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Autograph: Zürich StA, E II 357, 209-212 a (Siegelspur) Druck: Blarer BW II 532-535, Nr. 1372
[1] [Aus einem kurz nach dem 4. November 2 verfassten Bericht 3 eines Unbekannten 4 ;] Die
Böhmen haben am 23. Oktober die bei [Sankt]Joachimsthal 5 gelegenen Orte Gottesgab 6 und
Platten 7 eingenommen. — [2] Am Samstag den 30. Oktober gegen Mittag hat Albrecht [Graf
von] Schlick 8 als Anführer die eine Viertelmeile 9 von unserem Aufenthaltsort entfernten, beiBriefe_Vol_18-338 arpa
Markneukirchen 10 gelegenen Dörfer Landwüst und Siebenbrunn 11 mit Husaren und einem
Reitergeschwader aus dem böhmischen Lager angegriffen und abgebrannt. Danach zog er auf
Adorf 12 , das sich ergab. Während in anderen Dörfern je drei bis vier Bauernhöfe niedergebrannt
wurden, waren es in Adorf nur zwei Scheunen. Allerdings wurde innerhalb einer Meile
alles geplündert und zerstört. Die Leute des Kurfürsten [Johann Friedrich von Sachsen]hatten
den Überfall nicht erwartet und daher auch nichts versteckt, so dass Pferde, Vieh sowie Geld
und viel anderes aus Kirchen und Häusern entwendet wurde. Am Abend wurden von den
Angreifern an die 400 Kühe nach Schönbach [bei Asch]13 geführt, um diese am Morgen darauf
in das anderthalb Meilen von uns entfernte bei [der] Eger 14 gelegene Lager zu treiben.
— [3] Am Montag den 1. November rückte das böhmische Heer erneut auf Adorf zu, das
nämlich am Vorabend [von den kursächsischen Truppen] unter Wolf von Gräfendorf 15 , dem
Hauptmann von Plauen, mit 300 Reitern und 6 Fähnlein zurückerobert worden war. Als die
Böhmen merkten, dass Grafendorf auf einer Anhöhe unweit von Adorf Stellung bezogen hatte,
bildeten sie aus ihren 200 Husaren und einem Reitergeschwader drei Gruppen und griffen die
Kurfürstlichen von drei Seiten an, worauf hin diese flohen. 300 bis 400 Mann ihrer Besatzung
wurden umgebracht; die nackten Leichname haben wir am Tag darauf am Kampfort liegen
gesehen, als der Hauptmann [...] von Königsberg (an der Eger]16, der neben den Husaren ein
eigenes Reitergeschwader anführt, mit mir zu Graf Schlick (mit dem er schon gemeinsam
gekämpft hat) geritten ist. Von den Böhmen und Husaren wurden weniger als 10 Männer
getötet; von den Reitern des Kurfürsten zwei Hauptleute, nämlich Hans Wilhelm von Weißenbach
aus Helmsgrün 17 und ein Adeliger namens Adam Weder, Fähnrich des Reitergeschwaders.
Wer sonst noch umgekommen ist, konnten wir in der Eile nicht erfahren und auch nicht
erkennen, da alle Toten unbekleidet herumlagen. Die meisten Opfer waren auf der Flucht von
hinten am Hals oder am Kopf getroffen worden. Auf unserem Weg mussten wir öfters über ToteBriefe_Vol_18-339 arpa
reiten; die Böhmen fahren sogar mit ihren Wagen über die auf der Straße liegenden Leichen.
Etliche kursächsische Reiter sind auf ihrer Flucht auf das zwei Meilen von Adorf entfernte
Plauen 18 geritten. Dort standen 12'000 kampfbereite kurfürstliche Söldner, die aber durch die
fliehenden Reiter alle in die Flucht getrieben wurden und dabei sogar ihr Geschütz, ihre
Spieße und Rüstungen zurückließen! Am 4. November löste sich die fliehende Truppe auf
—[4]Oelsnitz 19 hat sich am 2. November ergeben. Vier Bürger kamen Graf Schlick auf dem
Schlachtfeld mit weißen Stäben [als Zeichen der Kapitulation] und einem [Kapitulations]brief
entgegen. — [5] Am gleichen Tag ist Herzog Moritz [von Sachsen] mit seinem Heer vor
Zwickau gezogen. Er steht aufseiten des Königs (Ferdinand I.], wobei sein Volk ganz unwillig
in den Krieg zieht. — [6] Sebastian von Weitmühl ist oberster Befehlshaber [der Böhmen].
