Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2698]

[Ambrosius Blarer]
an Bullinger
[Konstanz],
1. Dezember [1546]

Autograph: Zürich StA, E II 357a, 706f. 728 (Siegelspur) Teildruck und zusammenfassende Ubersetzung: Blarer BW II 538-541, Nr. 1376

[1]Zusatz zum vorherigen Brief (Nr. 2690), den Blarer durch Gregor von Ulm nach Attikon übermitteln ließ: [2]Es wurde Blarer nun berichtet, dass der Landgraf [Philipp von Hessen] sich die Haare schneiden und waschen ließ, nur einen Tag, nachdem er eindringlich ermahnt worden war, von seinen Friedensverhandlungen mit dem Kaiser [Karl V.] abzustehen. Als

e Klammern ergänzt.
f Darunter Blarers Empfangsvermerk: 3. decembris 1546. — Von einer zeitgenössischen späteren Hand: Non perlectae, sed iuxta seriem annorum dispositae (eine Notiz, die offensichtlich für ein ganzes Bündel von Briefen bestimmt war).
34 Im Feldlager bei Giengen an der Brenz.
35 Gemeint ist höchstwahrscheinlich die in Zürich StA, E II 345, 351r.—353r., von Bullinger selbst abgefertigte Abschrift seines Briefes an Thamer vom 14. November (Nr. 2675).
36 Karl V.
37 Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen.
38 Herzog Moritz von Sachsen.
39 Christian III., König von Dänemark und Norwegen (1503, 1534-1559).
40 Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz (1482, 1544-1556). — Der Pfalzgraf war damals schwer erkrankt, es kursierten sogar Gerüchte über seinen Tod; s. Hasenclever, Kurpfalz 123f mit Anm. 305.
41 Bullinger hatte damals offensichtlich noch nicht Blarers Briefe Nr. 2690 und Nr. 2696 erhalten.
42 Heinrich von Ulm; s. oben Anm. 1.
1 Das Jahr ergibt sich aus dem Briefinhalt.


