Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2309]

Ambrosius Blarer an
Bullinger
Konstanz,
24. Dezember 1545

Autograph: Zürich StA, E II 357, 151f (Siegelspur) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 401-403, Nr. 1233 1

Blarer hat Bullingers Brief vom 20. November [nicht erhalten] erst am 5. Dezember empfangen. Der vortreffliche Huldrych Zwingli d.J. hat das [Gutachten gegen Bündnisse mit antichristlichen Bischöfen und Prälaten]auf dem Rückweg von Augsburg zurückgebracht und sehr bedauert, dass er auf der Hinreise vergessen hatte, es zu übergeben. Blarer erwartet nun noch die Rücksendung der [Abschrift des Briefes von Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen an den Rat von Straßburg]. Der Zürcher Bürgermeister [Johannes Haab] wird genügend Zeit gehabt haben, [den Brief zu lesen]: Über das [Zweite Regensburger] Religionsgespräch und den [Schmalkaldischen] Bundestag in Frankfurt, auf den [Thomas]Blarer entsandt wurde, gibt es nichts zu berichten. Man wartet stündlich auf die Rückkehr Thomas Blarers oder auf einen Brief von ihm. Wie bisher ist auch von diesem Religionsgespräch nichts zu erwarten. Blarer hofft, dass Gott [den Protestanten] ihre Naivität verzeiht und dass diese klüger werden. Angeblich wollen Kaiser [Karl V] und [König Franz I.] dem Herzog [Karl III.] von Savoyen bei der Wiedererlangung seines Herrschaftsgebiets helfen. Blarer erwartet von Bullinger darüber Bericht wie auch über den Statthalter von Mailand [Alfonso d'Avalos], denn [in Konstanz] weiß man nur, was dieser Tage über die Machenschaften des Kaisers, [Franz' I.] und des Papstes [Paul III.] erzählt wird. Ein Verwandter [...]schreibt, dass [Herzog Heinrich] von Braunschweig kürzlich dem Landgrafen

16 Am 19. Oktober 1545; s. EA IV/Id 542— 553, wo allerdings nichts Schriftliches über die Unruhen im Wallis festgehalten wurde; s. aber aao, S. 536f d. — Zu den religiösen Unruhen im Wallis s. oben Nr. 2288 und Anm. 12.
1 Die dort abgedruckte Beilage (Zürich StA, E II 357a, 63f) kann nicht dem vorliegenden Brief beigelegt worden sein, da Blarer
hier noch keine Nachrichten über den Schmalkaldischen Bundestag in Frankfurt vermelden kann (Z. 9-14; genauso auch unten Nr. 2316, 2-5), in der Beilage hingegen schon, so dass beide Dokumente nicht gleichen Datums sein können. Die Beilage ist vielmehr Blarers Brief an Bullinger vom 6. Januar 1546 (Zürich StA, E II 357, 154) zuzuordnen.


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fast entkommen wäre. Dass dieser so milde mit dem [Herzog]verfährt, macht Blarer Sorgen. Wie sehr fehlt es doch [den Protestanten] an Klugheit, Standhaftigkeit und Bußfertigkeit! Mögen sie nicht die göttliche Strafe auf sich ziehen! Größe von [Konrad] Zwick und Jakob Funcklin. Größe an [Konrad] Pellikan, Theodor [Bibliander] und [Rudolf] Gwalther. [P.S.:] Der Arzt [Johann Jakob]Menlishofer d.J. kommt gerade vom kranken [Christoph] von Landenberg, dem berichtet wurde, dass der Bischof von Bremen, [Christoph von Braunschweig], den Landgrafen auf der Jagd festgenommen hätte. Blarer hofft, dass dies nur eine Erfindung ist.

S. Quinta decembris eas literas accepi, quas tu 20. novembris scripseras 2 ; alioqui ista tua sollicitudine tempestivius te, mi venerande Bullingere, liberassem. Optimus adulescens, optimi patris optimus filius Hulderichus Zvinglius Augusta bue reversus 3 consilium illud de foederibus 4 bona fide reddidit valde conquestus, quod a vobis bue veniens 5 non mox oblivione correptus reddidisset. Sed bene habet, postquam vel sero accepi. Expecto, aliud illud Saxonis ad Argentoratenses scriptum 6 ut remittas, praesertim quum non dubitem satis iam in illo consulem vestrum 7 deliciatum.

De colloquio 8 hic plane nihil. De comitiis Francofordiensibus 9 ad que germanus meus frater 10 senatus nostri nomine missus est, tantundem accepimus. In horas tamen expectamus vel fratrem ipsum 11 vel scriptas ab eo literas. 12 Colloquia eum nobis fructum, quem hactenus, dabunt. Proditiones venus dixeris id genus conatus adversariorum quam studia indagandae yentatis. Nostrorum candori et simplicitati (sic enim visum est interpretari, quod

