Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2945]

[Ambrosius Blarer]
an Bullinger
[Konstanz,
8. oder
9. Juli 1547]

Autograph: Zürich StA, E IT 357a, 819 (ohne Siegelspur) a Teildruck und zusammenfassende Ubersetzung: Blarer BW II 639f, Nr. 1456

[1] Blarer empfing aile Briefe Bullingers [nicht erhalten] gleichzeitig. Er dachte mit dem Brief den er dem jungen Maximilian [Seemann] anvertraut hatte, mitgeteilt zu haben, dass es gut wäre, wenn in der Angelegenheit von Hans Schöner zunächst persönliche Briefe an die Augsburger Bürgermeister Jakob Herbrot und Hans Welser geschrieben würden, und erst dann Briefe an den gesamten Augsburger Rat. War denn der junge Maximilian nicht bei Bullinger? Und wenn doch, was konnte er mit seiner Bitte in Zürich bewirken? Sobald Blarer Bullingers Briefe fur die beiden Bürgermeister erhalten hat, wird er sie den seinen beifügen und dafür sorgen, dass alles so schnell wie möglich nach Augsburg gelangt. Welser soll mit seiner Frau [Barbara, geb. Adler] in Pfäfers kuren. -[2] Sebastian Schertlin empfiehlt sich Bullinger und lässt grüßen. -[3]Hinsichtlich der Tagsatzung erfuhr Blarer lediglich, dass die eidgenössischen Orte sehr gut miteinander ausgekommen sind. Möge dies weiterhin der Fall bleiben! Hier brüsten sich einige damit, dass der Konstanzer Bischof Johann von Weeze sich bei den Eidgenossen erfolgreich gerechtfertigt habe. -[4] Sollten die Exemplare [von Johannes Honters]Geographie dein Drucker [Christoph Froschauer]noch nicht ausbezahlt worden sein, soll Bullinger es tun. Blarer wird dafür sorgen, dass Bullinger das Geld mit dem nächsten zuverlässigen Boten erhält. Er hat den Angestellten oder den Reiter [...], der diese Exemplare mitgebracht hat, noch nicht gesehen. Dieser soll sich mit einem Konstanzer [...]irgendwohin begeben haben und erst morgen zurückkommen. - [5] Der vortreffliche Engländer, John Butler, wird über Konstanz und England mündlich berichten. -[6] Die Konstanzer, die von der in Zürich gefeierten Hochzeit [zwischen Georg Escher vom Lachs und Dorothea von Menlishofen] zurückgekehrt sind, waren voller Lob für die Zürcher. Ja, es ist ihnen dabei sogar unwohl geworden, zumal sie diese Großzügigkeit nicht erwidern können. -[7] Blarer legt vorliegendem Brief die Antwort Bullingers [Nr. 2938] zur Eheangelegenheit bei. Er ist Bullinger und Gott zutiefst dankbar dafür, dass die Zürcher Pfarrer die gleiche Ansicht wie ihre Konstanzer Kollegen vertreten. - [8] Ob er auf den anderen Brief (Bullinger weiß, welchen) je antworten soll, ist ungewiss. Er wüsste schon, was zu sagen wäre, doch könnte er sich dabei ungeschickt ausdrücken. Wäre er gerade in Zürich, würde er Bullinger diesbezüglich etwas heimlich anvertrauen, das dieser vielleicht noch nicht weiß. Gott wende alles zum Besten! -[9] Zu den Konstanzern hat Blarer nichts Sicheres zu ,neiden. Butler weiß, was milan hier über Kaiser Karl V. erzählt. Einige glaubwürdige Korrespondenten berichten, dass der Kaiser fest vorhabe, die deutschen Städte [Mulhouse und Rottweil], die dem Reich untreu geworden sind, indem sie sich den Eidgenossen zugewandt haben, für das Reich zurückzugewinnen. Er wolle auch sehen, ob jemand den Konstanzern zu Hilfe kommen würde. Die Zürcher sollen für die Konstanzer beten, denn diese sind wohl einer noch größeren Gefahr als

a Mit Schnittspuren.
1 Vorliegender Brief wurde frühestens am 8. Juli verfasst; s. unten Anm. 10. Aus Nr. 2948,1-5, geht zudem hervor, dass Bullinger spätestens am 10. Juli von der Gefangennahme des Landgrafen Philipp
erfahren hatte. Da der noch näher an dem Geschehnis lebende Blarer darüber noch nichts wusste, als er vorliegendes Schreiben verfasste, wird dieses spätestens auf den 9. Juli anzusetzen sein.