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Kurfürst [Johann Friedrich von Sachsen] ihn derart gepflegt antraf fragte er überrascht, was dies bedeute; ob er denn nichts anderes zu tun hätte. Der Landgraf erwiderte, dass es ihm wie David mit seinem kranken Kind erginge, der während der Krankheit des Kindes voller Bangen, nach dessen Tod aber fröhlich war. So sei er in letzter Zeit verzweifelt gewesen, weil ihn stets die Friedensverhandlungen beschäftigten. Da er nun aber erkannt hat, dass nichts daraus wird, hat er neuen Mut gefasst, sich zurechtgemacht und wird weiterhin sein Bestes geben. [3] Diese Nachricht zur Beruhigung, damit Bullinger nicht etwa am Landgrafen verzweifelt. Kurz: Gott nimmt den Fürsten den Mut und hat zudem gezeigt, dass der Landgraf auch nur ein Mensch ist. Alle anderen [schmalkaldischen Stände]befürworteten nämlich einen Angriff gegen den Kaiser. Der Landgraf jedoch erwies sich als zaghaft und widersetzte sich diesem Plan so heftig, weil er die Folgen einer etwaigen Niederlage sehr fürchtete. Deshalb beauftragte er (trotz des Abratens des Kurfürsten und der anderen Verbündeten) den Adeligen Adam von Trott, Kontakt mit dem [auf der Seite des Kaisers stehenden]Markgrafen Johann [von Brandenburg-Küstrin] im Hinblick auf Friedensverhandlungen aufzunehmen. Der Markgraf ließ dem Landgrafen ausrichten, dass er sich der Sache nicht annehmen wollte; dass er diese aber an den Kaiser weiterleiten könnte, falls der Landgraf es wünschte. Der Markgraf meinte ferner, dass sich der Kaiser auf Verhandlungen nur einlassen würde, wenn der Kurfürst und der Landgraf sich dem Kaiser stellen und mit Land und Volk ergeben würden. Trotz allem ließ der Landgraf ein weiteres Mal an den Markgrafen schreiben. Dieser legte seiner kurzen Antwort eine eigenhändige Notiz bei, auf der nur Folgendes stand: 1. Demütigung, 2. Freilassung der Gefangenen, 3. Zurückerstattung, 4. Auflösung des [Schmalkaldischen] Bundes." [4]Als der Kaiser die Angst des Landgrafen spürte, zog er mit einigen Truppen in die Nähe der [Schmalkaldener], als wollte er sie angreifen. Sobald aber der Landgraf begriffen hatte, dass aus seinem Friedensversuch nichts werden würde, ließ er die Angelegenheit fallen, wie schon oben berichtet. Wegen des Kälteeinbruchs zogen dann die [Schmalkaldener] nach Heidenheim [an der Brenz], was Blarer schon in seinem vorigen Brief erzählt hat. [5]Man kann daraus gut ableiten, dass Gott die [Protestanten] straft, weil diese ihm so wenig vertrauen. Daher lässt er sie zu Recht dahinsiechen, wodurch ihnen der endgültige Tod und durch den langwierigen Krieg das Verderben bevorsteht. [6] Sonst gibt es nichts zu berichten, zumal nun alle Konstanzer Gesandten zurückgekehrt sind. Man will sehen, wo der Kaiser sein Winterlager aufschlägt, um dementsprechend neue Maßnahmen treffen zu können, welche allerdings nicht besser sein werden als die bisherigen. [7]Bullinger soll wissen, dass der französische [König Franz I. ] seltsame Unterhandlungen mit den [Schmalkaldenern]betreibt, die Blarer zutiefst bestürzen. Dabei stellt der König einige kaum akzeptable Bedingungen, die man in den Verhandlungen noch abzumildern hofft. So fordert der König, dass der Dauphin [Heinrich] Römischer König wird. Bullinger soll jedoch darüber und über das [Verzagen] des Landgrafen niemandem etwas sagen, oder zumindest dabei Blarers Namen nicht erwähnen. [8]Zudem hat Franz I. erwirkt, dass [Sultan Suleiman L]einen Boten [...]mit Absagebriefen nach Venedig gesandt hat. Diese sind für den Kaiser und den [Römischen]König [Ferdinand I.] bestimmt. Allerdings sollen sie erst nach Rücksprache mit Franz I. tatsächlich übermittelt werden. Sollte Franz I. sich dazu entschließen, erhofft man sich dadurch eine lähmende Wirkung auf den Kaiser, weil dieser dann der Meinung sein würde, dass Krieg und Frieden mit den Türken von Frankreich abhängt. Suleiman selbst aber (dessen Gewohnheit es nicht ist, offiziell den Krieg zu erklären) sieht dies natürlich ganz anders. Er ist bereit, sich Franz I. behilflich zu erweisen, wäre aber deshalb in keiner Weise zu irgendetwas verpflichtet. Als Erbfeind der Christenheit (was schon allein aus seinem Titel "Feind und Verfolger aller Christen"hervorgeht) könnte er trotzdem in den Krieg ziehen. Dies sind also nur Täuschungsmanöver! [9] Blarer nimmt diese Vorgänge als Vorboten des sicheren Untergangs Deutschlands wahr, denn er kann sich nicht vorstellen, woher nun eine Besserung kommen könnte. Nirgends ist Ernst, Eifer oder ein Trachten nach Besserung festzustellen. Die Welt ist ganz und gar verstockt! Bullinger soll Gott um Hilfe anflehen. [10][P.S.:] Zwei der nach Augsburg entsandten Zürcher Pfarrer [Lorenz Meyer und Thoman Ruman] werden des Ehebruchs bezichtigt, einer [...] zudem des Meineids, weil er vor der Synode seine Unschuld geschworen hatte, danach aber der Tat überführt wurde. Wenn er es könnte, würde Blarer die Beschuldigten


