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Autograph: Zürich StA, E II 360, 407-409 (Siegelspur) Ungedruckt
[1]Hallwyl konnte aus Bullingers Brief [nicht erhalten]die folgenschweren Auswirkungen des
aktuellen Kriegs auf die Eidgenossenschaft gut erkennen und einschätzen. —[2] In letzter ZeitBriefe_Vol_18-195 arpa
kam es zu keinem bedeutenden Angriff gegen den naheliegenden Feind. Die Kriegssache
wurde aber mit anderen Mitteln befördert. Um nämlich solch einem listigen Feind [wie Kaiser
Karl V.] schaden zu können, muss man auf vielfältige Weise vorgehen. — [3] Über Jahre
hinweg hat der Kaiser es durch Intrigen dazu gebracht, die Deutschen mit König [Franz 1.]
von Frankreich zu verfeinden, um über Deutschland wie ein Monarch regieren zu können.
Dies wird auch im letzten Frieden mit Frankreich [von Crépy-en-Laonnois] deutlich. Wäre
dies nicht sein Ziel gewesen, hätte er sich Frankreich gegenüber anders verhalten. Und nur
weil er es vermochte, die Deutschen und Franzosen gegeneinander aufzubringen, konnte er
auch den gegenwärtigen Krieg wagen. — [4]Angesichts dieser Tatsache ist es verständlich,
dass die [Protestanten] auf Abhilfe sinnen und Verhandlungen mit Frankreich gegen den
Kaiser aufnehmen. Sie schrieben also nach Frankreich. Bislang ist noch keine Antwort eingetroffen.
Auch wenn König [Franz I. ] seinen guten Willen bereits bekundet hat, wartet er
offenbar noch ab. Vermutlich will er sich zuvor vergewissern, ob die [Vier protestantischen]
Orte der Eidgenossenschaft in den Krieg ziehen werden und ob sie Gefallen an seiner Unterstützung
hätten. Wenn ja, würde er sich bestimmt umso behilfiicher zeigen. — [5] Es ist natürlich
klar, dass der König nicht dem Evangelium zuliebe, sondern in seinem eigenen Interesse
etwas für die Deutschen unternehmen würde. [Für die Protestanten] aber wäre es gut,
wenn der König und der Kaiser miteinander in Streit gerieten, damit der Kaiser seine Kräfte
aufspalten muss. Sonst wird er weiterhin ungehemmt versuchen, die [Protestanten] durch
einen in die Länge gezogenen Krieg aufzureiben, zumal seine Taktik nicht auf Kampf sondern
auf List und Verrat beruht. Hallwyl braucht hier nicht ausführlicher zu sein. Jeder kundige
Mann weiß, was er meint. —[6]Aufgrund seiner in diesem Krieg gesammelten Erfahrung kann
Hallwyl ganz sicher behaupten, dass die [Vier Orte] nur dann der kaiserlichen Tyrannei
entgehen können, wenn sie kluge Maßnahmen treffen. Darüber haben die Zürcher und die
anderen Obrigkeiten [der Vier Städte] zu bestimmen. Mit vorliegendem Schreiben hat Hallwyl
seine Aufgabe getan. Bullinger soll es all denen mitteilen, die der Sache behilflich sein können.
Weitere Informationen kann Hallwyl bei seiner Ankunft [in Zürich] erteilen. —[7] Der Herr
bewahre uns! — [8] [P.S.:]Abgesehen von stetigen Scharmützeln gibt es nichts Berichtenswertes.
Min gutwillig dinst zefor, lieber her, sonders vertrawtter, lieber frewndt. Aus ewerm schreiben 1 hab ich gnugsam 2 vernomen, wie die sachen bei uns des kriegß halb beschaffen, und so beileuffige und umstendige ursachen, grunthlich ermessen. 3
Hat diser zeit nit wol ettwas thattlichs 4 gegen den anstoßern 5 (das aber in andere weg disern krieg wol befurderet)6 mugen furgenomen werden. Dem
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sige 7 aber allem, wie eß wolle, so wil unsere höchste notturft 8 gegen unserm grausamen und arcklistigen findt 9 erforderen, das wir im manigfaltig abruch thuent 10 und sine rattschleg und furnemen, in denen er wunderbarlich 11 und arcklistig, zerstörent und zwnichten machent.
