Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

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SCHULTHEISS UND RAT VON BERN AN
BULLINGER
Bern,
11. Dezember 1531

Original: Zürich ZB, Msc A 51, 16 1/2 doppelfol. S., sehr gut erhalten, mit Siegelabdruck Gedruckt: Füssli I 88f; ABernerRef 3255

Berufung Bullinger: nach Bern.

Unnsern früntlichen gruß unnd alles gutt zuvor 1 , wolgelerter, wyser, sonders lieber unnd gutter fründ.

Uns zwifelt gar nüt, du tragest noch gutt wüßen 2 , was Meister Frantz Kolb 3 unser predicant, mit dir zu Bremgarthen geredt 4 , desglichen was dir der Berchtold Haller 5 , ouch unser predicant, nechster tagen zugeschryben 6 . Dwyl nun erstbemeltem Berchtolden vonn dir schriftlich antwurt daruff zukhomen 7 , daruß vermerckt wyrt 8 , mit was fürworten 9 und gedingen 10 unser eydgnoßen von Zürich dich unnd ander verkhünder gottes wortt binden wellend, die äben 11 schimpiflich a und unsers bedunckens 12 keinem prophettenn 13 anemlich 14, deßhalb wir uß günstiger meynung, die wir zu dir tragen 15 von wegen dins erbaren wandels und christenlicher leer, dich hiemit pittlich anzesuchen verursachet 16 , ob es dir anmütig 17 und als 18 gern by uns sin wilt, als wir diner person begeren 19 und

a am Rande von fremder Hand: NB. quid hoc?
1 im voraus.
2 erinnerst dich noch gut.
3 Siehe oben S. 215, Anm. 54.
4 Kolb hielt sich als Feldprediger im November 1531 in Bremgarten auf (HBRG III 263).
5 Siehe oben S. 205, Anm. 1.
6 Siehe oben Nr. 46.
7 angekommen, eingetroffen. —Bullingers Antwortbrief an Haller, den er wahrscheinlich am 9. Dezember schrieb (s. Zsindely 672), blieb nicht erhalten.
8 ersichtlich, zu vernehmen ist (vgl. Wörterverzeichnis in Anshelm VI 346).
9 Vorschriften (ebenda 350).
10 Bedingungen (ebenda).
11 ziemlich, recht (SI I 45).
12 nach unserer Meinung.
13 Nämlich: keinem Verkünder des Gotteswortes, keinem evangelischen Prediger.
14 annehmbar. — Gemeint ist Art. 4 im «Meilener Verkommnis», das am 28. November 1531 von den Vertretern der Landschaft und am 9. Dezember vom Zürcher Rat angenommen wurde (s. HBRG III 287 und Blanke 137ff. 148). Der Text des Artikels wurde Bullinger und seinen Amtsbrüdern, die am 9. Dezember vor dem Bürgermeister und den Räten erschienen waren, gleich nach Bekanntgabe von Bullingers Wahl zum Nachfolger Zwinglis mitgeteilt. Demnach hatten sie sich fortan nicht nur jeder Einmischung in politische Angelegenheiten zu enthalten, sondern auch in der Predigt ein Schelten der Leute als «gottloß» oder «bößwillig» zu vermeiden. Bullinger erkannte die Tragweite dieses die Verkündigung beschränkenden Beschlusses. Deshalb machte er die Annahme des ihm angebotenen Amtes von einer genauen und befriedigenden Erläuterung dieser Bestimmung abhängig. Den Predigern wurde eine viertägige Bedenkzeit eingeräumt. Diese Vorgänge hatte Bullinger nach Bern berichtet, was zum Anlaß dieser zweiten Berufung wurde (s. Zsindely 672f).
15 von dir haben.
16 veranlaßt (wurden), SI VII 121.
17 angenehm.
18 so, ebenso wie ... (SI I 197).


Briefe_Vol_01-233arpa

haben wellend, das du dich mit disem unserm harumb allein zu dir abgevertigotten pottenn verfügest 20 , unser khilchen in verkhündung gottes wort vorzestan; wellend wir mit dir dermaß diner libß 21 narung und wolhaltung halb verkhomen 22 , das du ein gut benügen 23 vonn unns haben solt.

Datumb in yl 24 11. decembris anno etc. 31°.

Schultheis und rat zu Bern.

[Adresse auf der Rückseite:] Dem wolgelerten wysen Meister Heinrich Bullinger, verjechernn 25 gottes wort, jetz zu Zürich, oder wo er betretten 26 wirt, unserm liebenn und guten fründ b.

b oberhalb und unter der Adresse von fremder Hand: 11. decembris anno 1531; ein stad Bern begert H. Bullingers, NB.
19 wünschen.
20 zu uns begibst.
21 Leibes.
22 übereinkommen (SI III 277).
23 Genüge, Zufriedenheit (Wörterverzeichnis, Anshelm VI 338; vgl. noch SI IV 701).
24 Eile.
25 Verkünder, Bekenner, Ausleger (vgl. Wörterverzeichnis in Anshelm VI 345; SI III 50.
26 angetroffen.