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verteidigen. Bullinger soll also berichten, wie es wirklich damit steht. (11) Außerdem möchte Blarer verstehen, warum Bullinger unlängst (im Brief Nr. 2606] über die von den Baslern nach Augsburg entsandten Pfarrer (Sebastian]Lepusculus und [Hieronymus] Gunz meinte, dass diese ihm ungeeignet erschienen. Haben vielleicht die Basler jene Pfarrer entsandt, um sie loszuwerden? Allerdings hat Blarer nie etwas Schlechtes über diese zwei gehört.

||707 a Ad superiores literas 2 , quas per Gregorium ab Ulmis 3 Attikam perferri curavi: a

F[ur]g[eliepter] h[err] und bruder. Wie ich den andern nechsten b5 brieff geschriben, hab ich yetzund grundtlich bericht erfaren, das der landtgrauff 6 , nachdem er alls trungelich 7 vermant worden, wie gemeld, 8 von sölichem furnemmen 9 abzestehn, mornderigs 10 gleich sich hat lassen auffs fleyssigst ausbutzen mitt schären 11 zwachen 12 und dergleichen. Ist allso zum churfursten 13 kommen. Der hats gleych gemerckt und zu im gesagt, was diß bedüte, ob er so vyl zeyt und weyl habe und ob ime die sachen 14 nitt haisser angelegen seyen 15 , dann das er sich allso herfür streych 16 . Daruff der l[andtgrauff] geantwurt: Im seye wie dem David mitt seinem krancken kind. Der were ängstig in des 17 kranckhait, frölich aber nach seinem tod. 18 Allso hab er vergangner tag angst und not gehapt, und seye im der vertrag 19 ymmer im kopff gesteckt. 20 Aber so er seche, das nichts sein welle 21 , so hab er desshalb allen unmut hingelegt und ain new hertz gefasset und die haut auch von newem ausgebuzt 22 . Welle furohin alles handlen, wie sich gepur, seines besten vermögens.

a-a Mit anderer Tinte über dem Brieftext nachgetragen.
b Später mit gleicher Tinte wie die Ergänzung oben nachgetragen.
2 Nr. 2690 vom 24/25. November.
3 Gregor von Ulm, der Bruder von Heinrich von Ulm; s. Nr. 2644, Anm. 11. Gregor besaß seit 1537 das ca. 4 km von Frauenfeld bzw. ca. 12 km von Attikon und unweit vom Schloss Griesenberg (Amlikon, Kt. Thurgau) gelegene Schloss Wellenberg (Gemeinde Felben-Wellhausen, Kt. Thurgau), das zuvor im Besitz der Familie Mötteli vom Rappenstein gewesen war; s. HBLS VII 114; Albert Knoepfli, Der Bezirk Frauenfeld, Basel 1950 — Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau 1, S. 442.
4 Im zwischen Winterthur und Frauenfeld und damit auf der Strecke nach Konstanz gelegenen Attikon übernachteten gelegentlich die Boten; s. Nr. 2635,25-34.
5 Hier im Sinne von "vorherigen". — Gemeint ist Nr. 2690.
6 Philipp von Hessen.
7 alls trungelich: derart dringlich.
8 In Nr. 2690,10-23.
9 Nämlich einen Friedensvertrag mit Kaiser
Karl V. zu schließen; s. dazu Nr. 2690,5-9.
10 am nächsten Tag.
11 sich hat ausbutzen mitt schären: sich die Haare hat schneiden lassen.
12 (Haare) waschen; s. Fischer VI 1411f s.v. zwagen, zwac(h)en.
13 Johann Friedrich I. von Sachsen.
14 die Kriegsangelegenheiten.
15 nitt haisser angelegen seyen: nicht wichtiger seien.
16 sich allso herfür streych: sich dermaßen herausputzt hat.
17 des Kindes.
18 Siehe dazu 2Sam 12, 13-23.
19 Der von ihm geplante Frieden mit dem Kaiser; vgl. unten Z. 26-43.
20 im kopff gesteckt: gegenwärtig gewesen.
21 das nichts sein welle: dass nichts daraus werden wollte.
22 die haut auch von newem ausgebuzt: sich schön (gepflegt) zurechtgemacht; vgl. SI IV 2021. —Anspielung auf 2Sam 12, 20.