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andere ausgesetzt! -[10] Was wurde denn an der Tagsatzung in Bezug auf Joachim Mötteli vom Rappenstein beschlossen? Es wäre an der Zeit, dass man diesen straft! -[11]Grusse.

S. Tuas ad unum omnes, mi venerande et charissime Bullingere, accepi. 2 Quid mihi in Schönen 3 caussa videatur, puto in eis literis 4 , quas per Maximilianum adulescentem 5 dedi, me tibi significasse, nempe ut ad privatos nonnullos, videlicet Herbrotum et Welserum consules, 6 scriberemus, aliis literis ad senatum ista ratione viam munituri. 7 Fac, sciam, num puer ille tecum fuerit quidve istic impetraverit. Ubi primum tuas 8 miseris, curabo, ut meae 9 illis coniunctae quam primum Augustam perferantur. Audio Welserum apud Pfäfers cum uxore 10 lavare.

Schärtlius 11 foster vicissim se tibi commendat et accuratissime salutat.

De vestrorum comitiis 12 nihil apud nos, nisi inter omnes optime convenire, 13 quod, ut nunc verum affirmant, ita dominum precor, ut de illis 14 perpetuo vere dicatur. Episcopum nostrum 15 egregie se vestris purgasse magno omnium ferre plausu hic iactitant. Tu, si quid est, age ad nos diligenter perscribe. 16

Exemplaria geographic 17 si soluta non sunt, rogo, ut meo nomine bibliopola facias satis, 19 et proximo nuncio bona tibi fide pecuniam remittam.

2 Aus dem weiteren Inhalt dieses Briefes geht hervor, dass sich darunter ein für Augsburg bestimmtes Bittschreiben Bullingers zugunsten von Hans Schöner so wie ein nicht mehr erhaltener, an Blarer gerichteter Brief Bullingers befand. Diesem war vielleicht Bullingers Antwort Nr. 2941 an den Konstanzer Rat in der Eheangelegenheit von Elsbeth Huber und Jakob Kundigmann beigelegt; s. unten Z. 25-27 und Nr. 2941, Anm. a.
3 Hans Schöner.
4 Brief Nr. 2935 vom 30. Juni.
5 Maximilian Seemann.
6 Die Augsburger Bürgermeister Jakob Herbrot und Hans Welser.
7 Vgl. Nr. 2935,20-25. - Offensichtlich hatte Bullinger Blarers Brief vom 30. Juni noch nicht erhalten, als er, statt an die einzelnen Ratsherren, an den gesamten Augsburger Rat schrieb.
8 Die Briefe, die Bullinger persönlich an Herbrot und Welser zugunsten von Schöner richten sollte.
9 Nicht in Blarer BW.
10 Barbara, geb. Adler. -Aus Nr. 2950,7-9, geht hervor, dass Welser Augsburg etwa um den 6. Juli verlassen hatte, aus Nr. 2942,3f, aber, dass er sich am 5. Juli
noch dort befand, was allerdings eine Abreise schon am 5. Juli nicht ausschließt. Angesichts der Entfernung zwischen Konstanz und Augsburg ist es unmöglich. dass Blarer von Welsers Abreise vor dem 8. Juli gehört haben könnte.
11 Sebastian Schertlin, der Bullinger zuletzt am 28. Juni geschrieben (Nr. 2933) und offensichtlich darauf noch keine Antwort erhalten hatte, da er Blarer nicht bat, Bullinger seinen Dank dafür auszurichten.
12 Die am 20. Juni begonnene und am 15. Juli beendete eidgenössische Tagsatzung; s. Nr. 2933, Anm. 18.
13 Was ebenfalls in Nr. 2934,34f; Nr. 2954,9-11; und im Brief der XIII von Basel an die XIII von Straßburg vom 23. Juli betont wurde; s. PC IV/2 743, Nr. 656 (ausführliches Zitat der entsprechenden Stelle in EA IV/1d 832 zu a.d.k).
14 comitiis Helvetiorum.
15 Johann von Weeze. - Er erschien selbst vor der Tagsatzung und versicherte den Eidgenossen, keine Zwietracht zwischen ihnen stiften zu wollen; s. EA IV/1d 827 k; PC aaO. Vgl. aber Nr. 2954,12f.
16 Vgl. schon Nr. 2935,58f; Nr. 2936,5.
17 Vermutlich Johannes Honters Schrift Rudimenta cosmographica, Zürich 1546


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Ego servum 20 aut equitem illum qui attulit, nondum vidi, et diebus hisce rursum cum cive quodam nostrate 21 , nescio quo, profectus est, cras aut perendie rediturus.

