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Autograph: Zürich StA, E II 357a, 613 (Siegelfragment) Teildruck und zusammenfassende Ubersetzung: Blarer BW II 536f, Nr. 1374
[1] Blarer teilt vertraulich mit, dass Landgraf [Philipp von Hessen] sich ganz unerwartet als
völlig zaghaft und mutlos erwiesen hat und dadurch alle Stände [des Schmalkaldischen Bundes]Briefe_Vol_18-323 arpa
verunsicherte und betrübte. Er befürwortete nämlich einen Friedensvertrag mit Kaiser
[Karl V.] und veranlasste deshalb ein Schreiben an eine wichtige Persönlichkeit [Markgraf
Johann von Brandenburg-Küstrin] am kaiserlichen Hof und dies, obwohl alle ihn inständig
baten, davon abzusehen. —[2]Besonders Kurfürst [Johann Friedrich von Sachsen]versuchte,
dem Landgrafen Mut zuzusprechen, und verwies dabei auf seine eigene Standhaftigkeit. Denn
obgleich ihm der Verlust seines Landes bevorstünde und der Feind schon weite Teile davon
besetzt hat, sieht er weiterhin seine Aufgabe in [Süddeutschland] und hat alles Übrige Gott
anvertraut. Jedoch vergebens. Philipp blieb verzagt und meinte, dass alle so schön von Gott
sprächen, er aber [Gottes Beistand nicht merke]. Der Landgraf sagte zudem, dass er nicht
gegen seinen Schwager, Herzog Moritz [von Sachsen], ziehen wolle, obwohl er und alle
Stände zuvor versprochen hatten, nicht auseinanderzugehen, solange der Kurfürst nicht wieder
sein Land erhalten hätte. —[3]Unterdessen brach aber diese große Kälte ein, so dass man am
Dienstagabend [23. November]das Lager auflösen musste. So ist das [schmalkaldische Heer]
zuerst abgezogen. Die Kaiserlichen setzten nach und griffen an. Die [Schmalkaldener] schlugen
sogleich zurück und konnten dank des vom Landgrafen eingesetzten Geschützes den Feind
zurückdrängen. Viele der Angreifer wurden getötet, während die [Schmalkaldener] keine Opfer
beklagen mussten (nur ein Reiter kam um sein Pferd). Nun ziehen sie in das zu Ulm
gehörende Heidenheim. —[4] Wie wahr ist doch, dass man den Fürsten nicht vertrauen kann
[Ps 146, 3]! Der Mensch ist unbeständig wie das Wasser! — [5]Bullinger soll dies für sich
behalten. Auch wenn man bald darüber reden wird, sollen die Leute im Unklaren gelassen
werden.
In höchstem vertrauwen zog ich euch an, 2 das gott der herr ain wunder
erschrockeliche schwachait an dem landtgrauffen 3 hat sechen lassen, und im
hertz und mut genommen, das er alls gantz verzagtlich gehandelt, das 4 es
allen andern stenden 5 hoch beschwerlich und ain grosß hertzlaid gewesen
ist. 6 Dann er ist dahin kommen, das er mitt allem ernst getrachtet hat, ain
vertrag mitt dem kaiser 7 ze machen und desshalb ainem treffelichen grossen
herren an des kaissers hof 8 geschriben, sich ettlicher articul 9 vernemmenBriefe_Vol_18-324 arpa
lassen, onangesechen das 10 er auff das thürest und trungelichest 11 darfur
ersucht und gebetten ist worden 12 von den andern allen.
Und sonderlich hat inn der fromm, christelich churfürst 13 darfur auffs fruntlichest und flysigest gebetten, mitt erinnerung vyl und grosser ursachen; und das es im selbs vyl nöter thät nach sölichen wägen ze trachten, diewyl sein land und leut yetz zu schitern gang 14 und er nitt wisß, ob er gar darum komme, diewyl im der find schon dryn gezogen und vyl desselbigen ingenommen und noch ymmer furtrucke 15 , das zu besorgen, er müsse seins lands gar entsetzt werden 16 , noch danecht 17 , diewyl er ain ordenlichen beruff 18 erkenn, hie oben 19 ze helffen, und man deß begert, habe ers alles verschetzt 20 unnd in gottes hand gesetzt, mitt vyl derglichen worten und vermanungen, on not hie zu erzelen. Dann er ist wunder trostlich und christelicher, gottseliger wort gewesen in diser sach, aber der landtgrauff hinwider gantz erschrocken, verzagt und gar verschiben 21 . Wann man gottes und seines bistands meldung gethon, hat er gesagt: "Botz marter, 22 ir sagt wol von gott! Das ander muß ouch daby sein!"23 Hat ouch gesagt, er werde danecht wider seinen tochterman (hertzog Mauritzen 24 ) nitt ziechen, man thü im, wie man welle, unangesechen, das sich unsere stend all und er mitt inen verglichen und ainander zugesagt haben, von ainander nitt ze setzen 25 , byß der churfürst widerum restituiert seye, etc.
Allso ist nun mittenzu 26 diß kelte ingefallen, 27 das man uff zinstag ze nacht 28 usß dem feld hat müssen kelte halber. Und ist aber unser hauff 29 am ersten 30 uffbrochen. Sind inen die kaiserischen nachgeilt, verhofft, inen alls
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den abziechenden schaden zuzefügen. Da habend sich aber die unsern bald widerum gewendt und die find mitt schiessen (dann der landgraf glich das gschütz, so er by im gehapt, in sy gericht hat) und mitt stechen hinder sich zuruckgetriben und der find vyl erlegt hat. Den unsern ist gar kain schad widerfaren, dann das ainem ain gaul erschossen ist worden. 31 Die unsern ziechen uff Haidenhaim, deren von Ulm. 32
Ach gott, wie war ists: "Nolite confidere in principes!"33 , etc. Es ist nichts mitt dem menschenkind, des hertz so gar 34 wie wasser wancket! 35
Bitt euch um gottes willen, lassts allso by euch belyben, dann es nitt gut so es uskeme und lautprecht 36 wurde. Ob 37 man es wol bald mummlen 38 , wurt man doch nitt wissen (in tanta mendaciorum licentia 39 ), obs war.
[Ohne Unterschrift.]
[Adresse auf der Rückseite:] An Meister Heinrich Bullinger zu Zürich, meinem fürgeliepten herren und brüder, etc. Zürich. 40