Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2516]

Bullinger
an Oswald Myconius
[Zürich],
29. Juli 1546

Autographa: Zürich ZB, Ms F 80, 220, Nr. 125 (Siegel) Ungedruckt

Bullinger erhielt vier Briefe von Myconius. Der erste vom 22. Juli [Nr. 2508]bedarf keiner Antwort. Der zweite ist vom 23. Juli [Nr. 2509]. Der Zürcher Rat erhielt heute die von Papst

a Mit Randbemerkungen von Johann Heinrich Hottinger.
10 König Christian III. von Dänemark.
11 Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen.
12 post se: in dem hinter sich gelassenen Hessen; s. schon Nr. 2512,16f.
13 Das für den 2. August in Zürich geplante Treffen der protestantischen Stadtkantone. Sie berieten sich über eine etwaige Antwort auf die an die Eidgenossen gerichtete Einladung des Papstes, das Konzil zu besuchen; s. EA IV/Id 650-653, Nr. 305; Michael Stettler, Berner Chronik (StA Bern, DQ 11). Bd. D: 1541— 1550, f. 140r.-146r.; Nr. 2530, Anm. 27.
14 Siehe Nr. 2501, Anm. 30.
15 Vgl. Spr 12, 22.
16 Denkt Myconius etwa an Apk 3, 7-13?
17 Ps 145 (VuIg. 144), 19.
18 Geht es hier vielleicht um die im "Christlichen Burgrecht" von 1529 für Straßburg festgelegte Niederlegung von 100 Zentnern Pulver in Zürich und 10'000 Viertel Weizen in Basel zu Notzeiten? Siehe dazu Ulrich Crämer, Die Wehrmacht Strassburgs von der Reformationszeit bis zum Fall der Reichsstadt, in: ZGO 84 (NF 45), 1931, 521.
19 Vgl. 2Thess 3, 3.
20 Lasst.
21 Sultan Suleiman I.
22 Ironisch.
23 das bedeutet.
24 belehren.


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[Paul III.] an die 13 Orte gerichtete Einladung zum Konzil [von Trient]. Ach! Wenn Myconius die Worte der Bestie [Apk 13] hören würde! Die Witze der Freiburger über die "Kuhwitwen" sind unerhört. Die Kuh sollte ihnen den Kübel umstoßen und sie dabei nicht mit Milch, sondern mit [Kot]bespritzen! Die Basler sollen ihren Straßburger Korrespondenten sagen, dass die Eidgenossen ungefähr so viele [Söldner] zusammengebracht haben wie etwa eine [süddeutsche] Reichsstadt [des Schmalkaldischen Bundes]. Ferner spürt Bullinger [in der Eidgenossenschaft] eine echte Verpflichtung [den Schmalkaldenern gegenüber]. Würden nun diese Söldner sich gegen [die Schmalkaldener]stellen, würden Letztere dies zu spüren bekommen ... Auch wenn Gott letztlich darüber urteilen wird, ist das Verhalten der Straßburger schon unverschämt! Die Nachricht von der Beschlagnahmung des [für Kaiser Karl V. bestimmten] Geldes in Landsberg ist falsch. Sicher ist aber, dass die um Landsberg liegenden [kaiserlichen] Söldner aus Ungarn und Österreich den Ulmern etwa 400 Ochsen entführt haben, und dass zu Weißenhorn eine [Wagenladung] mit Geld für Karl V. aufgefangen wurde. Die Frankfurter sollen ferner einige Tausend Hakenbüchsen, 1'000 Rüstungen und mehrere Hundert Fässer Pulver, die alle für Karl V. bestimmt waren, beschlagnahmt haben. Dänemark und die Hansestädte haben den Niederlanden den Seeweg gesperrt, so dass man nun dort hungert und Karl V. von da keine Hilfe mehr erwarten kann. [Hessen] ist versorgt. Landgraf [Philipp] zieht in Richtung Süden. Die Zürcher haben den [empfohlenen]Engländer [...] gut aufgenommen. Bullinger hat sogar mit ihm gespeist. Er scheint fromm und gelehrt zu sein. Gerade erst empfängt Bullinger Myconius' Brief vom 27. Juli [Nr. 2515]: Er bedauert ebenfalls das Zögern [der Schmalkaldener]; dieses ermöglicht Karl V., sein Kriegsvolk zusammenzuführen, um dann richtig zuzuschlagen. [Sebastian] Schertlin hat Günzburg und alle Donauübergänge eingenommen. [Herzog Wilhelm von]Bayern hat sein ganzes Land einberufen und zielt dabei gewiss auch gegen die [Eidgenossen]. Königin [Anna von Böhmen und Ungarn] und einige Bischöfe haben Karl V. mit einem Fußfall um Frieden gebeten. Karl V. erinnerte aber die Bischöfe daran, ihn [zum Krieg] veranlasst zu haben. Die Besatzer der Klause Ehrenberg halten sich tapfer. Gruße an [Johannes] Gast. Warum schreibt er denn nicht?