2 Bullingers Brief, der wohl auf oben Nr. 2286 antwortete, ist nicht erhalten. Darin hat Bullinger offensichtlich auch seine Sorgen über den Verbleib des Huldrych Zwingli d.J. anvertrauten Dokuments ausgedrückt; s. unten Z. 3-6 und Anm. 4.
3 Zwingli d.J. war nach dem 22. November aus Augsburg abgereist und vor dem 4. Dezember wieder in Zürich angekommen; s. oben Nr. 2302,6 und Anm. 3.
4 Das von Blarer am 3. November (s. oben Nr. 2281, 9-12) mit der Bitte um Rücksendung geschickte Gutachten gegen Bündnisse mit antichristlichen Bischöfen und Prälaten, nach dessen Verbleib er sich am 18. November erkundigt hatte; s. oben Nr. 2286, 1-5.
5 Zwingli d.J. und seine Reisegefährten waren am 13. November durch Konstanz gereist; s. oben Nr. 2290, Anm. 2.
6 Die Abschrift des Briefes von Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen an den Rat von Straßburg, die Blarer am 18. November an
Bullinger mit der Bitte um Rücksendung gesandt hatte und die Bullinger offensichtlich nicht seiner oben in Anm. 1 erwähnten, verlorenen Antwort an Blarer beigelegt hatte; s. oben Nr. 2286, 20-23 und Anm. 7.
7 Johannes Haab.
8 Das Zweite Regensburger Religionsgespräch.
9 Zum Schmalkaldischen Bundestag in Frankfurt s. oben Nr. 2285, Anm. 37.
10 Thomas Blarer.
11 Erst am 16. Februar traf Thomas Blarer wieder in Konstanz ein; s. Blarer BW II 4171, Nr. 1252. 12 Thomas Blarer verfasste am 15. Dezember einen Brief an den Rat von Konstanz, der erst am 31. Dezember 1545 eintraf; s. Fabian, Quellen, 179-225, hier 192-194, Nr. 26. — In Blarer BW II 409f, Nr. 1241, findet sich ein Brief Thomas Blarers vom 19. Januar 1546 aus Frankfurt an seinen Bruder Ambrosius.


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faciunt) a dominus, spero, facile ignoscet, sed ita tamen, ut icti nonnihil ad solidiorem in iis rebus agendis prudentiam in posterum revocentur.

Caesar 13 et Gallus 14 in eo esse affirmantur, ut Sabaudiae principi 15 manus auxiliares admovere velint, quo ditionem suam recuperet. 16 Sed tu ista me longe melius, pariter et, quid marchio iste Mediolanensis"b17 moliatur, nosti; de qua re tuas literas expecto 18 . Apud nos nihil plane est extra vulgaria ista de caesaris, Galli et pontificis 19 conatibus, quod scribere ad te debeamus. 20

Scripsit huc affinis quidam meus 21 parum abfuisse, quin diebus hisce Brunsvicensis tyrannus 22 landtgravio 23 elaberetur 24 ; tam oscitantes et supini sumus in sancte retinendis maximis dei nostri beneficiis. Valde vereor, ut lantgravio bono esse possit tanta erga tam truculentam feram 25 dementia, multumque metuo, ne forte anima illius pro huius anima iusto domini iudicio commutanda sit. 26 Ah, quanta desideratur in nostris prudentia, quanta constantia, quanta animi fortitudo, quanta denique in recte administranda christiana republica dexteritas et digna evangelium professis resipiscentia! Que si adessent, aliam longe rerum faciem propediem videremus. Precemur igitur dominum, ut c sua virtute ex alto feliciter et illos et nos induat, quo sic omnia agamus et feramus, sic agnoscamus summam ipsius erga nos benignitatem, ne iustas tante ingratitudinis poenas demus, quin potius bona nostra conversatione regnum illius strenue propagantes digni sibi videamur, quos in partem celestium sedium propicius admittat. 27

||152 Bene vale, mi venerande et charissime frater, et Christo me, quod fa[cis]d scio, accuratissime commenda. Salutant te seque fideli tuo p[atrocinio] apud dominum iuvari cupiunt et sperant nostri omnes, cumprimis Zviccius 28 et lacobus Funcklius cum reliquis. Salveat tua dom[us] cum optimis et venerandis fratribus Pellicano, Theodoro 29 , Gvalthero, etc. Iterum atque iterum vale.

Constantiae, 24. decembris 1545.

Tuus Ambro. Blaurerus.

a Klammern ergänzt.
b Mediolanensis am Rande nachgetragen.
c ut über der Zeile nachgetragen.
d Hier und im Folgenden Text im engen Einband verdeckt. Die fehlenden Stellen wurden aus der Abschrift von Johann Jakob Simler (Zürich ZU, Ms 558, 165) ergänzt.
13 Karl V.
14 Franz J.
15 Karl III., Herzog von Savoyen.
16 Siehe oben Nr. 2308, Anm. 5.
17 Alfonso d'Avalos, Marchese del Vasto (Guasto), Statthalter von Mailand.
18 Bullinger antwortete am 1. Januar 1546 (St. Gallen Kantonsbibliothek [Vadiana],
Ms 35 [VBS VII, 94); Blarer BW Il 405f, Nr. 1236.
19 Paul III.
20 Siehe dazu oben Nr. 2301, 30f und Anm. 23.
21 Unbekannt.
22 Herzog Heinrich di. von Braunschweig-Wolfenbüttel.
23 Philipp von Hessen.
24 Vgl. oben Nr. 2305, 66-72.
25 Herzog Heinrich.
26 Anspielung auf 1Kön 20,42, und auf oben Nr. 2284, 38-42.
27 Vgl. Mt 20, 21-23 par.
28 Konrad Zwick.
29 Theodor Bibliander.


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[P.S., über Kopf unter der Adresse:] Yetzund kompt unser junger doctor Menlishofer e30 der artzet, vom Stoffel von Landenberg 31 der yetzund kranck ist. Dem ist zeytung kommen, dieweyl der doctor da gewesen, das der bischofs von Prem 32 den landtgrauffen gefangen hab in seinem aignen landt auff dem gejagt 33 ; aber es ist, hoff ich, lauter fabelwerck: 34 Es lasst sich nitt allß im land fachen. 35 Verum isti, quod fieri vehementer cupiunt, factum esse lubenter affirmant facileque suos, ut fidem habeant, adducunt. Deus meliora nobiscum. Is te nobis perpetuo f conservet, etc.

[Adresse unter dem Brieftext:] Praestantissimo viro d. Heinricho Bullingero, venerando suo longeque charissimo fratri. Tiguri. Zurich. 36