Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2709]

[Ambrosius Blarer] an
Bullinger
[Konstanz],
8. Dezember [1546]

Autograph: Zürich StA, E II 357a, 678 (Siegelspur)

Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 541f, Nr. 1377

[1]Blarer hofft, dass Bullinger die zwei durch seinen Schwager Gregor von Ulm auf [Schloss] Wellenberg nach Attikon übermittelten Briefe [Nr. 2690 und Nr. 2698] erhalten hat. [2] Er

31 Der Lehrer Thomas Grynäus.
32 Peter Zeller.
B Siehe zu diesem Lied HBBW XVI 347, Anm. 10. Es ist nicht erhalten; s. AK VI 353 (zu Nr. 2879); Adolf Fluri, Die bernische Schulordnung von 1548, in: Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte Il, 1901, 192.
34 Hier ist eine Sitzung des Großen Rates gemeint, wie aus dem Brief von Johannes Haab und Itelhans Thumysen an den Rat von Zürich, Baden, 7. Dezember 1546 (Zürich StA, A 227/1, Nr. 88), klar hervorgeht: Zürich und schließlich auch Schaffhausen hatten sich mit der Antwort der katholischen Orte auf das Schreiben der Vier protestantischen Orte (s. dazu Nr. 2606, Anm. 60) zufriedengegeben (zur Aufnahme dieses Schreibens unter den katholischen Orten s. EA 1IV/1d
716 a. 718f zu a). Hingegen ging es Bern (wegen der eroberten savoyischen Gebiete) und Basel wiederholt um eine ausdrückliche Zusicherung der Neun Orte, im Falle eines Angriffs auch durch die katholischen Orte geschützt zu werden, eine Frage, die auf dem Tag zu Baden vom 7. Dezember thematisiert wurde; s. EA IV/1d 724f h. Zürich aber wollte dies nicht fordern, um nicht im Gegenzug den katholischen Orten den Schutz ihrer Religion versprechen zu müssen.
35 wüsses haben: einen Bescheid erhalten.
36 den katholischen Orten.
37 Genau und ausschließlich die von Myconius hier abgeschriebene Passage ist in CO XII 409 nachgedruckt. Die entsprechende Stelle ist in Nr. 2647, [4], zusammengefasst.
1 Das Jahr ergibt sich aus dem Briefinhalt.


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hat sonst nichts Neues zu berichten. Der Graf (Wilhelm] von Nassau soll laut einem zweifelhaften Gerücht die dem Landgrafen (Philipp von Hessen]gehörende [Grafschaft]Katzenelnbogen eingenommen haben. [3]Angeblich befindet sich der Pfalzgraf [Friedrich II.] bei Kaiser [Karl V.]. Das verspricht nichts Gutes. [4] Ein vornehmer Württemberger [...] hat Blarer erzählt, dass sich Herzog [Ulrich von Württemberg] mit dem Kaiser aussöhnen will, wenn er seinen Glauben behalten dürfe. Man hofft, dass es nicht stimmt, obwohl manches dafür spricht. [5] Im bayerischen München sind an die 1'000 neapolitanische Reiter für den Kaiser eingetroffen. Es sollen noch einmal so viele kommen. Der Kaiser stärkt sich und lässt neue Truppen ausheben. [6]Anbei ein Brief [Georg]Frölichs mit der Bitte um Rücksendung. Dieser hat vielleicht Ähnliches an Bullinger geschrieben. [7]Ach, wie gefährlich ist doch die Lage, besonders für Konstanz und für viele andere Städte! Gott hat gezeigt, welche Folgen es hat, wenn man seine Hoffnung und sein Vertrauen auf die Fürsten setzt: Dann wird nämlich nichts ausgerichtet, sondern nur noch größere Gefahr heraufbeschworen! Den Menschen wird es langsam bange. Deshalb spürt man bei ihnen ein größere Bereitschaft, ihr Leben zu verbessern und auf Gottes Hilfe zu zählen. [8] Bullinger weiß sicher, dass Nördlingen sich widerstandslos dem Kaiser ergeben hat. Von dort aus kann dieser den [Schmalkaldenern] leicht nachsetzen. [9] Der Konstanzer Rat hat eine einprozentige Steuer auf liegendes und fahrendes Vermögen erhoben und beim Lohn jeden erhaltenen Florin mit einem Kreuzer besteuert. Wer nichts hat, muss zwei Batzen geben. [10]Grüße, auch von [Thomas Blarer]und K[onrad]Z[wick]. Gruße auch an die Ratsherren und Freunde.