Gratiam et pacem. Uwer brieffen hab ich jetzund 4 empfangen. Der erst ist gäben 22. julii; 1 in dem ist nut, das antwortens bedorff. Des andern datum stadt 23. julii. 2

Hüt dato ist aber 3 ein häfftiger 4 brieff minen herren überantwort vomm bapst 5 . Ladet in das consilium und zeigt, wie er dem keyser 6 mitt aller macht hälffen wöll. Bittet die 13 ort umb hilff. 7 Si audisses verba bestiae 8 !

1 Brief Nr. 2508.
2 Brief Nr. 2509.
3 wieder.
4 gewichtiger.
5 Paul III.
6 Karl V.
7 Das päpstliche Breve (,,Dilectis filiis tredecim cantonibus") an die XIII Orte vom 3. Juli, das Girolamo Franco am 22. Juli in Luzern erhielt und von dort am 25. Juli an die Eidgenossen weiterleitete; s. Nr. 2509, Anm. 4. — Von diesem Breve gibt es in Zürich StA drei in deutscher Sprache ausgefertigte Fassungen. Eine längere Fassung (Zürich StA, A 209/3, Nr. 38a) mit der Angabe des Datums; eine
kürzere und freiere Fassung (Zürich StA, A 209/3, Nr. 38b) ohne Datumsangabe und eine noch kürzere freie Fassung von Bullingers Hand (Zürich StA, A 209/3, Nr. 38c). — Druck des lateinischen Textes in: Odoricus Raynaldus, Annales ecclesiastici, Bd. XXIII, Köln 1727, S. 275, Nr. 58; lateinische Paraphrase in: Johannes Sleidan, De statu religionis et reipublicae Carob V. caesare commentarii, Straßburg, Wendel Rihel, 1555, f. 286v.- 287v. Druck einer deutschen Übersetzung (deren Wortlaut keiner der oben angeführten handschriftlichen deutschen Übersetzungen entspricht) in: "Bapsts Pauli III Breve sampt der werbunge" (s.


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Es ist ein wust 9 mitt der chu wittwen, alls sy ze Fryburg singend. Wie, wenn die chu den kübel umbschlüg, das inen nitt die milch, sunder das ander 10 umb die köppff spritzte?

Denen, die üch von Straßburg schribend"11 (frylich uß alltem nyd)12 , sagend, die Eydgnossen, sonderlich die amm evangelio, habind in ir zal wol so vil da alls ettwan ein statt, etc. So sich ich 13 allen ernst und alle trüw. 14 Hätte man die sach, so vil wider sy, alls mitt inen wurdents wol inen 15 , was unser hilff were. Aber man muß es gott empfälen. Ist aber böß, das sy jetzund in denen gfaren kätelend 16 .

Es ist nut mitt Lantsperg, 17 das die unsern da gällt gewunnen, sunder das ist war, das die zßsätzer 18 uß Ungern und Oesterrych in 19 die 1'500 zu Lantsperg 20 ligend, denen von Ulm in die 400 ochsenn uffgefangen habend. Das ist aber gewüß, das zu Wyssenhorn 21 die unsern dem keyser gällt uffgefangen, 22 so vil 3 hengst zogen. So söllend jetzund die von Franckfort dem keyser uffgehept 23 haben ettlich tusend haggen, für 1'000 mann harnisch und ettlich hundert tonnen 24 bulfers. 25