Anstelle des Königs hat 20
er dem Kurfürsten den Krieg erklärt. Bei der Kriegserklärung waren
auch der böhmische Kanzler [und Burggraf von Meißen, Heinrich IV.] von Plauen und viele
böhmische Adelige anwesend. — [7] Es sind über 2'200 b Husaren und Türken c und 2'500
andere Reiter im Feld, also insgesamt über 4'000 Kavalleristen und 12'000 Fußsoldaten.
Täglich kommen noch weitere Soldaten dazu. — [8] Am 4. November lag [der böhmische
Truppenführer] Wolf Christoph von Liechtenstein mit 130 Reitern vor Schönbach [bei Asch].
Gerade jetzt ziehen 40 Reiter aus Österreich 21 und Mähren durch. Man erwartet noch weitere
Truppen. —[9] In Eger 22 hat man zwei Klöster für den König geräumt, der dort sein Winterlager
einrichten will, damit er besser über das Geschehen informiert werden kann.
—[10]Die Böhmen hatten im Lager bei Landwüst 23 700 Wagen, davon mehr als 60 mit Pulver
und viele mit Kriegsmaterial beladen. Auch von Wien traf Geschütz ein, darunter acht große
Mauerbrecher 24 , die je von 26 bis 28 Pferden gezogen werden, sowie mehrere Feldgeschütze,
die je von 12 bis 14 Pferden gezogen werden. Der Zug hatte eine Gesamtlänge von anderthalb
Meilen. Der Zugmeister [...]berichtete, dass die wöchentlichen Ausgaben allein für die Artillerie
sich auf 18'000 Florin beziffern. —[11]Am heutigen Tag hat die Stadt Eger 200 Soldaten
zur Verfügung gestellt. Der Adel der Region liefert auch Truppen; ich weiß allerdings nicht,
wie viele Fußsoldaten und Kavalleristen. Ferner wird sehr viel Proviant ins Lager gesandt.
— [12] Etliche berichten, dass Hessen und die Hansestädte dem Kurfürsten viele Soldaten
zukommen lassen. "d -[13] [Blarers Brief:] Aus Augsburg wurde mitgeteilt, dass im ganzen
Donautal zwischen dem Gewässer "Müssel"25 und dem kaum eine Meile von Augsburg gelegenen
Schmuttertal alle der Stadt angehörenden Dörfer geplündert und zerstört wurden.
Frauen und Kinder sind mit über 1'000 Wagen, auf die sie die wenigen geretteten Habseligkeiten
geladen hatten, in die Stadt geflohen. Die Bauern hat man erstochen, die ReichenBriefe_Vol_18-340 arpa
gefangen und abgeführt: eine unbeschreiblich jämmerliche Lage! In Augsburg aber befinden
sich nicht mehr als 200 Kavalleristen, und wegen des nassen Wetters konnten die Fußsoldaten
zwischen dem 7. und etwa dem 15. November nichts gegen die zahlreichen umherstreifenden
feindlichen Reiter ausrichten. Möge Gott sich der armen Leute erbarmen! —[14]Kaiser [Karl
V.] handelt auf eigenartige Weise, denn in allen von ihm eingenommen Städten wie Donauwörth,
Lauingen, Leipheim 26e und vielen anderen mehr hat er die Einwohner verschont und die
Beibehaltung der evangelischen Predigt erlaubt. Zur Verwaltung dieser Städte hat er treue
Männer eingesetzt, damit das schlechte Kriegsgesindel den Einwohnern keinen Schaden zufügen
mag. Aus welchem Grund auch immer der Kaiser so handelt, so ist doch Gott dafür zu
loben! Auf dem Land und in den Dörfern hingegen ist es schrecklich zugegangen.