Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2726]

Johannes Haller
an Bullinger
Augsburg,
27. Dezember 1546

Autograph: Zürich StA, E II 370, 67 (Siegelspur) Ungedruckt

[1] Haller hat auf Bullingers ersten Brief [vom 11. Dezember; nicht erhalten] schon [mit Nr. 2723]geantwortet. Nun will er auf den späteren Brief [vom etwa 14. Dezember; nicht erhalten] eingehen, der am 26. Dezember eingetroffen ist. Bullinger schrieb darin, dass die drei [Zürcher]Pfarrer [Rudolf Schwyzer d.Ä., Lorenz Meyer (Agricola) und (Hans) Thoman Ruman] vom Rat zurückgerufen seien. Das ist aber genau das, was Haller vermeiden wollte. Bullinger wird dies unterdessen aus Hallers vorigem Brief entnommen haben. Die von den Zürcher Ratsherren angeführten Gründe für die Rückberufung kennt Haller noch nicht. Gestern teilte er die Nachricht an [Georg] Frölich mit. Dieser wusste auch nichts vom Brief des Zürcher Rats an den Augsburger Rat. Haller weiß nicht, wo der Brief steckt. Der von Bullinger an ihn gerichtete Brief war einem Schreiben [Ambrosius] Blarers an Frölich beigelegt. Nach der gestrigen (Sonntags]predigt begab sich Haller wieder zu Frölich, um zu erfahren, ob inzwischen die Ratsherren den Brief erhalten und bereits etwas über die Rücksendung der Zürcher beschlossen hätten. Doch wegen der häufigen Ratssitzungen war Frölich nicht anzutreffen. Und da der Überbringer [...]des vorliegenden Briefes schon um neun Uhr aufbrechen will, kann Haller leider nichts Definitives mitteilen. Er wird dies mit dem nächsten Boten nachholen. [2] Wie Haller ist auch Frölich gegen eine Rückberufung. Die Leute würden sich wundern, dass der Rat von Augsburg die neuangestellten Zürcher schon zurückschickt! Einige würden vermuten, dass er geheime Pläne schmiedet und etwa vorhat, das Evangelium preiszugeben. Wie der Rat auf den Brief der Zürcher reagieren wird, kann Haller nicht voraussagen. [3]Schon im letzten Brief hat er berichtet, dass, wenn die Zürcher es erlauben, einer der beiden Pfarrer [Schwyzer oder Meyer] nach Kaufbeuren geschickt wird. Haller würde jedenfalls nicht wollen, dass Ruman, der [an der Domkirche] bei [Wolfgang] Musculus predigt, zurückberufen wird, denn Ruman und er wirken an den beiden größten Stadtkirchen [am Dom und an St. Moritz]. Da Musculus und die anderen Kollegen sich bereits zurückziehen, sind nach Kriegsende gute Ergebnisse von Hallers und Rumans Tätigkeit zu erwarten. [4] Haller hat den drei Zürchern nicht erzählt, dass sie zurückgerufen sind. Er sagte lediglich, dass Bullinger geschrieben habe, man werde sie bald zurückrufen. Für Haller besteht kein Zweifel daran, dass die Beschwerlichkeiten, die aus [Meyers und Schwyzers] Verbleib in Augsburg entstehen, weniger Anstoß verursachen werden als deren Rückberufung. Haller ist also gerne bereit, sie weiterhin zu dulden, statt die Gelegenheit zu ergreifen, sie loszuwerden und dabei der Kirche und dem Augsburger Rat zu schaden. [5]Bullinger möchte bei den Zürcher Ratsherren erwirken, dass diese brieflich mitteilen, wie sich die Zürcher Pfarrer (einschließlich Haller) verhalten sollten, falls auch Augsburg sich [Kaiser Karl V.]unterwirft. Letzteres scheint nämlich wahrscheinlich, zumal auch die anderen Städte aufgegeben haben. Zwar rufen die Pfarrer zur Standhaftigkeit auf doch werden die Menschen, die nun von der Feigheit der Fürsten erschüttert sind, wohl zu spät zur Einsicht gelangen! [6]Haller würde nach einem etwaigen Weggang Frölichs keinesfalls in Augsburg bleiben wollen. Halten die Augsburger am Evangelium fest, ist er auch bereit, mit ihnen zu sterben. Ergeben sie sich dem Kaiser, wird er nicht warten, bis man ihn den Räubern ausliefert, wie dies mit [Johannes] Brenz in [Schwäbisch] Hall geschehen sein soll! Auf Wunsch der dortigen Ratsherren blieb Brenz in der Stadt. Doch als die [Kaiserlichen] die Oberhand erlangten, soll er eingesperrt

