Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2950]

Johannes Haller
an Bullinger
[Augsburg],
14. Juli 1547

Autograph: Zürich StA E II 370, 62 (Siegelabdruck) Ungedruckt

[1]Bullinger schweigt, weil er über Hallers Brief [nicht erhalten] verstimmt ist. Dass dieser jedoch guten Grund zum Ärger hatte, wird jetzt deutlich. -[2] Für den 1. September wurde ein Reichstag in Augsburg angekündigt. In drei Tagen soll der Diktator, Kaiser Karl V., in der Stadt eintreffen. Für einige Fürsten wurden schon Unterkünfte bestimmt. Es sollen viele kommen, auch zahlreiche Spanier. Das Schicksal der Pfarrer ist ungewiss. Sie sind für alle zum Gespött geworden! Ottavio Farnese, Herr von Camerino, Schwiegersohn des Kaisers und Enkel des Papstes Paul Ill., ist schon seit acht Tagen hier. Bürgermeister Hans Welser, der [diesen Andrang]ahnte, ist mit seiner ganzen Familie nach Pfäfers abgereist. In seinem Haus soll Fernando Alvarez de Toledo, Herzog von Alba, einquartiert werden. Die beiden Gefangenen, Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen, sollen auch hergebracht werden. Herzog Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel wird hingegen, als freier Mann erscheinen. Nicolas de Perrenot, Herr von Granvelle, dessen Sohn Antoine, Bischof von Aries [richtig: Arras], und einige Äbte werden Hallers Nachbarn! Vielleicht wird er sogar gezwungen, Spanier bei sich aufzunehmen. Dies ist also der Schutz, den die [Augsburger Ratsherren]versprachen! -[3] Was soll es aber! Gemäß dem Wunsch der Zürcher wird Haller in Augsburg bleiben. Mit standhaftem Glauben wird er der Zukunft ins Auge sehen und das Evangelium, das er bisher den Kaufleuten gepredigt hat, auch den Herodianern und den Pharisäern verkündigen! -[4]Gruß. Falls Bullinger schreibt, soll er sich vorsichtig äußern. Haller weiß nicht, wann er mehr schreiben kann. - [5] [P.S.:] Soeben erfährt er, dass im Kloster St. Anna, in dem Nikolaus Müller gen. Maier, Michael Keller, Sixt Birck und er selbst zusammen mit Thoman Ruman wohnen, 40 Reiter einquartiert werden. Sobald man [den Kaiserlichen] etwas sagt, geben sie einem zu verstehen, dass sie nun die Herren sind. Sie verderben Knaben und Mädchen. Daraus wird deutlich, wie gut [die Augsburger Ratsherren]für Pfarrer und Kirche sorgen, ja, sich um die Erbauung [der Bevölkerung] kümmern!

S. Quod nihil rescribis, colligo te meis nuper missis 1 offensum; sed quod non immerito scripserim cum stomacho, testatur negotium praesens.

Indicta sunt comitia ad calendas septembris in urbe nostra. 2 Expectamus intra triduum ipsum grec 3. 3 Deputantur iam hospitia singulis principibus. Erunt enim frequentissimi. Confluunt Iberi frequentes. Quid nobiscum 4 sit futurum, ignoramus. Sumus ludibrio omnibus 5 et inaestimabilibus premimur periculis. Dux Camerinus 6 , caesaris gener et nepos pontificis 7 ,

1 Hier kann nicht Hallers Brief an Bullinger vom 5. Juli (Nr. 2942) gemeint sein, sondern vielmehr ein kurz zuvor verfasstes, nicht mehr erhaltenes Schreiben, das auch in Nr. 2942,1, belegt ist.
2 Siehe dazu Nr. 2952, Anm. 6.
3 Diktator (hier Kaiser Karl V.). - Zu dessen Ankunft in Augsburg s. Nr. 2952. Anm. 20.
4 mit den protestantischen Pfarrern in Augsburg.
5 Ps 44 (Vuig. 43), 13; 79 (Vuig. 78), 4.
6 Ottavio Farnese (1524-1586), Herr von Camerino. Er war der Enkel von Papst Paul III. und seit 1538 verheiratet mit Margarethe von Parma, der unehelichen Tochter Kaiser Karis V.
7 Paul III.