Imm Niderland sol Denmarck und die seestett 26 den see beschlossen 27 haben. Deßhalb unlidenlicher hunger ist in des keyssers erbland, und hatt dannen kein hilff zu erwarten. Das land ist da unden 28 versahen, 29 und zücht der lantgraff 30 heruff mitt aller macht.

dazu Nr. 2485, Anm. 52), f. blv.-clv. der Erstausgabe (mit dem Fehler in der Überschrift "den dreien Orten" statt "den dreizehn Orten"), bzw. f. Bi,r.-Ci,v. der späteren glossierten Ausgabe (mit Beseitigung des Fehlers in der Überschrift); EA IV/ld 664f (möglicherweise eine modernisierte Paraphrase von Zürich StA, A 209/3, Nr. 38b). Siehe dazu ferner LA IV/Id 650f. 656f. 664-666; PC IV/I 268, Anm. 2 (mit weiterer Lit.); Johann Georg Mayer, Das Konzil von Trient und die Gegenreformation in der Schweiz, Bd. 1, Stans 1901, S. 16, Anm. 2.
8 Vgl. Apk 13, 5.
9 böse Sache. —Bullinger bezieht sich auf Nr. 2509,14-23.
10 Gemeint sind die Exkremente.
11 Bullinger bezieht sich auf Nr. 2508,3-7.
12 Anspielung auf den Streit mit Bucer in der Abendmahlsangelegenheit.
13 So sich ich: Ich jedoch sehe.
14 Vgl. Nr. 2487,7-9.
15 wurdents ... inen: sie würden dessen inne werden.
16 im Dreck wühlen; vgl. SI III 569 s.v. chötlen.
17 Bullinger bezieht sich auf Nr. 2509,30-40.
18 Besatzer.
19 an.
20 Landsberg am Lech. — Vgl. dazu den Brief der Konstanzer an den Zürcher Rat vom 26. Juli (Zürich StA A 177, Nr. 15); PC IV/1 264, Nr. 243. Zu diesem spanisch-ungarischen Regiment s. Lenz, Kriegführung 447f, Anm. 2.
21 Weißenhorn (Lkr. Neu-Ulm, Bayern).
22 Zur Beschlagnahmung des Gemeinen Pfennigs, den der schwäbische Adel gespendet hatte, durch den Straßburger Gesandten Michael Han in Ulm s. PC IV/1 248, Nr. 224 mit Anm. 2.
23 beschlagnahmt; s. SI II 896.
24 Fässer.
25 Diese Nachricht hatte Bullinger von Blarer erfahren; s. Nr. 25 14,107-109. Vgl. auch Nr. 2517.
26 Hansestädte.
27 den see beschlossen: den Seeweg versperrt. — Siehe dazu Nr. 2511, Anm. 30.
28 Gemeint ist Hessen.
29 Vgl. Nr. 2498,138-140; Nr. 2512,16f; Nr. 2515,10f.
30 Philipp von Hessen.


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Anglum illum 31 excepimus, qua potuimus humanitate. Pridie mecum coenabat. Apparet vir esse pius et doctus.

||220v Das ir fürchtend, 32 fürcht ich ouch, si gangind ze langsamm mitt der sach umb. 33 Der keysser wil sin volck zamen 34 bringen, denach schnell rumpff machen 35 . Erst empfach ich 27. datum den üwern letsten. 36

Schertli hatt Günßburg yngenommen, 37 ouch alle päß

an der Donow. 38 Zücht immerdar fort. Beyer 39 hatt allem sinem land uffgebotten 40 . Achten wol, ouch wider uns, etc.

Die küngin 41 und ettlich bischoff sind dem keyser ze füssen gefallen. Habend aber nut geschafft 42 ; dann sy inn umb friden gebätten. Zun bischoffen hat er gesagt, worumb sy das thügind: Sy habind inn doch kun darhinder bracht 43 .

Gott verlich sin gnad. Die in der Cluß 44 haltend sich vest 45 . Truwend sy ze erhallten mitt gotts hilff.

Gott mitt üch. 29. iulii anno 1546.

Gastius salvus sit. Quare nil scribit? 46

Bullinger.

[Adresse darunter:] Praestantissimo viro d. Osvaldo Myconio, charissimo suo fratri. Basel.