1 Der Brief ist im Natalstil datiert.


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worden sein. Wenn das stimmt, wird man ihn wohl [auf das Konzil] in Trient zur Schlachtbank führen. [7]Bullinger soll also bei seiner Obrigkeit bewirken, dass den vier Zürcher Pfarrern die freie Rückkehr aus Augsburg gestattet wird, damit sie nicht dem Tode ausgeliefert sind. Sollte Bullinger es für gut halten, wird Haller selbst diesbezüglich an den Zürcher Rat schreiben! [8] Die Treue der Ulmer und des württembergischen [Herzogs Ulrich] ist sehr umstritten. Haller hat Blarers Bericht über die Verhandlungen in Baden gelesen. Ihm gefällt die Haltung der Zürcher besser als diejenige der Berner, denn Gott braucht nicht solche Glaubensverteidiger [wie die Innerschweizer]. Man weiß ja, dass der Umgang mit den Gottlosen den guten Regenten immer geschadet hat. Viele setzen zudem ihre Hoffnung auf König [Franz 1.] von Frankreich. Doch Haller traut diesem nun gar nicht. Angeblich will er einen Teil des Reiches an sich reißen. Straßburg sollte sich davor in Acht nehmen! Was werden nun die Helvetier tun? Schlimm! Nicht nur das Evangelium, sondern auch das Deutsche Reich wird verraten! Der Herr erbarme sich! [9]Gruße an [Anna, geb. Adlischwyler], an die Kinder, an [Konrad] Pellikan, Theodor [Bibliander], [Rudolf] Gwalther, [Konrad] Gessner, Otto [Werdmüller] und [Johann Jakob]Ammann. Gruße von [Michael] Keller und Musculus. Mit Letzteren hat Haller sich über die Rückberufung der Kollegen unterhalten. Sie raten gänzlich davon ab. [10][Hans Wilpert] Zoller hat zum neuen Jahr von seinem Dienstherrn [Sebastian Schertlin den Oberbefehl über] ein Fähnlein geschenkt bekommen. Zoller untersteht jetzt Hauptmann [Christoph]Negelin. [11] Gute Wünsche zum neuen Jahr!

S. et pax per dominum lesum, etc. Ad tuas priores 2 respondi 3 prius. Nunc ad posteriores 4 , quas 26. decembris accepi, pauca haec. Scribis revocari tres fratres 5 , id quod omnibus modis nollem esse factum, sicut in prioribus iam te puto intellexisse literis. 6 Sed quis sit animus dominorum nostrorum 7 , nondum intelligo. Heri 8 fui cum Laeto 9 nostro. Communicavi omnia. Ignoravit is ad senatum datas esse literas 10 , quas nec ego vidi. Nescio, per quem sint allatae. Meae fuerunt Blaureri ad Laetum literis inclusae. Iam post concionem statim volui iterum convenire Laetum, si forte interim compererit, num acceperint domini literas, aut quid statuerint de remittendis. Sed senatus iam coactus est frequens, ut non licuerit mihi ad eum venire. Festinat autem nuncius 11 ; iam ad horam 9 abire. Libenter significassem certum, sed non potuit modo fieri. Ubi primum alium habuero nuncium, de omnibus reddam te certiorem. 12

2 Bullingers nicht erhaltener Brief vom 11. Dezember; s. Nr. 2723,5.
3 Mit Brief Nr. 2723 vom 23. Dezember.
4 Ein nicht mehr erhaltener Brief Bullingers an Haller, etwa vom 14. Dezember, der mit einem Brief des Zürcher Rats an den Augsburger Rat vom 14. Dezember nach Augsburg befördert wurde, wie dies aus unten Z. 5-7 hervorgeht. Zu diesen Briefen s. schon Nr. 2716,47f, und Nr. 2717, Anm. 10.
5 Die drei von Zürich nach Augsburg entsandten Pfarrer Rudolf Schwyzer d.Ä., Lorenz Meyer (Agricola) und (Hans) Thoman Ruman.
6 Siehe Nr. 2723,43-65.
7 Die Zürcher Ratsherren.
8 Sonntag.
9 Georg Frölich.
10 Gemeint ist der Brief des Zürcher Rates an den Augsburger Rat; s. oben Anm. 4.
11 Der unbekannte Bote, der den vorliegenden Brief mitnahm.
12 In seinem nächsten Brief an Bullinger vom 7. Januar 1547 (Zürich StA, E II 370, 45f) kam Haller nicht mehr darauf zu sprechen.