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iam 8 diebus hic fuit. Consul Welserus 8 praesentiscens illa ad Pfäfers 9 profectus est cum omni familia. In aedibus eius erit ducas 10 Albanus 11 . Adducuntur captivi elector 12 et langrafius 13 , Liber venit Heinrychus Brunsvicensis . Vicinus meus erit Granvella 15 et episcopus Arelatensis 16 et aliquot abbates. Vereor, ne et ego cogar habere Hispanos. Haec est illa, quam nobis illi 17 praestant, tutela!

Age! Vos voluistis me manere. 18 Manebo ergo et forti fide quemvis expectabo eventum! Quem hactenus coram publicanis 19 professus sum Christum, nunc coram Herodianis 20 non negabo, et pharisaeis 21 !

Vale. Si quid scribere velis, scribe caute. Nescio, quando plura possim. 14. iulii 1547.

I. Hallerus tuus perpetuo.

||v. Postquam has scripsi, so furiert man uns in 22 , in unser kloster 23 , ubi ha[bi]tamus a , Meyerus, Cellarius, Xystus 24 et ego, 40 rüter (und hab ich doch sonst Romanum 25 zu mir gnon) b . Sobald einer' ein wort d sagt, so saa

a Hier und unten Text teils im engen Einband verdeckt. -
b Klammern ergänzt. -
c In der Vorlage eir. -
d In der Vorlage wo.
8 Hans Welser.
9 Bad Pfäfers, etwa 4 km südlich von Bad Ragaz. Vgl. auch Nr. 2945,7f. -Zum Bad s. Johannes Winter (von Andernach), Allerheylsamen Bäder, Straßburg 1580 (VD16 W3539), S. 16-19. - Welser, der dieser Stelle zufolge Augsburg etwa um den 6. Juli verlassen hatte, kehrte am 26. Juli oder kurz zuvor dorthin zurück; s. Nr. 3030,3f.
10 Von grec, der gräzisierten, mittelalterlichen Ableitung von dux; s. Stotz I 569f, Nr. 18.2.
11 Fernando Alvarez de Toledo, Herzog von Alba, traf am 21. oder 22. Juli in Augsburg ein; vgl. Nr. 2961,9; Nr. 2962,51- 53; Nr. 2970,8-11 (vielleicht entspricht das von Frölich in Nr. 2961 angeführte Briefdatum nicht dem Abfassungstag seines Briefes). - Für weitere Angaben zu den Einquartierungen der Kaiserlichen s. RTA-JR XVIII/1 197-200, Nr. 27f; Nr. 2962, Anm. 17.
12 Johann Friedrich I. von Sachsen. - Er wurde am 26. Juli zwischen fünf und sechs Uhr abends auf einem Wagen sitzend und von 600 spanischen Hakenschützen bewacht in die Stadt geführt; s. Nr. 2970,121-131; Roth, Augsburg IV 46f.
13 Philipp von Hessen.
14 Herzog Heinrich d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel. Er war am 18. Juni freigelassen worden; s. Nr. 2920, Anm. 20.
15 Nicolas de Perrenot, Herr von Granvelle. Er traf noch am 14. Juli in Augsburg ein; s. Roth, Augsburg IV 44.
16 Hier ist nicht Jean Ferner II., Bischof von Aries (Arelate), sondern Antoine de Perrenot (1517-1586), Bischof von Arras (Atrebatum), Sohn des oben genannten Nicolas, gemeint.
17 Die Augsburger Ratsherren. - Anspielung auf das in Nr. 2908, Anm. 3, überlieferte Versprechen.
18 Vgl. Nr. 2917,1-17.
19 Hier auf die Kaufleute bezogen.
20 Hier sind die Christus feindlich gesinnten Mächtigen der Zeit gemeint.
21 Auf die heuchlerischen Theologen (Pfarrer) gemünzt.
22 furiert in: quartiert ein.
23 Die Liegenschaft des Klosters St. Anna, wo u.a. das Kollegium und das "Wunderhaus" lagen; s. Nr. 2884, Anm. 71.
24 Nikolaus Müller gen. Maier, Michael Keller und Sixt Birck.
25 (Hans) Thoman Ruman (Römer), der offensichtlich nach Anfang Mai 1547 nochmals umgezogen war; vgl. Nr. 2894 und Anm. 87.


Briefe_Vol_20-307arpa

gend si, si syend herren. Es darff kein bürger me kauß 26 sagen. Mira, mira iam fiunt Iam pueri, nedum vi[r]gines corrumpuntur! Tam bene nobis et ecclesiae consulitur! Tam multum aedificamus !27

[Adresse darunter:] Clarissimo viro d. Bullingero, patri suo colendo. Zürich. 28