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Das wollt ich euch ouch unangezögt nitt lassen, damitt ir ab 23 dem vorigen nitt zu vyl erschreckind und gar an dem l[andtgrauffen] verzwifelten. Aber in summa: Gott hat sechen lassen, das er 24 ain mensch ist und das er 25 den fursten den mut nympt. 26 Dann es habend all ander 27 letstlich ainmütig dahin geraten, das man die sach uff gott wagte und zu der schlacht gryffe. Des hat sich der l[andtgrauff]gewidert 28 mitt hefftigen worten und langer erzellung, was daruß keme, sollte es missraten, allso das 29 man sich siner klainmütigkait nitt verwundern könne; 30 davon vyl ze schriben, were aber nitt von nöten. Er hats uber 31 alles vermanen des churfursten und der anderen durch ain edelmann Adam von der Trotten 32 an margraff Hansen 33 werben lassen aines vertrags halber, 34 der im 35 aber empotten 36 , er nein sich des nitt an und seye sins dings nitt. Welle er 37 aber, so well ers an den kaiser 38 gelangen lassen. Er achte aber, der kaiser lasse von kainem vertrag handlen, es seye dann sach 39 , das sich er und der churfürst dem kaiser sampt irem land und leuten darstellind 40 und an sin gnad und ungnad ergebind. Uber sölichs hat nichts destweniger der landtgrauff widerum angelangt 41 . Hat im marggrauff Hans kurtz geantwurt und in den brieff ain zedelin gelegt, mitt seiner aignen hand geschriben. Sind nitt mer dann dise vier wort gestanden: "1. Demütigung, 2. Erledigung 42 der gfangnen, 3. Restitutio, 43 4. Zerrissung der pundtnussen 44 Daruff müss der vertrag stehn, mitt wytlöffiger erleuterung.

23 wegen; s. Fischer I 3.
24 der Landgraf.
25 Gott.
26 Hi 12, 24; Ps 76 (Vulg. 75), 13.
27 die anderen Fürsten bzw. Stände des Schmalkaldischen Bundes. — Siehe aber Nr. 2690, Anm. 6.
28 Des hat er sich gewidert: Dagegen hat er sich widersetzt.
29 allso das: so dass.
30 Zu verstehen: so dass man sich angesichts seiner offensichtlichen Angst vor einer Niederlage nicht wundern musste, dass er einen Frieden mit dem Kaiser suchte.
31 trotz.
32 Adam von Trott, kurbrandenburgischer Marschall.
33 Johann, Markgraf von Brandenburg-Küstrin, ein Lutheraner auf der Seite des Kaisers.
34 Siehe Nr. 2690,5-9 mit Anm. 8.
35 dem Landgrafen.
36 ausrichten ließ.
37 der Landgraf.
38 Karl V.
39 der Fall; s. SI VII 1120.
40 stellten, ergäben.
41 nachgesucht. — Dieses zweite Schreiben sowie die hernach vermerkte Antwort des Markgrafen erwähnt auch Walter Möllenberg, Die Verhandlungen im schmalkaldischen Lager vor Giengen und Landgraf Philipps Rechenschaftsbericht, in: Festschrift zum Gedächtnis Philipps des Großmütigen Landgrafen von Hessen, hg. v. Verein für Hessische Geschichte und Landeskunde, Kassel 1904, S. 54f. Siehe ferner Schüz, Donaufeldzug 84f. Der Kaiser lehnte das Gesuch ab. — Zu diesen Verhandlungen s. auch Nr. 2690, Anm. 6.
42 Freilassung; s. Fischer II 816.
43 Der von den Schmalkaldenern besetzten Territorien, Ortschaften und Klöster.
44 Gemeint ist die Auflösung des Schmalkaldischen Bundes.