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D. Laetus sicut et ego nullo modo remittendos putat. 13 Ridiculum enim esse dominos nostros vocasse ministros, ut ditioni suae provideant, si iam quasi desperantes de retinenda illa regione vocatos dimittant iterum. Adhaec varios inde progressuros rumores, ac si domini aliquid clam moliantur nec sint evangelium conservaturi, qui iam instantibus periculis ministros dimittere incipiant. Hae illius sunt rationes. Domini quid facturi sint, ignoro. 14

Scripsi prius, 15 quod et adhuc scribo, alterum ex duobus 16 Kauffbüram mittendum, si concesseritis. Romanus 17 est in ecclesia Musculi 18 . Nollem illum revocari. Occupavimus enim iam haec duo maxima templa 19 . Unde Musculus et alii incipiunt vela colligere 20 . Spero, si dominus dederit pacem, fructum multum accessurum.

Ego ipsis 21 nihil dixi de revocatione. Dissimulo te hoc mihi scripsisse (hoc unum dixi, te scribere eos mox revocandos a . Et hoc ideo facio, quia video non tantum destrui posse, si maneant, aliqua importunitate, quantum, si discedant nunc, offensione. Libentius igitur hoc feram, quam accepta occasione (quae alias ingrata non esset) faciam offendi ecclesiam aut in calumniam incidere senatum bene [volen]tissimum b .

Hoc autem peto, ut impetres a dominis Tigurinis, u[t] ad nos datis literis consulant, quid nobis sit agendum in h[is] periculis, si forte senserimus etiam nostros 22 declinaturos. 23 Nam non [puto] eos mansuros, sed, quacunque ratione possunt, pacturos cum caesare 24 , si viderint deficere alias urbes. 25 Nos hortamur, quantum possumus, ut sint constantes. llli dolis et ignavia principum 26 icti sero sapiunt.

Ego profecto, ubi d. Laetus abierit, 27 ultra non manebo. Si sint constantes et velint manere cum Christo, paratus sum meum cum ipsis fundere sanguinem. Si deficiant, non expectabo, 28 ut me tradant in manus latronum horum , sicut d. Brentio Halae 29 nunc accidisse ferunt. 30 llli 31 persuaserunt, ut

a Klammern ergänzt.
b Hier und unten Textverlust durch Papierverlust.
13 Siehe schon Nr. 2723,48.
14 Siehe dazu Nr. 2717, Anm. 10.
15 In Nr. 2723,48-51.
16 Gemeint sind Schwyzer und Meyer.
17 Ruman.
18 Also am Dom, wo Wolfgang Musculus predigte.
19 Der Dom und die Moritzkirche, wo Haller an der Seite des kränkelnden Michael Keller tätig war; s. HBBW XVI 400,22— 26. 69f. 72.
20 vela colligere: Vgl. Adagia 5, 1, 32 (ASD 11/8 283, Nr. 4032).
23 Den drei Zürcher Pfarrern.
22 Die Augsburger Ratsherren.
23 Nämlich dem Kaiser gegenüber.
24 Karl V.
25 Siehe schon Hallers Befürchtungen in Nr.
2723,14-16. — Zum Abfall der Städte s. auch die Verweise unten Anm. 44 und Nr. 2730,4-9.
26 Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen: vgl. Nr. 2723,11f.
27 Frölich hatte im Falle eines Friedensabkommens zwischen Augsburg und dem Kaiser mit einer Kündigung gedroht; s. Nr. 2689,41f.
28 Gemeint sind die Kaiserlichen.
29 Schwäbisch Hall.
30 Johannes Brenz wurde den Kaiserlichen ausgeliefert, insofern diese Zutritt zu seinem Haus erzwangen und er am 20. Dezember für eine Zeitlang aus der Stadt fliehen musste. Zu einer Gefangennahme kam es jedoch nicht; s. Thomas A. Brady,


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maneret. Postquam autem hi 32 superiores facti, coniecerunt eum in vincula. Procul dubio Tridentum 33 ad lanienam ducturi. Sic fama est. Ego pro certo non affirmo.

Tuum ergo peto consilium. Impetra tu etiam a dominis, ut faciant nobis 34 hinc liberum regressum, 35 nec patiantur nos ita vendi ad supplicia crudelia. 67v. || Quodsi consultum putas, ut ego hac de re ad amplissimum senat[um]c Tigurinum scribam, faciam. 36

De Ulmensium et Wirtenbergensis 37 fide dubitatur valde. Acta Badena 38 scripsit Blaurerus. 39 Leg[i]. Magis mihi Tigurinorum placet consilium quam Bernensium. 40 Non defensores tales vult habere suae religionis deus! Scimus, quantum bonis principibus semper incommodant societas et commertium impiorum. 41 In rege Galliarum 42 magna fuit multis hacten[us] spes. Ego illi nihil puto fidendum. Iam fertur etiam ipsum curaturum, ut aliquam imperii partem sibi arripiat. Caveat Argentoratum! 43 Hic quid acturi sint Helvetii miror. O deus! Venditur et proditur non modo d evangelium, 44 sed universum regnum Germanicum! Misereatur nostri deus. Amen.

