532 oder Anfang 1533, Jurist und Theologe an der Kölner Universität, 1526 Dekan der Juristischen Fakultät, gab die Werke des Humanisten Rudolf Agricola heraus. Lehrer Bullingers und Bitters in Köln. - Lit.: HBD 4, 17.5, 2.7, 3.125, 21; Krafft 19-23. 26; Blanke 42-44; Hausammann, Reg.
10 Hermann von Wied.
11 Sicher Ulrich Zwinglis Schrift «Quo pacto ingenui adolescentes formandi sint», 1523 (Z II 526-551), die von Zwingli selbst ins Deutsche übersetzt wurde und 1526 unter dem Titel «Wie man die jugendt in guten sitten und christenlicher zucht uferziehen unnd leeren sölle, ettliche kurtze underwysung» erschien (Z V 427-447).
12 Zwinglis Psalmenübersetzung «Enchiridion Psalmorum», 1532 (Z XIII 467-827).
13 (auf)gekauft (vgl. Grimm IV/I 2 3073f).
14 dafür bezahlen (Lexer III 203).
15 «De occulta Philosophia libri tres» des Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim (1486-1535). Die Kölner Ausgabe des bereits 1531 in Paris veröffentlichten Werkes war im Juli 1533 fertig gedruckt worden, s. Krafft 113f. - Über Agrippa s. HBLS I 175f; Heinrich Grimm, in: NDB I 105f.
16 Vor allem der Kölner Ketzermeister Conrad Koellin widersetzte sich der Veröffentlichung des Buches, s. Krafft 113f.
17 «De incertitudine &vanitate scientiae declamatio», Köln 1531.
18 Anna Bullinger, geb. Adlischwyler.
19 Johannes Bullinger, den Bitter auch vom Studium in Köln her kannte.
20 wohlgelehrten.