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Autograph a : Zürich ZB, Ms F62, 322r.-v. Siegelspur. -Teildruck: de Quervain 65-67
Dankt für einen Brief Bullingers und für dessen fortwährende Wohltaten, von denen er für sein Amt so
viel profitiert. Bewundert Bullinger, den er zu sehen wünscht, und bedauert seine mangelhafte Ausbildung.
Wegen Arbeitsüberlastung und leiblicher Hinfälligkeit ist er nicht imstande, sich fortzubilden,
weshalb er unter dem Gefühl leidet, in seinem Amt versagen zu müssen. Von seinen Kollegen erhält er
kaum Hilfe. Schilderung der Aufgabenverteilung im Lauf einer Amtswoche. Von Theodor [Biblianders
Fähigkeiten hatte er keinen rechten Begriff sonst hätte er sich für dessen Anstellung in Bern eingesetzt.
Freut sich auf Bullingers Propheten-Auslegungen; hat Hofmeisters Bemerkungen zu Jesajas gelesen. Bullingers
«Ratio studiorum» wird abgeschrieben. Bittet Bullinger um Hilfe, daß Jud in Zürich bleibt, da
Megander sonst leicht zu bewegen wäre, wieder nach Zürich zu gehen. Die Frage der Bestrafung von
Ehebruch hat der Rat endgültig entschieden. Simon Sulzer kommt nach Bern. Grüße.Briefe_Vol_03_0192 arpa
S. Literas tuas 2 gratissimas accaepi, charissime Heinrice, quibus perpetuo intelligo,
quam integer in me tuus sit animus, quanto me certe indignum amore prosequaris,
cum in omnibus, quibus saltem licet, mihi obsequi et inservire digneris, hactenus
item tanta in me effuderis beneficia (spiritalia volo, quod iis potissimum indigeam),
ut nisi non fratrem solum nec germanum, sed vere parentem et in domino maiorem
te agnoscerem, omnium plane forem ingratissimus. Per eruditionem tuam me quotidie
gignis, eruditiorem et ad ministerii mei functionem aptiorem facis, ut post deum
neminem animo meo intimius complectar praeter te. Suspicio te tanquam organum
domini, quo multorum ignorantiam illustrare velit, studiosorum item votis succurrere.
Haec non intelliges, quasi adulatione et hypocrisi te mihi vendicare velim. Testis
est mihi deus 3 , in cuius conspectu haec scribo, amorem meum in te adeoque mutuum
in causa esse, ut non possim mihi temperare, quin quoties ad te scripsero, mutuae
charitatis mentionem faciam. Quod ad tuum ad nos adventum pertinet, id ipsum saepenumero
apud me cogitavi, cuius in literis admones, nempe iter non admodum tutum
et occupationes tuas sanctas esse, quas citra dispendium relinquere nequeas 4 .
Ich hab ze vil anfechtung, wie du schribst; die sind aber nitt nach dem fleisch 5 , dann
von angsicht hab ich dich nun 6 einest gsähen in der disputation 7 , quando offerebas,
quae in axiomata notaras 8 , und wenn du jetz zu mir kemist, kant ich dich nitt. Spiritus
tuus, quem ex literis et libris tuis haurio, meo spiritui et animo arridet, ut quaecumque
desideravero et multis iam annis desiderarim, in te uno abunde reperiam.
Das bekenn ich leider: Ich han min leptag nie können studieren. Multa siquidem
legi, sed dum citra ordinem et rationem, sic absque fructu exciderunt. Iam cum ante
biennium rationem studii epistola 9 depinxeris addito nunc integro libello 10 , so ist es
mitt mir ze spat. Ich welt gern vil an d hand nämen, so han ich der zitt nitt. Mitt den
linguis förcht ich, es sy ze spat; uss denen auctorizierend 11 aber ir gelerten allgmeinlich.
Ir zihend tropos, schemata, hebraismos, so eigentlich aber unglich, ze ziten an.
Wo sol ich armer knecht usß? Ich kan das latin nitt. Demnach so welte ich gern patres,
tuas et aliorum commentationes mitt flyß und urteil läsen, so jagt mich jetz das
predigen, jetz das chorgricht, jetz der brüderen zuloff und antigen darab, und wird
immerdar vor mir selbs ze schanden. Ich wird vil kranck, wäret von gottes gnaden
nitt lang. Ich hab ein schwären lib, bin grauw et difficilem patior herniam, citra dolorem
tamen, id quod domino tribuo. Novit senetio Io[annes] Fritz 12 morbumBriefe_Vol_03_0193 arpa
meum, quem olim meis expensis a Tiguro vocaveram, ut ligamen pararet 13 , sed non
potuit, nec ille M. Iacobus 14 strage nupera occisus. Ita nullum medicorum reperio,
qui vel praecavere posset, ne augeretur. Also stat min sach, min frummer Heinrich.
