[2716]
[Ambrosius Blarer]
an Bullinger
[Konstanz],
16. Dezember [1546]
Autograph: Zürich StA, E II 357a, 612. 733. 749 (ohne Siegel)Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 544f,
Nr. 1379
[1]Blarer hat sich noch nicht zu dem von Bullinger vorgeschlagenen Bücherkauf [zugunsten
des in Zürich studierenden Johannes von Ulm und dessen Studiengefährten Augustin ...] geäußert,
da er in dieser Angelegenheit nicht das Sagen hat. Deshalb wollte er erst das für heute
geplante Treffen der Verwandtschaft abwarten, bei dem die Vormundschaft über die Kinder
seines verstorbenen Schwagers [Heinrich von Ulm]geregelt wurde. Blarer musste aber dabei
feststellen, dass [Johannes von Ulm], der das Geld für seinen (in Zürich studierenden gleichnamigen
Halb]bruder allein verwaltet, nicht geneigt ist, über die sonst ausstehenden Unterhaltsausgaben
hinaus diese nicht geringe zusätzliche Ausgabe zu finanzieren. Das Beste wäre,
wenn sich [der in Zürich studierende] Johannes am Weihnachtstag oder am Sonntag darauf
[28. Dezember] nach Teufen begeben würde, wenn dort die Abrechnungen gemacht werden.
Vielleicht könnte er dann mit der Unterstützung der anderen Verwandten seinen (Halb]bruder
zum Bücherkauf überreden. —[2]Bullinger habe Dank, dass er sich der Jungen [Johannes von
Ulm und Augustin ...] so gut annimmt! Bullinger ist vielleicht der Meinung gewesen, dass
Johannes vermögend sei oder dass ihm sein verstorbener Vater [Hans Jakob von Ulm] Geld
hinterlassen habe. Dies ist nicht der Fall. Johannes hat nichts außer dem Wenigen, das ihm
sein [Halb]bruder gibt. Und Letzterer will keine großen Ausgaben tätigen, weil es ihm an
Bargeld mangelt, da er von den Bauern nichts einziehen kann. Er müsste also dazu geschickt
überredet werden. Daher sollte Johannes sein Glück an Weihnachten versuchen. Wer weiß?
Blarer wird sich auch dafür einsetzen. —[3][Konrad]Hofherr beteuert glaubhaft (wie es auch
seine Frau [...]bezeugt), dass er die [der Regula Mayer, seiner Kostgeberin in Zürich, geschuldete]
Geldsumme sowie die vorherigen [dem Hans Meefuss geschuldeten] sechs Gulden
seinem Schwager Fridle [...] in Bischofszell geborgt hat und sich für diesen sogar verbürgte,
weil jener wegen eines unfähigen Menschen [...] etwa 100 Gulden ausgeben musste. Doch so,
wie Fridle die sechs Gulden rechtzeitig zurückbezahlt hat, wird dieser auch den noch geschuldeten
Betrag pünktlich zurückerstatten. [Regula Mayer] irrt jedoch in Bezug auf den
Rückzahlungstermin. Abgemacht war nicht der Martinstag [11. November 1546], sondern der
Matthiastag (24. Februar 1547]. Erst dann wird [Regula Mayer] zu ihrem Geld kommen.
—[4]Obiges hat Blarer heute geschrieben, ohne von diesem plötzlich auftauchenden Boten
[...] zu wissen, der bald abreisen will. Blarer ist bei der Übermittlung von Nachrichten wirklich
nicht nachlässig, aber in den letzten Tagen hat er (außer Gerüchten über den Tod Kaiser
[Karls V.]) überhaupt nichts Neues vernommen und auch vom Konstanzer Rat nichts erfahren.