Furnemlich so hat er fil jar practiciert 12 und gehandlet, wie er die Teuschen dahin bewegte, das sie des königs 13 uß Franckrich abgesagte 14 feindt wurdent. Damitt hat er das einig mittel 15 , das in an a seinem furnemen der monarchei alweg 16 verhindert, hinweg genomen, welches gnogsam der lest 17 friden, so er mitt Franckrich angenomen, bezüget. Dan so 18 das nit allein in dem krieg sin furhaben gesin 19 were, das er der Teuschen und Franzossen vertrawen hiemitt hinnemen 20 wellen, were zw derselben zeit gegen Franckrich der sachen wol ander ratt 21 geschaffen. Allein hat er dis gesucht (ist im gelungen), b sunst hette er dis sein jetzig fürnemen gar nie dorffen understan
||408 Dwil wir dan sechent, das er damitt gesterckt, ist pillich, wir nachgedenckens habent, wie dem ratt gescheche. 23 Deßhalb wil ich euch gantz gutter meinong nit verhaltten, das disere unse[re]c religionsstende mitt Franckrich in stetter underhandlong 24 standent, was gestalt 25 sei ettwes verstantz und frewntschaft zwider 27 dem keysser mitt einandern ufrichten mechtent. Und sindt darum ettwes underredt in geschrift Franckreich verfassen zwgestelt. Ist diser zeit noch newtzit 28 geantwurt. Wirt bei uns dahin geachtet 29 , Franckrich thue in diser handlong wie alle andern potentaten: welle der sachen ettwas bas zwsechen 30 , wiewol ettwes gantz guttem willen sol angepotten sin. Und achtet man, es bescheche furnemlich darum, das der könig zwfor welle erfaren, wie sich die ort der Eignoschaft 31 , so des evangelions
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halb sich pillicher gestal[t] dan 32 er, der koenig, annemen soltent. Und so er bericht 33 , das die evangelischen stett sich der sachen mitt ernst beladen welttendt oder das, so sich der koenig mitt disern stenden in verstandt inlassen wurde, sonders gefallens und willen daran haben wurden, wurde der konig aller sachen um so fil geneigter und williger.
Nun ist nit minder 34 , wir wussent, was der könig harin fürnemen; das das nit uß furderong des evangelions, sonders seines nutzes wegen gehandlet werde. Sol sich d niemantz irren lassen. Mechtent wir mitt disern mittlen den konig dem keysser in das har pringen 35 , were wol gethan. Man muss böß mitt boßem vertriben. 36 Beschickt 37 das oder derglichen nit e , das man dem keysser an andern omen ouch ze schaffen wirt geben und er sin macht und stercke an eim ortt wirt megen ||409 bei einandern behalten, ist zw dem hechsten zw besorgen, so der her nit wunderbarlich die seinen erhalten, er werde 38 uns mitt der harr des kriegs abtriben 39 . Sin kriegen statt 40 gar nit uf redlichen thaten, sonders allein uff falsch list und untrew. Ich wil nit alle ursachen anzeigen, warum ich disers besorg und das, so mitt Franckrich zwegen gepracht, nutz, gutz und furderong wurde pringen. Mag jeder verstendiger wol ermessen.
Um so fil aber glaubent mir, das ich disern krieg um so fil gesechen und erfaren hab, so 41 disern sachen nit gutt ratt beschicht, werdent wir all der tyranney des keyssers nit enttrünnen. Nun, wie das geschechen mög und mitt was mittlen, habent sich ewer und ander unser herren gnusam dessen selbs zw berichten 42 . Ich wil hiemitt das min than mitt diser anzeigong. Megent ir, wen 43 ir gutt achtentt, disern sachen befurderlich ze sin, dis anzeigen. So ir dan weittern mein bericht erforderint, wil ich uff min ankunft 44 diser sachen weitleuffigern bericht geben.
Der herre gott beware uns zw allem guttem. Datum Giengen im feldtlager, den 29. octobris im 46. jar.
E[wer] alzeit williger
Hartman von Halwil.
Man handlet diser zeit nützig 45 namhaftigs des schribens wert dan allemol ein scharmutz.
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[Adresse auf der Rückseite:] Dem wolgelerten und getrawen hern Heinrich Bullinger, predigern zw Zwrich, minem sonders geliepten hern und frewndt. Zwrich.