So truckt mich min gwissne erst amm allermeisten, das ich ungschickter an ein söllichen
ort dem handel gottes sol vorston. Frantz 15 beladet sich keiner dingen dann
dess predigens. Casper 16 , der nun glert, der sprachen verstendig, aber wäder der
oberkeit noch der gmeind aller dingen angenem 17 ; kan mich nitt zu imm versähen 18 ,
das er by unß blibe 19 . Ich kan ouch nütt von imm lernen, muß also immerdar in miner
gwissne anstösß liden, in miner unwissenheit bliben und förcht gott übel 20 , ich
verhön 21 ettwas in sinem handel 22 . Et ut tibi confitear, soli inquam, animus meus non
est tantus erga eum 23 , quantus erga te, quod condonet mihi dominus. Haec omnia tibi
praesenti indicare volebam 24 . Iam cum non liceat, cogeris vel legere.
Also stat unser ordnung und wäsen: Amm sunnentag predigend wir all dry 25 , amm mentag, zinstag Frantz, amm mittwoch, dunstag Berchtold 26 , amm fritag, samstag Casper. Amm mentag, mittwoch, fritag haltet man chorgricht glych uff die predig ettwa bis zu 11 oder 12, dran b sitzend Casper und ich c . Am zinstag und donstag mane octava list Megander hebraice, Rellicanus grece, jetz 3. Regum 27 ; sind wenig auditores, ettwas bi acht. Amm zinstag post prandium haltend wir colloquia, kummend die pfarrer vom land darzu, wirt ein locus scripturae uff die ban bracht 28 ; git ein jetlicher sin iudicium. Am mentag, mittwoch, donstag, fritag hora tercia post meridiana list Rellican novum testamentum tribus linguis 29 et iisdem diebus hora 12. list er rethoricam [!] Melancht[honis]30 ; acht wol, verstandint si wenig, es sy dann Casper und er selbs. Nun rechnen du usß, wie vil zit ich hab, nach dem ich ir aber bedörffte. Schrib ouch darum söllichs, das du nun erwägist, wie ich doch die zit amm aller besten mög anlegen .Wir hend kein hilff ze predigen. Zwen helfer 31 hend wir, die sind nütt angenem und nitt gschickt und sind aber stattkind 32 . Casper haltet sin ordnung in sinem studieren fry, ursach er gat gar an kein predig dann amm sunnentag
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nach dem mal; so hett er den überlouff nitt von den puren und brüdern wie ich. Frantz ist der allerrübigest 33 , bedarff sy umm sins alters willen.
Min frommer Heinrich, nun lasß dich nitt verdriessen, dise stempnyen 34 ze läsen und mir din trüwen ratt darüber ze gen. Ich han kein menschen uff ertrich, dem ich so vil vertrüwe als dir. Qui mihi multis annis manus et pes, immo et oculus fuit Bernae, ante biennium peste periit 35 . Lidt dich 36 mitt mir umm gots willen. Ich kan und mag nitt anderß.
Desß Theodori 37 halb hab ich dir noch nie anzeigt. Er ist also ze Kingsfelden 38 gsin, das ich von siner fürnämen gsicklicheit nie nütt gwist han. Ich hab inn usß Zwinglis sälig befelch eim rat 39 erstlich praesentiert und nitt über dry wort mitt im geredt, er mir nie kein buchstaben gschriben. Es ist ouch on ursach sin gschicklicheit mir nitt verhalten, dann wo ich das gewist von imm, das ich jetz in kurtzem vernommen, ich wölte wol an ein rat vermögen 40 han, das er in die statt zu unß verordnet wäre, das aber ettlich villicht besorget 41 und inn dest minder grümpt.