Saluta uxorem 45 liberosque charissimos 46 , d. Pellicanum, Theodorum, 47 Gvaltherum, Gesnerum, Ottonem, 48 Ammianum, 49 etc. Salutat te Cellarius 50

c Hier und unten Textverlust im engen Einband.
d non modo über der Zeile nachgetragen.
dy, Johannes Brenz und Kaiser Karl V. Eine neue Quelle zur kaiserlichen Besetzung von Schwäbisch Hall im Schmalkaldischen Krieg (Dezember 1546), in: Württembergisch Franken 66, 1982, 229.
31 Die Ratsherren von Schwäbisch Hall.
32 die Kaiserlichen. — Zur Ergebung Schwäbisch Halls s. Nr. 2722, Anm. 81.
33 Trient, Tagungsstätte des Konzils.
34 Den in Augsburg wirkenden Zürchern.
35 Nämlich nach Zürich.
36 Einige Wochen später, am 19. Januar 1547, teilte Haller Bullinger mit, dass die in Augsburg wirkenden Zürcher Pfarrer brieflich bei Bürgermeistern und Rat von Zürich um ihre Entlassung nachgesucht hatten: "Scribimus itaque dominis consulibus et senatui. Exponimus praecipuas causas, propter quas nec nobis nec ecclesiae consultum erit, ut diutius hic haereamus. Petimus revocari." (Zürich StA, E II 370, 47f). Dieser sehr lange, am 18. Januar 1547 von Hallers Hand verfasste Brief ist erhalten (aaO, A 177, Nr. 160). Am 25. Januar richtete Haller diesbezüglich erneut einen Brief an den Rat von Zürich (aaO, A 177, Nr. 163).
37 Herzog Ulrich von Württemberg. — Vgl. schon Nr 2723.9f
Gemeint sind die Ergebnisse der Verhandlungen auf der am 7. Dezember begonnenen Badener Tagsatzung. — Zu dieser Tagsatzung s. Nr. 2693, Anm. 45. Vielleicht mit dem oben Z. 7 erwähnten Brief. — Blarer wird darüber wohl von Bullinger benachrichtigt worden sein; vgl. Nr. 2717,16-22. In Bezug auf die katholischen Orte der Eidgenossenschaft, die auch mit den "tales" des nächsten Satzes gemeint sind. — Zur Angelegenheit s. Nr. 2708,39-43; Nr. 2717,16-22; Nr. 2721,9-12. Anspielung auf die Zeit der Könige des Alten Testaments. Siehe z.B. 1Kön 11, 1-13; 2Kön 17, 6-23; 20, 12-18. König Franz I. Franz I. versuchte schon seit 1543, seinen Einfluss östlich von Frankreich mit Hilfe des Schmalkaldischen Bundes auszubauen; s. Jonathan A. Reid, King's Sister - Queen of Dissent. Marguerite of Navarre (1492-1549) and her Evangelical Network, Bd. 1, Leiden/Boston 2009, S. 61. Vgl. Nr. 2725,9-14. 37-42; Nr. 2728,5-8; Nr. 2729,14-20; Nr. 2732,3-5. Anna, geb. Adlischwyler. Zu deren Namen s. Nr. 2604, Anm. 25. Theodor Bibliander.
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et Musculus, cum quibus communicavi, quid consuland[um] de remissione fratrum. Omnino enim eos reditum quaerere, quod null[o] modo illi faciendum hoc tempore putant. Expectandam occasionem.

Zollerus ist wider ein fendrych worden. Sin herr 51 hatt imm ein fennli zum guten jar 52 gschenckt, inn under den hauptman Nägelin 53 thon, deß fendrich er jetz ist.

Augustae Vindelicorum, 27. decembris anno a nato Christo 1547. Opto tibi tuisque omnibus annum foelicissimum!

Ioannes Hallerus, tuus totus. [Adresse darunter:] Clarissimo viro d. Heinrycho Bullingero, antistiti ecclesiae Tigurinae fidelissimo, domino et patri suo venerando. Zürich, an m. Heinrych Bullinger.