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||706 Und glich uff sölichs, alls der kaiser gemerckt, das der landtgrauff den hasen im busen 45 , hat er sich uffgemacht und zu den unsern gemachet uff ain klaine halb mil 46 wegs, sich allso sechen lassen, ob sy lustig wellten sin, 47 inn 48 anzegryffen. Alls aber der llandtgrauff] gesechen, was der vertrag sein müsst, hat ers alles fallen lassen, wie ob 49 stat. Und ist indem die kelte ingefallen, 50 das man hat abziechen müssen. 51 Doch ist unser huf am ersten abzogen uff Haidenhaim 52 wie ich euch nechermal geschriben hab. 53

Allso sechend wir, wie unß gott straufft und plagt und wie sogar kain recht hertz und vertrauwen uff gott ist. Derhalb er unß billich dermassen stecken und serben 54 lasst. Und wirt der lang siechtag 55 der gwisß tod 56 und diser langwirig krieg unser gwysß verderben sein!

Ich hab euch nichts sonders weyter ze schriben. Unsere gsandten 57 sind yetzund all anhaim, das 58 wir nichts mehr so gwisses teglich hören mögen. Man wartet, wa 59 der kaiser sin wynterleger machen welle, damitt man sich dargegen wisse ze schicken. Da wirt man aber handlen wie byßanher, als ich ubel sorg.

So kan ich euch in hochem vertrauwen nitt bergen 60 , das der Frantzoß 61 mitt den unsern wunderbarlich 62 practick 63 hat, die mich von hertzen ubel erschreckend und bekümerend. 64 Dann man handlet yetzund darinn (gott welle, das mans c zerschlach), das er mitt unß in ain defensionpündtnuß komme, da 65 er aber ettlich articul furgetragen und begert, die etwas beschwerlich sein wellend. Doch handelt man noch und hofft mylterung. Es ist under anderm ouch ain articul, das der delphin 66 Römischer könig erkändt sollte werden. 67 Aber davon sollt ir um kain sach 68 nieman sagen, oder, so irs vertrauwten leuten sagen wellt, so sagend doch kainswegs, das irs von

c In der Vorlage man.
45 den hasen im busen: Angst (hat); s. SI II 1665.
46 zwischen 3 und 4 km.
47 ob sy lustig wellten sin: als ob sie [die Kaiserlichen] wollten.
48 den Landgrafen.
49 Oben in Z. 3-17.
50 Zum Kälteeinbruch s. die Verweise in Nr. 2689, Anm. 7.
51 Zur Aufhebung des schmalkaldischen Lagers s. Nr. 2662, Anm. 20.
52 Heidenheim an der Brenz (Baden-Württemberg).
53 In Nr. 2690,28-36.
45 vergehen, absterben; s. SI VII 1339f.
55 Krankheit (hier der schlimme innerliche Zustand der Gläubigen); s. Fischer V 1394.
56 gwisß tod: der endgültige Tod im Gegensatz zum leiblichen Tod eines Gläubigen,
nach dem es zur Auferstehung und zum ewigen Leben kommt.
57 Die Konstanzer Gesandten in Ulm und im schmalkaldischen Lager.
58 so dass. 59 wo. 60 verbergen.
61 König Franz I.
62 seltsame; s. SI XVI 628.
63 (geheime) Unterhandlungen, Machenschaften; s. SI V 568.
64 Zu den Verhandlungen der Schmalkaldener mit Franz I. s. schon die Verweise in Nr. 2662, Anm. 27, sowie Nr. 2689, Anm. 33. Frölich hatte Bullinger gegenüber versichert, dass diese Verhandlungen reine Täuschungsmanöver seien; s. Nr. 2662,32-34.
65 bei dem.
66 der spätere König Heinrich II.