Ich fröw mich der propheten 42 und wirt nitt ablon ze bitten und ze gilen 43 , biß du sy mir ein nach dem andren mitteilest. Ich hab Sebastiani Oeconomi säligen annotationes in Esaiam 44 , die er erst vor sinem tod volendet. Ist ein bösi 45 gschrifft, doch nitt ungschickt, aber Theodoro 46 on zwifel nitt ze verglichen. Das wer aber min erste bitt, wo es möglich (so es nitt möglich, kan ich nitt zürnen), das du mir dispositionem orationis Paulinae in omnes epistolas 47 zu weltist schicken. In Romanos hab ich vast gnug; welt ich dir fürderlich widerumm überantwurten. De ratione studii 48 schribt mir min junger 49 ab, so vil ich sy bedarff 50 . Dess platzes halb, da wir zemmen kummind 51 , wellend wir disen winter lassen ston. II 322v. M. Leonis 52 halb wäre min grosse bitt, du hulffist, als ouch thust, daß er blibe 53 ; wo aber nitt und Megander von üch berüfft wurde, besorg ich, sag abermals dir, unser herren wurdind inn lichtlich lassen faren, wo ir ernst ankerend 54 . Wo aber wir ein andren söltend nämen, den weiß ich nitt. Minsglichen fundi man wol in unser lantschafft, du weist aber wol,
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daß man allwäg eins gelerteren bedörffte. Kein usslendiger wirt nütt söllen 55 ; so sind die heimschen thür, so wilt du kein Berner meer sin 56 , denn Zürich bedarff dinen fast wol. Also wurd ich erst zwischend dür und angel 57 gfürt. Von firtagen, lüten etc. wil ich dich nitt mer bekümmeren. Ich schrib allein dir, was unß entgegengworffen 58 wirt, wir 59 syind nitt glich, und sölle aber ein glouben, ein evangelium sin 60 . Ich muß den handel einmal kummlich 61 pro contione ableinen 62 . Was ir meinind mitt dem Ave Maria ze sprechen zu erinnerung der menschwerdung Christi, die doch sust alle predigen gehandlet wirt 63 und wir den gruß und die wort für andre uff dem cantzel harfür zihend, superstitione carere non indicant hi, qui a vobis audiunt, quamvis doctrinam vestram sanam in hoc agnoscam. Nos abstinemus nostris contionibus; utinam tamen: omnes libertatem intelligerent et iuxta caritatem ea uterentur 64 !
Von der straff des eebruchsd d 65 ist nitt von jederman verstanden, wie du schribst, sunder ir begärind, daß es by dryen tagen sölle bliben, wie von erstem geordnet. Das hett unß befrembdet. Ich hab kein zwifel, wär es also gschriben und verstanden, wie du anzeigest, es hetti kein nott gehept. Wär gutt, semlich hendel unß ouch ze berichten, damitt sy mitt fugen 66 erhept 67 möchtind werden by eim ratt. Uff sunnentag jetz verschinen' 68 hett man üwer schriben 69 verläsen vor den 200; ist abgemeret 70 , by den 5 tagen ze beliben. Gott ist erzürnt über unß, das die zwo stett 71 enandren nitt meer verston und losen 72 wend. Jetz vernimm ich erst, das ein löffer zu üch gat, der neiswas red wirt anzeigen; intelliges a piis 73 . Frantz wirt Wattenwilio 74 die schencki 75 überantwurten; er ist nitt in der statt.
Nun hab ich abermalß minem hertzen gerumpt. Bitt dich, min allerliebster Heinrich, wellist min arbetsälig 76 schriben nitt verübel uffnämen, dann, wo ich mich dir nitt so gar vertrüwte, welchem du ursach gäben häst, amiciciae et amoris erga me testibus locupletissimis, welte dich wol unbekümmert lassen. Wir wartend all uff Vadiani Epitomen 77 , wenn das absolviert werde; ist unsern brüdern träffelich anmütig 78 . Perge cum Pellicano, ut prius etiam monueram, et vale.
Es kumpt uff dise fronfasten 79 Simon Sulcerus, ist ein Berner, vast gelerter gsell
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grece et latine, wirt mitt Rellicano läsen und unß helfen, so acht 80 die gitrappen 81 by unß nitt sich wellent duren lassen 82 . Das bringt Rellicano ein stosß 83 ; er hett bißhar sich wäder zum chorgricht noch predigen bruchen lassen, ouch nitt wellen zusagen, ze Bern ze bliben. So sind min herren unwillig, grossen kosten
Rursum vale et dominum ora pro me, ut facis semper.
23. septembris.
A e [!]e nun verzih mir et me amare non desine. Tuis interim fruar epistolis et libris, dum te audire et frui coram non licet. Saluta Pellicanum et omnes.
B. tuus Hallerus.
[Adresse darunter:]Heinrico Bullingero, Tigurino ecclesiastae, fratri suo charissimo.