Optimus hic Anglus, Buttlerus 22 noster, ipse tibi, et quae apud nos quaeque in Anglia gerantur, bona fide exponet.

Nostri istinc a nuptiis 23 redeuntes vestrorum in se humanissimam officiositatem mirifice depredicant, ut etiam immodicos in ea re fuisse querantur! 24 Nobis nihil est, unde respondere recte possimus.

Scriptum illud de matrimonio 25 remitto maximas tibi gratias agens adeoque etiam deo me per Christum lesum, quod vestra sententia nostram tam pulchre confirmat.

Ad alteram epistolam, quam nosti, 26 nescio, an porro sim responsurus. Non deest certe, quod dicam, sed forte non feliciter dicerem. Ich wills stecken lassen. Aber wer ich by euch, weht ich euch danecht 27 wol etwas in ain or raunen, das ir vyllicht vorhin nitt gewisst bapt. Der lieb gott fugs ailes und fürs zu ainem güten end mitt vyl gnaden. Amen.

De nostris rebus 28 nihil habeo certi, quod scribam; sunt prorsus etiamnum dubiae. Quae de c[aesare]29 hic ferantur, Buttlerus foster non ignorat. 30 Scribunt nonnulli digni, quibus alias habeatur fides, caesarem plane statuisse, er weihe die stett, so die Aidgnossen dem reych abtrungen habind 3t , widerum

(VD16 H4777; BZD C369), die im August 1546 erschienen war; s. HBBW XVII 386 und Anm. 40.
18 Christoph Froschauer d. Ä., Drucker der Rudimenta.
19 Aus dieser Bitte wird deutlich, dass Blarer bei diesem Bücherkauf nur als Mittelsperson fungierte.
20 Unbekannt. - Die darauffolgenden Aussagen setzen eher einen Zürcher voraus. Sein Vorname lautete Ambrosius; s. Nr. 2955, Anm. 35.
21 Unbekannt.
22 Der Geschäftsmann John Butler.
23 Die in Zürich am 4. Juli gefeierte Hochzeit zwischen dem Zürcher Georg Escher vom Luchs und der Konstanzerin Dorothea von Menlishofen; s. Nr. 2936 und Anm. 4.
24 Die Stadt Zürich hatte die Hochzeitsgesellschaft mit einem Festmahl im Haus Zur Schnecke (an der Limmat, neben dem Rathaus; s. Memorabilia Tigurina 572) beehrt und dabei 10 lib. und 4. Schillinge ausgegeben; s. Zürich StA, F III 32, Seckelamtsrechnungen 1546/47, 5. 107 der Abt. "Usgeben allerley gelts".
25 Bullingers Urteil (Nr. 2941) zur Eheangelegenheit, die ihm vom Konstanzer Rat mit Nr. 2938 und von Blarer mit Nr. 2940 geschildert worden war. Dass Bullinger um die Rücksendung seiner Antwort gebeten hatte, ist nichts Außergewöhnliches; vgl. z.B. HBBW XIX 138, Nr. 2756,[17], und Anm. 24.
29 Die hier angesprochene Angelegenheit ist unbekannt.
27 doch.
28 Angedeutet ist hier wohl die Haltung der Konstanzer gegenüber Kaiser Karl V. - Siehe dazu zuletzt Nr. 2913,5-18.
29 Karl V.
30 Es ging damals das Gerücht um, der Kaiser werde die Eidgenossen überfallen; s. zuletzt Nr. 2934,5-11; Nr. 2943,5-10.
31 Mulhouse (Mülhausen; Haut-Rhin) und Rottweil (Baden-Württemberg). - Diese Städte, und überdies noch Basel, waren nach Sélestat (Schlettstadt) auf den 13. Juni bestellt worden, um dort kaiserliche Anweisungen erhalten zu können. Mulhouse wich der Einladung aus, Basel kam ihr nicht nach, Rottweil hingegen entsandte einen Beobachter, der aber zu keinem


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an das reych bringen und sich damitt ain mehrer des reychs beweysen. Er welle ouch sechen, ob sich etwar 32 deren von Costentz annemen welle, etc. Orate pro nobis assidue! Nam fieri potest, ut maioribus quam alu periculis involvamur, quum adeo aliorum plagis emendari non possimus.

Wie es dem Jochim Möttlin 33 ergangen seye auff dem tag, möcht ich wol wissen. b Es wäre zit, das er gestraft wurd. b

Saluta tuam domum et amicos. Salutant te nostri.

[Ohne Unterschrift.]

[Adresse auf der Rückseite:] Praestantissimo viro d. Heinricho Bullingero, Tigurinorum antistiti dignissimo, d. et fratri suo unice sibi venerando, etc. 34