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mir, sonder in gemain von ainem guten frund habind. Allso thaind im 69 ouch in obgemelten 70 sachen den l[andtgrauffen] betreffend.

Item, der Frantzoß hat angericht 71 , das der Turck 72 ain treffelich bottschafft 73 abgefertiget mitt absagbrieffen 74 an den kaiser und könig 75 . Die bottschafft ist vor ettlichen tagen zu Venedig ankommen. Hat bevelch, das sy den Frantzosen vorhin darum ansprechen solle, und wa 76 es im gefalle, solle sy mitt den brieffen furtfaren; wa nitt, sollen sy die brieff verhalten 77 . Das ist aber ain gschwynder 78 griff, dardurch der Frantzoß verhofft, den kaiser ze strecken 79 , so 80 er 81 seche, das deß Turcken halb 82 so vyl am Frantzosen gelegen seye, und frid oder unfrid zu im stande 83 (das doch des Turcken mainung 84 nitt ist) d . Dann er 85 hat nitt gesagt, das er drum nitt den zug thain well, wann die absagbrieff nitt fürsich gangind 86 , diewyl ers doch nitt im bruch 87 hat, vorhin 88 durch brieff abzesagen; sonder will er, das man inn on das für unsern abgesagten erbfind allweg halte, ||728 wie er sich dann in seinem titel allweg schribt "ain find und verfolger aller christen". Aber danecht 89 so machet man söich blauw dunst 90 Und lygt dem Turcken nichts daran, so er dem Frantzosen mitt disem schein zu seinem vorhaben beholffen sein kan.

Wolan! Ich waiß und kan min rechnung weyter nitt machen 91 , dann das ich ubel sorg, dise alle ding seye anzögungen und vorbotten unsers gewissen 92 verderbens. Ich kan nienen nichts 93 ersechen in der ganzen weyten wällt, wahin ich mich ymer wend, dannen her 94 ich hoffen konne, das es sich in unserm Teutschland naisman 95 besser schicken werd, sonder sicht im gleich 96 wir müssen gar hinunter. Es ist nienen kain rechter ernst, yfer oder nachfrag nach rechter besserung. Die wellt ist gar erstaunet 97 und verstockt.

d Klammern ergänzt.
67 Dieses Gerücht findet sich auch im Brief des Konstanzer Rats an den Zürcher Rat vom 16. Dezember; s. Zürich SA, A 177, Nr. 153.
68 um kain sach: unter keinen Umständen.
69 Allso thaind im: Desgleichen tut dem.
70 In oben Z. 3-38. 71 erwirkt.
73 Sultan Suleiman I.
73 Unbekannt.
74 d.h. mit einer Kriegserklärung; s. SI VII.
75 Ferdinand I.
76 wenn.
77 zurückhalten.
78 flinker, geschickter; s. SI IX 1957.
79 erledigen; s. Fischer V 1839. Hier vielleicht auch im Sinne von "lähmen".
80 wenn.
81 der Kaiser.
82 das deß Turcken halb: das, was den Türken betrifft.
83 zu im stande: von ihm abhänge.
84 Absicht.
85 Suleiman.
86 fürsich gangind: weiter gingen.
87 Brauch.
88 zuvor.
89 dennoch.
90 blauw dunst: Blendwerk; s. SI XIII 810.
91 min rechnung weyter nitt machen: mir nichts anderes vorstellen; s. Fischer V 205.
92 sicheren.
93 nienen nichts: nirgends etwas.
94 dannen her: von wo.
95 irgendwann.
96 sicht im gleich: es scheint, als ob.
97 erstarrt, verdutzt, s. SI XII 1201 s.v. erstarret.


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Bittend und hettend, so starck ir sind! Dann gott muß unß wunderbarlich bekeren, oder es ist verloren.

