[2713]
Autograph: Zürich StA, E II 342, 158 (Siegelspur) Ungedruckt
[1] Der zu Kriegsbeginn vom Zürcher Rat an die Kanzlei des Landgrafen [Philipp von Hessen] entsandte [Heinrich Thomann] hat den Zug der sich nach Franken begebenden Fürsten [Johann Friedrich von Sachsen und Landgraf Philipp] verlassen und ist am 8. Dezember wieder heimgekehrt. Er berichtet nichts anderes, als was Bullinger bereits [mit Nr. 2708] geschrieben hat. — [2] Der Postverkehr ist eingestellt. Die daraus entstandenen Kosten für Zürich sind viel höher, als man glauben mag, und dabei ist der Krieg noch nirgends zu Ende! Wenn die Dinge wenigstens gut stünden! — [3] Die Fürsten haben bei ihrem Abzug dem [Herzog Ulrich] von Württemberg etliche Reiter und Fußsoldaten überlassen, der sonst schon 5'000 Landsleute für die Gegenwehr gerüstet hatte. — [4]Augsburg versieht sich mit etwa 2'000 bis 3'000 Fußsoldaten und 200 oder 300 Kavalleristen. Gott wolle, dass es auch um Ulm gut stünde! — [5] Kaiser [Karl V.] versucht, die Städte und die Fürsten sowie Letztere untereinander zu spalten. Er verspricht zum Beispiel Württemberg freie Religionswahl. Alles nur Betrug! —[6] Über den angeblichen und seltsamen Tod des Kaisers wird viel erzählt und gewettet. Bullinger hat dazu Nachrichten aus Augsburg erhalten. Er glaubt dies aber nicht. Es handelt sich dabei gewiss um eine typisch spanische Intrige, ja um ein Ablenkungsmanöver! —[7]Denn als die Fürsten abzogen, brachen [Maximilian von Egmont, Graf] von Büren, und andere Hauptleute mit dem kaiserlichen Heer auf und folgten unter Besetzung der Städte und Ortschaften den Fürsten nach. Vermutlich kommt es noch zu einer Schlacht. Die [Schmalkaldener] zählen noch etwa 30'000 Mann, nachdem sie und die süddeutschen Städte ihre Kriegsknechte entlassen haben (abgesehen von den für die Besatzung zurückbehaltenen Soldaten). Sie werden vermutlich die Bistümer Würzburg und Bamberg plündern und ihr Winterlager im Bistum Mainz aufschlagen, von wo aus sie ihr Territorium besser verteidigen können. — [8] Wegen des frühzeitigen Aufbruchs des Landgrafen nach Heidelberg vermuten einige, dass dieser nach Frankreich oder nach Dänemark oder zu [Herzog] Moritz [von Sachsen] gezogen sei, um einen Frieden auszuhandeln. Man wird sehen. Es gäbe noch andere merkwürdige Nachrichten, doch Bullinger muss schließen. —[9] Am Abend kommen die Zürcher Gesandten [Johannes Haab und Itelhans Thumysen] von [der Tagsatzung in] Baden zurück. —[10]Segenswunsch. Gruß an [Francisco de] Enzinas und an [Johannes] Gast, für die die hier vermittelten Nachrichten ebenfalls bestimmt sind. — [11] Beiliegend ein Augenzeugenbericht über den unseligen sächsischen Krieg. —[12]Bullinger muss aufhören.
Der 1 , den min herren 2 habend von anfang des kriegs by dem lantgrâven 3 in
siner cantzli gehept, ist des 8. decembris wider beym kummen und vorBriefe_Vol_18-398 arpa
wenig tagen von dem zug der fürsten in Franckenland abgeritten. 4 Zeigt nüt
sunders 5 an, dann 6 wie ich üch diser tagen zugeschriben. 7
Also ist nunme die post und alles abgestellt. Ist vil ein grössem kosten daruff gangen, dann ir yenen 8 glouben mögind. Der krieg, wiewol er noch nienan 9 uuß, hatt min herren ettwas 10 kostet! Ist aber nut ze rächnen, stünde es nun rächt.
Zum abzug habend die fürsten ettlich zu roß und Fuß gelassen dem Wirtenberger 11 , der one die sunst 5'000 der sinen gerüst hatt zur gägenweer. Augsburg rüst in die 2 und 3'000 ze fuß und in 2 oder 300 pferd zu besatzung ir statt. Wie es umb Ulmm stande, weiß ich nitt: Gott wölte vast 12 dappffer und wol 13
Der keyser 14 gadt daruff, die stett von fürsten und die fürsten selbs von einandren ze trennen. Verheist vil; ouch Wirtenberg fry lassen bim glouben. Wirt hernach amm hallten 15 ligen. Ist alles nut dann betrug, lüg und valsch! 16
Es ist ein groß geschrey 17 , wie der keyser vergangner tagen wunderbarlich 18 sölle gestorben sin. Wirt hin und har für warhafft geschriben und vil daruff verwettet. Die wyß sines todts sol ouch so wunderbar sin, das es ze verwundern. Also schript man 19 mir von Augspurg, aber ich setz gar nut daruff; gib imm keinen glouben. Acht, es sye ein hispanische prattica 20 , damitt jederman sorgloß uff den todt 21 hoff, nut fürsähe 22 und der fuchs 23 dann uß dem loch über die sorglosen hüner 24 wüsche 25 .
Dann wie der keyser gesähen, das die fürsten hinab ziehend in Francken, ist der von Büren 26 und andere houptlüt mitt dem keyserischen züg uff 27 . Hatt alein die flecken 28 und stett hin und har besetzt und zücht den fürsten
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mitt dem hällen huffen 29 nach. 30 Und acht man, es möchte noch zur schlacht kummen. Die unsern sind noch ob 31 trissig tusend starck. Das rych 32 und die stett hie oben 33 hatt sine knächt ||158v louffen lassen, on 34 die zur besatzung behallten. 35 Man acht, die unsern werdint streyffen 36 die bisthumb Wirtzburg und Bamberg, und sich lägern in das bisthumb Mentz 37 , da warten und sich weeren oder wyntern. Da sind sy ouch zu schirmm irem landen baas 38 gelägen und habent den zulouff uß iren landen.
Das der lantgraff zytlich 39 abgeritten uff Heydelberg, alls 40 ich üch vor bericht, 41 achtend ettlich, er sye in Franckrych, 42 ettlich in Denmarch, ettlich zu Moritzen 43 , friden zu machen, etc. Die zyt wirt es zu erkennen gäben. Vil ander wunderseltzam ding ist vorhanden, darvon wunder zu schriben. 44 Ich muß abbrächen.
Hinecht 45 kummend unser botten 46 heim von Baden.
Gott mitt üch eewiklich! Salvi sint d. Dryander 47 , d. Gastius, quibus haec communicabis.
Initium belli Saxonici inauspicatum hic habes descriptum ab eo, qui interfuit et pleraque vidit. 48
Plura non possum. Tiguri, 11. decembris anno 1546.
Bullinger.
[Adresse darunter:] Sinem früntlichen, lieben herren unnd bruder h. Oßwalden Myconien, predicanten uff Burg 49 zu Basel.