Furgeliepter herr und bruder, ich hab euch yetz zway mal brieff 2 durch minen lieben schwager Goriusen von Ulm 3 zu Wellenberg 4 uff Attika 5 zugeschickt. Hoffen euch worden sein.

Hab euch nichts newes ze schriben, dann das ir vorhin wisst. Es ist her geschriben, der grauff von Nassauw 6 solle dem landtgrauffen 7 Katzenelenbogen eingenomen haben. 8 Aber doch will man noch etwas daran zwyflen. So soll der pfaltzgrauff 9 by dem kaiser 10 sein. 11 Hat man nit für gut.

2 Gemeint sind die Briefe Nr. 2690 vom 24/25. November und Nr. 2698 vom 1. Dezember; vgl. schon Nr. 2698,1f.
3 Gregor von Ulm, der Bruder von Blarers kürzlich verstorbenem Schwager Heinrich von Ulm.
4 Schloss Wellenberg, Gemeinde Felben-Wellhausen (Kt. Thurgau); s. Nr. 2698, Anm. 3.
5 Attikon (Kt. Zürich). — Zur Lage der Ortschaft s. Nr. 2635, Anm. 31.
6 Blarer denkt hier vermutlich an Wilhelm den Reichen von Nassau-Dillenburg, zu dessen Linie ursprünglich die Grafschaft Katzeneinbogen (Nassau-Dillenburg) gehörte.
7 Philipp von Hessen.
8 Nachdem die Grafschaft Katzeneinbogen 1479 an Hessen gefallen war, kam es diesbezüglich seit 1500 zu einem Erbfolgestreit zwischen Hessen und Nassau-Dillenburg,
der bis 1557 andauerte. — In NBD IX 385, Nr. 118 (vom 10. Dezember), wird gemeldet, dass Maximilian von Egmont, Graf von Büren, die Grafschaft zurückerobern wolle, und in LP XXI/2, Nr. 624 (vom 27. Dezember 1546), wird berichtet, dass von Büren mit seinen Truppen dort eingetroffen sei. Am 22. Dezember hatte er tatsächlich Darmstadt besetzt; s. Nr. 2706, Anm. 21.
9 Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz.
10 Karl V.
11 Schon Anfang November hatte Friedrich II. Gesandte zum Kaiser geschickt, um eine Audienz zu erwirken, was jedoch abgelehnt wurde. Ende November zog Friedrich dem Kaiser entgegen, um eine Audienz zu erzwingen. Am 10. Dezember kam es in Ellwangen (Ostalbkreis, Baden-Württemberg) zu einem Treffen mit Nicolas Perrenot, Herrn von Granvelle,


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Ouch hat mir ain furnemer 12 ausß dem land Wirtemberg anzögt, er seye glouplich bericht, das sich der hertzog 13 mitt dem kaiser vertragen welle, so er by seiner religion belyben möge. Wir hoffen aber, es seye nitt war, wiewol man ettlich vermutungen hat usß ursachen. 14

Zu Mynchen in Bayern sind ob 15 1'000 neapolitanischer reuter dem kaiser zukommen. 16 Und sollen ir 17 noch so vyl komen. Er sterckt sich ouch sonst allenthaib her 18 , und schlecht man dem kaiser um 19 , dann er wyll ain frisch volck 20 machen.