Datum den ersten decembris.

[Ohne Unterschrift.]

Affirmant et calumniantur missos a vobis Augustam adulteros esse: duos praesertim, 98 quorum alter 99 cum adulterio etiam periurium coniunxerit. Accusatus enim coram synodo 100 caput suum diris devoverit modisque omnibus constantissime negarit [q]uicquam e huius se designasse 101 ; deum sibi iratum precatus, si fecisset. Postea tamen retectum esse flagitium ipsumque huius convictum. Cuperem ego vehementer illos defendere, si vere possem. Visum igitur est de hoc ad te scribere, ut me, quomodo res hec habeat, certiorem facias, ne enim istuc credam.

Facit praeter alia, quod non adeo pridem ad me scripsisti 2 de iis ministris, quos Basilienses Augustam miserunt, 103 non satis illos tibi probatos videri. Sed Basilienses forte illos misisse, quibus lubenter carere voluerint, quum tamen neutrum, hoc est neque Lepusculum neque Guntium, ulla infamie macula aspersum audiam.

[Adresse auf der Rückseite:] Observando [suo ami]co f et fratri d. [Heinrycho] Bullingero, Tiguri. Zurich. 104

e Zum Teil im engen Einband nicht lesbar und anstelle eines gestrichenen nihil.
f — Hier und danach Textverlust bei Entfernung des Verschlussbandes.
98 Gemeint sind Lorenz Meyer (Agricola) und (Hans) Thoman Ruman. Die Kritik wird wohl ihren Ursprung in der Tatsache haben, dass zwei der Zürcher Pfarrer, nämlich Meyer und Rudolf Schwyzer d.Ä., nicht mit ihren Frauen nach Augsburg zurückgekehrt waren, obwohl man ihnen die Rückreise nach Zürich bezahlt hatte, damit sie ihre Frauen holen würden; s. Nr. 2685,94-97. — Fest steht, dass Meyer des Ehebruchs und einer danach erfolgten Abtreibung beschuldigt wurde (Zürich StA, Synodalprotokoll. E II 1, 295f. 3161). die erste Anschuldigung zugab und diese auch büßte, die zweite jedoch stets leugnete und offenbar mit den von ihm vorgewiesenen Zeugnissen seine Richter zufriedenstellen konnte; s. aaO, S. 315 (zu dieser Affäre s. schon HBBW XIV, Nr. 2008; XV, Nr. 2151). — Die oben geäußerte Kritik an zwei der Zürcher Pfarrer erlaubt nun auch, die Identität Rumans, die wir in HBBW XVII 418, Anm. 21, offen lassen mussten, näher zu bestimmen. Er ist wohl identisch
mit dem im Pf-Zürich 485 als Hans Römer bezeichneten Pfarrer, der nach seiner Ordination 1531 zunächst in Marthalen (Kt. Zürich) wirkte. Laut dem Synodalprotokoll vom 19. Oktober 1546 (Zürich StA, E Ill, 332) soll er dort "von eebruchs wägen vor jaren sines ampts entsetzt, in thurm gelegt" worden sein und seine Tat "gebüst" haben. An jener Synodalsitzung erkannte er seinen Fehler, hat um Vergebung und wurde wieder in die Synode aufgenommen. Er erklärte sich zudem bereit, nach Augsburg zu gehen. Wohl erst nach seiner Rückkehr 1547 (und nicht schon 1546) wurde er in Zurzach (Kt. Aargau) als Pfarrer angestellt, 1551 in Turbenthal (Kt. Zürich) und 1558 in Rüti (Kt. Zürich), wo er am 18. April 1563 starb; s. Zürich StA, G I 179, 37r. 51v. 71v. 79r.
99 Es bleibt offen, ob hier Meyer oder Ruman gemeint ist.
100 Die Zürcher Synode.
101 Zu verstehen: Und er hat stets bestritten, dass er so etwas angestiftet hätte.