—[5]Bullingers Brief [nicht erhalten] schickt Blarer morgen nach Augsburg weiter, da ihm
gestern und heute kein Bote zur Verfügung stand. —[6] Ulm verhandelt über einen Frieden
[mit dem Kaiser], was vielen missfällt, da dies gegen die [schmalkaldischen] Bündnisbestimmungen
verstößt. Die Augsburger hingegen halten sich tapfer und haben den Ulmern geschrieben,
anvertraut (s. unten Z. 39f). Bullinger
scheint sie zusammen mit Blarers Brief
vom 17. Dezember (Nr. 2717) erhalten
zu haben; s. Nr. 2719, Anm. 10.
dass sie auch einen Frieden eingehen würden, wenn sie einen solchen mit gutem
Gewissen erlangen könnten, was aber nicht möglich ist. —[7] Man vermutet, dass Landgraf
[Philipp von Hessen] während seines Aufenthaltes beim König von Frankreich [Franz I.]
diesen dazu bringen wird, sich der [Kriegs]angelegenheit [in Deutschland] engagiert anzunehmen,
damit Frankreichs Dauphin [Heinrich Römischer] König werde. Blarer kann jetzt
nicht weiter darüber berichten, vielleicht aber wird der Konstanzer Rat dem Zürcher Rat etwas
davon schreiben. — [8] Gott sei mit uns! Solange wir an ihm festhalten, wird er uns nicht
verlassen. —[9]Blarer schickt die Briefe [von und an Theobald Thamer] mit Dank zurück, die
er mit großem Interesse gelesen hat. — [10] Bullinger möge auch [Georg] Frölichs Brief
zurücksenden und weiterhin inbrünstig für die [deutschen Protestanten] beten. — [11] Der
Kaiser wirbt alle [von den Schmalkaldenern]beurlaubten Söldner wieder an. Wie kann er also
tot sein! — [12] Herzog Ulrich [von Württemberg] beruft die bereits entlassenen Truppen
erneut ein. Der Herzog wird sich bestimmt nicht auf einen faulen Frieden [mit dem Kaiser]
einlassen. — [13] In Eile. — [14] Bullinger möge Hans Schöner von Augsburg die beiden
beigelegten Briefe übermitteln und diesem ausrichten, dass Blarer diesmal nicht schreiben
könne. Es soll ein Lied [...] von Schöner geben, das Blarer noch nicht zu sehen bekam.
Bullinger möge Schöner zehn Gulden borgen, die Blarer mit dem nächsten Boten zurückerstatten
wird. Blarer muss abbrechen; der Bote [...] will abreisen.
749
|| a 16. tag decembris. a
Der librey 3 und guten bücher halber 4 hab ich euch kain antwurt schreiben
können, dann ich des weder gwalt noch beveich hab. Und diewyl ich gewisst,
das die fruntschafft 5 uff hütt herin gen Costentz kommen söllen, meines
lieben schwagers 6 seligen kind 7 zu bevogten 8 hab ichs bedachtlich 9
daher sparen wellen 10 , damitt ich mitt ettlichen davon reden möchte, wie ich
dann gethon hab. Diewyl aber nieman von Hansen von Ulms 11 wegen gelt
ussgibt dann sin brüder 12 , und man aber an demselbigen wol spürt, das er
s.
Blarer BW II und III Reg.;
Zeller-Werdmüller aaO.
nitt lustig ist hinußzegeben
13 , sonder maint, er thüe gleich
14 vyl, das er im
allso die blossen underhaltung gibt, so kan man Hansen yetz zu Zürich nitt
bessers raten, dann das er sich uff den Wychenechttag
15 oder sontag darnach
16 selbs gen Tüffen
17 verfüge, dann man wirt allsdann rechnung da
halten. Daselbst möchte er dann den brüder vyllicht selb vermögen
18 , das er
hierinn das best thäte, und kondten
19 die anderen all darzu reden, das etwas
erlangt wurd.
Bedanck mich uff das freuntlichest, das ir euch der knaben alls 20 getrulich
annemmend und sorg für sy tragend. Aber ir vermainen vyllicht, der knab 21
habe etwas oder sein vatter 22 selig habe im etwas vermachet. Das ist aber
nitt. Er hat gleich gar nichts, dann was ime der brüder gibt. Der ist aber (im
vertrauwen gegen euch gereddt) nitt gewillet vyl hinußzegeben. Und müsste
man inn gar klüglich hindergohn 23 , wellte man ime etwas abziechen und
sonderlich so vyl ains mals über die gemainen verlegung 24 , dann er yetzund
ouch gar nitt by barschafft ist. Man kan nichts von den pauren einziechen.
Wann dann die selbigen nichts geben, so hat er nichts. Aber der gut jung
mag sein hail, wie obgemeldt, uff Wychenechten versuchen. Vyllicht gibt
gott und gundt 25 im etwas. Ich furder, so vyl ich kan.