So schick ich euch hiemitt des Laeti brieff 21 . Den schickt mir widerum. Hats euch vyllicht alles selbs geschriben. 22

Ach, myn lieber her und bruder, wie stond die sachen so gar gefarlich! Es sytzend warlich wir und vyl stett in ainem grossen führ 23 , und ist die fahrlichait 24 grosß. Gott hat uns ja wol sechen lassen, das man zu vyl vertrauwen in fursten und grosse macht gesetzt, 25 darum man ouch nichts ussgericht, sonder sich in noch grösser fahrlichait gesteckt hat, wiewol ich mich yetz in disem fal vyl mehr guts zu der getruwen hilff und gwaltigen hand gottes versechen kan 26 . Dann es facht an den leuten das wammes 27 gantz eng werden, 28 und wurt mehr ernst gespürt dann bysanher. Wann man denn spuren wirt, alles mitt menschen hilf verloren sein, wirt man sich des lieben gotts hilf dester mehr getrösten und in mitt ernst und bessrung des lebens anrüffen.

Ir wisst wol, das der kaiser Närlingen 29 hat ingenomen. Das hat sich on allen widerstand ergeben. 30 Von dannen kan er den unsren gar wol nachsetzen.

und Johann von Naves; am 19. und 20. Dezember erfolgten schließlich zwei Audienzen beim Kaiser in Schwäbisch-Hall, bei denen sich Friedrich unterwarf und begnadigt wurde; s. Hasenciever, Kurpfalz 125f. 139-153.
12 Unbekannt.
14 Ulrich von Württemberg.
14 Wohl weil der Herzog den Landgrafen in Stuttgart weder empfangen noch dem Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen Geld leihen wollte, und zudem schon seit Anfang Dezember in Verhandlungen mit dem Kaiser vermittels Hans von Brandenburg-Küstrin stand; s. Viglius van Zwichem 254; Heyd, Ulrich von Württ. III 433. 454-465.
15 über, etwa.
16 Zu diesen Reitern s. Nr. 2689,16-19 mit Anm. 8; Nr. 2701,53-55.
17 deren.
18 allenthalb her: von überall.
19 man schlecht um: man trommelt Söldner zusammen; s. SI IX 372.
20 am frisch volck: neue Truppen.
21 Dieser Brief Georg Frölichs an Blarer findet sich nicht in Blarer BW.
22 Frölich hatte am 4. Dezember tatsächlich an Bullinger geschrieben (Nr. 2700).
23 Feuer. —Vgl. Wander I 994, Nr. 40: "Die beim Feuer sitzen, kriegen den Rauch und müssen schwitzen." Es könnte hier auch eine Anspielung auf Dan 3, 19-28 vorliegen (vgl. Nr. 2695,19-21).
24 Gefahr.
25 Vgl. schon Nr. 2690,37f.
26 ich mich versechen kan: ich erwarten kann.
27 Wams, eng anliegendes Kleidungsoberteil; s. SI XV 1731-1734.
28 Die Redewendung ist in Grimm XXVII 1466 belegt. Gemeint ist: den Leuten wird langsam vor Angst die Kehle zugeschnürt.


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Der gmain pfenning ist by unß angelegt vom hundert hoptguts 1 fl es seye ligends oder farends, hausrat, klainet 31 , etc., vom dienstgelt ye vom guldin 32 1 crutzer 33 a Wer nichts hat, gibt 2 batzen 34a .

Gott mitt euch! Den bittend hertzlich für unns. Es grützt euch sehr fruntlich min lieber bruder 35 , ouch vetter C[onrad] Z[wick]. Datum in yl, den 8. decembris. Grützt all gut herrn und frund.

[Ohne Unterschrift.]

[Adresse auf der Rückseite:] Incomparabili viro Heinricho Bullingero, Tiguri, amico suo summo.