Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[624]

Bullinger an
Oswald Myconius
[Zürich],
2. August 1535

Autograph: Zürich StA, E II 342,47 (Siegelspur) Ungedruckt

Empfehlung für [Sebastian]Lepusculus. Verdeutlicht auf Grund des ihm von Myconius zugesandten Exemplars sein früher geäußertes Urteil über Erasmus' "Ecclesiastes".

Gratiam et pacem a domino.

Subinde ego te meis sollicito amicis, pro his apud te intercedo, hos tibi commendo. Oro, ne importunitati meae subirasci velis. Venit ad te miser hic Lepusculus 1 , vir doctus et pius, qui quod semel se alieno aere degravavit, cogitur subinde cum penia 2 certare 3 . Bernates renunciarunt illi 4 . Miser ergo non habet, quo vivat cum liberis 5 . Proinde, si potes, iuva misericordiam impartire non indigno homini, aut certe consiliis solare.

Habeo tibi pro libro 6 gratias maximas. Quid dicam? Totus mihi displicet Erasmus. Displicent, quae scribit in Ecclesiaste. Ego, si non intellexisti, sententiam illius mihi tollerabilem esse dixi 7 , nostro autem saeculo intollerabilem. Tecum per omnia sentio.

1 Sebastian Lepusculus (Häslin), 1501-1576, von Kleinbasel, unterzeichnete 1528 die Schlußreden der Berner Disputation als Schulmeister von Basel (s. ABernerRef 1465, S. 593). 1528-1535 war er in Zofingen (Kt. Aargau) und um 1536/37 in Kleinbasel als Schulmeister tätig (s. Franz Zimmerlin, Über die Schule der Stift Zofingen und die alte Lateinschule, in: Zofinger Njbl. 1907, S. 71-73; Amerbach, Korr. VIII 88; Barge II 484). 1538 wurde er Präceptor des Basler Alumneums und erwarb 1541 den Magistergrad. In den folgenden Jahren lehrte er an der Artistenfakultät und versah daneben mehrere Pfarrstellen. 1546-1548 wirkte er als Pfarrer in Augsburg. Nach seiner Rückkehr wurde er 1550 Professor der griechischen und 1556(?) der hebräischen Sprache. 1557-1559 predigte er außerdem als Pfarrer am Spital und ab 1560 als Archidiakon am Münster. Im Staatsarchiv Zürich befinden sich mehrere an ihn gerichtete Briefe, von einem Briefwechsel mit Bullinger ist jedoch nichts bekannt. — Lit.: Basel, Matrikel I 343, Nr. 1; Das Tagebuch des Johannes
Gast, bearb. v. Paul Burckhardt, Basel 1945, S. 288, Anm. 51; Amerbach, Korr. VIII 85-88; Karl Gauss, Basilea reformata, Basel 1930, S. 100f; Rudolf Thommen, Geschichte der Universität Basel 1532-1632, Basel 1889, Reg.; Roth III 397. 403-405. 483. IV 144.
2 griech. greek, Armut.
3 Wodurch Lepusculus in Not geraten war, ist nicht genau bekannt. In Zofingen wurde ihm schlechte Haushaltung vorgeworfen, vgl. de Quervain 68f. Noch Jahrzehnte später galt er als arm und verschuldet, vgl. Amerbach, Korr., aaO.
4 Nach mehrfachem Aufschub war Lepusculus auf August 1535 entlassen worden, doch verließ er Zofingen bereits vor Ablauf dieser Frist; vgl. de Quervain 68-70.
5 Über die vor 1536 geborenen Kinder von Lepusculus ist nichts Näheres bekannt.
6 Gemeint ist Erasmus' "Ecclesiastes". Ein Exemplar mit Randbemerkungen und Unterstreichungen von Bullingers Hand befindet sich in Zürich ZB, XVII. 453.
7 Siehe oben Nr. 602, 10-21.


Briefe_Vol_05_313arpa

De caeteris iubeo te esse securum 8 .

Valeto.

Augusti 2, 1535.

H. Bullingerus tuus.

[Adresse auf der Rückseite:] Domino Osvaldo Myconio, fratri charissimo.