Des Curionis 26 schuld halber zögt er mir an mitt warhait (dann sin liebe
hausfrauw 27 sölichs ouch bekennt) b , daß er diß gellt 28 , wie ouch die nechsten
29 sechs guldin 30 , seinem schwager Fridle zu Bischofzell entlechnet 31 und
sich fur inn verschriben
32 habe. Sin schwager werde ouch das gellt
33 redlich
zalen, wie ouch das andern. Aber die gut frauw
35 irre sich selb gar
36 , dann
37
das zyl gar kainswegs uff Martini
38 , sonder uff Mathie
39 seye. Dann zur
selbigen zyt hab sy das gellt gelichen und gar nitt uff Martini. Werden sy
sich selbs wol erinneren mögen, wann sy im recht nachtracht
40 . Sin schwager
ist yetzund sonst in ain lasscht
41 kommen aines unnützen menschen
42
halber, das er ob
43 100 fl. geben muß. Sonst, sagt Curio, wurde im nichts
dran ligen, das er ir glich yetz das gellt gebe. Wirts aber Mathiae redlich
zalen. Darum sagt der frauwen, das sy mittlerzyt geduldt habe.
II 733 Ich hab den biglegten brieff 44 hutt geschriben und nichts von disem
botten 45 gewisst. Der kompt ainsmals 46 und will uff sin 47 . Nitt waiß ich, waß
die mehr 48 seind. Ich bin sonst warlich und gewisß nitt unfleyssig, wie ir
mich verdencken 49 wellt. Aber yetz ettlich tag her hab ich warlich nichts
gewisses nienen her 50 gehört dann 51 mancherlay gassengschray, das der kaiser
52 tod seye und dergleichen. So 53 hab ich nichts gewisses by minen herren
54 ouch funden. Darum wellen mich kains wegs verdencken der farlesikait
halb.
Ewer schribenn 55 schick ich uff morn gen Augspurg. Hab gestert und hutt
kain bottschafft gehapt.
Ulm hellt sich parteyisch 56 ; practiciert um ain friden. 57 Ander sind ubel
daran 58 , dann sölichs wider die pundtnuß 59 ist. Augspurg hellt sich treffelich
wol Hat denen von Ulm geschriben, wann
60 es mitt gott und gutem gwissen
sein köndt, sy wellten glich so wol und so mitt guten conditionen ain friden
mögen haben alls sy; aber sy könnend dahinein nitt kommen. Gott verlich
vyl gnad und guts!
Man acht, der c landtgrauff 61 diewyl er bym Frantzosen 62 ist, halte er an,
das derselb sich des handels mitt gwalt annem 63 , damitt delphin konig
werd 64 . Ich kan glich nichts dermaß, wie ich gern wellt, schriben. Vyllicht
schriben mine herren den eweren davon. 65
Gott halt mitt gnaden ob unß und verlasß uns d nitt! Das wirt er ouch
thain 66 so wir inn ouch nitt verlassen.
Ich schick euch die epistolas 67 widerum mitt grossem danck. Habs alles
gern gelesen.
Schickt mir des Laeti brieff 68 widerum und lassts nitt bitten 69 und betten
hertzlich und inbrünstig fur unß. 70 Ich waiß nichts mehr dann allain die hilf
des herren ausß lauteren gnaden.
Kaiser nympt all geurlobt knecht 71 widerum an. Nitt waiß ich, wie er tod
ist!
Hertzog Ulrichs 72 volck, das er haim gelassen, 73 hat yetz ouch ainsmals
widerum uff sin müssen. 74 Ich trauw im gentzlich, er gang in kainen faulen
friden.
Gott mitt euch! In yl, den 16. decembris.
612
|| Dem Hans Schoner von Augspurg gebend bigelegt 2 brief und sagt im,
ich konne dißmal warlich nitt schriben. Es ist naisman 76 ain liedlin. Ghört
im.
77 Ist mir noch nitt worden. Bitt euch, erlegt im 10 fl. Will ich euch by
aller nechster bottschafft widerum schicken. Hab yetz warlich nitt zeyt noch
vil ze zellen und inzemachen
78 . Der bott will uff sin.
Datum in yl, 16. decembris.
[Ohne Unterschrift.]
[Ohne Adresse.]