Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2943]

Oswald Myconius
an Bullinger
Basel,
5. Juli 1547

Autograph: Zürich ZB, Ms F 62, 381 (Siegelspur) Zusammenfassung: Henrich, Myconius BW 973, Nr. 1088

[]]Myconius schreibt gegen seine Gewohnheit nach dem Abendessen, weil er nach diesem von der Überbringerin [...]erfuhr, dass sie nach Zürich reisen wird. Zum einen ,nächte er Bullinger grüßen, zum anderen ihm mitteilen, was bein, Essen erzählt wurde. Kaiser Karl V. soll mit allen Herrschaftsgebieten bis ans Meer Frieden geschlossen haben. Myconius kann dies kaum glauben, aber vielleicht weiß Bullinger mehr darüber. Sollte es stimmen, dann ist dieser Frieden gegen die Eidgenossen gerichtet, da es als verbürgt gilt, dass der Kaiser nur ein Ziel verfolgt: die Bezwingung dieses sich sogar Jupiter widersetzenden rebellischen Bauernvolkes. Ach, wenn nur alle Helvetier dies begriffen und sich zum Herrn bekehrten, um so die Pläne dieses halbverwesten Kaisers zu vereiteln! Er soll schwer krank sein, wie der nach Basel geflohene Graf Georg von Württemberg-Mömpelgard aus Nürnberg hörte. -[2]Aus Rom kam ein Brief der die Ereignisse in Neapel bestätigt und über die Zusammenrottung von bis zu 30'000 Neapolitanern gegen den Vizekönig Pedro Alvarez de Toledo berichtet. Dieser soll nach Gaeta geflohen sein und den Herzog von Florenz, Cosimo I. de' Medici, um Hilfe gebeten haben. -[3] Eine Einigung der Eidgenossen wäre heute notwendiger als je zuvor. Der Herr stehe diesen bei! Der Kaiser würde sich nämlich gerne, ehe er stirbt, durch einen Sieg über die Helvetier verewigen. Der einflussreiche Bullinger möge bewirken, dass die Zürcher Obrigkeit im Interesse Helvetiens dies den übrigen Eidgenossen beibringt! -[4] Über die Ulmen Tagung [der Reichsstände] ist Bullinger wohl im Bilde. Myconius freut sich über die dortigen [zögerlichen] Verhandlungen. Möge Gott die [Protestanten] stärken! -[5]Gruß.

b-b Seitlich am linken Rand nachgetragen. -
c Adresse verklebt, da vorliegender Brief auf den unteren leeren Teil eines anderen Briefes von Haller (vom 8. Februar [1549]) aufgeklebt wurde. Die Adresse konnte mithilfe einer Infrarotlampe entziffert werden.
15 Gemeint ist die Familie von Ulrich Kambli, Hallers Schwiegervater.
16 Agnes und Johannes d.J.
17 Tag- und Nachtgleiche (die des Herbstes fiel damals etwa auf den 11. September). - Hiermit liegt einer der ältesten Belege für die Umzugstermine in Zürich vor,
nämlich um die Tag- und Nachtgleichen im Frühjahr und im Herbst. Die heutigen offiziellen Umzugstermine sind der 31. März und der 30. September.
18 Elsbeth, geb. Kambli.
19 Gemeint ist eine Anstellung.


Briefe_Vol_20-291arpa

S. Post coenam scribo praeter morem, narn mulier haec 1 post coenam dixit se abituram Tigurum. Nolui dimittere sine salutatione tui, et praeter hanc succurrit, quae in coena accepi: Caiserum 2 fecisse pacem cum omnibus usque ad mare 3 , id, quod tametsi non credo, volui tamen significare tibi, an tu certius quiddam ea de re haberes. Apud me etenim ratum est: Si verum est, quod rumor habet, contra nos 4 esse; nam his diebus audivi pro certo in animo esse caesari pacem facere qualemcumque cum omnibus, tantum, ut queat rusticos illos, etiam Iovi 5 obpedentes 6 , domare. Utinam crederent id omnes Helvetii ut ego, dein se converterent ad dominum, nam sic in ventum abiturum esset consilium cadaveris (nihil est enim nisi cadaver caesar! 7 ). Comes enim Georgius Wirtembergensis 8 , qui hic exulat, ex Nuremberga habet caesarem laborare jugiter gravissime.

Praeter hec ex Roma literas 9 habemus de Neapoli esse vera omnia, et nunc esse congregata Neapolitanorum usquea ad triginta millia contra proregem 10 , qui tamen fugit Caietam 11 usque et imploravit auxilium ducis Florentini 12 .

Utinam vero conveniret aliquando inter nostros! Hodie nanque adeo necessarium esset ut nunquam antea. Dominus nobis adsit, ut permanere possimus. Cesar enim libenter exiturus esset e mundo, tantum hanc laudem post se relinquere valeret: vicisse Helvetios! Authoritate quia vales apud tuos, quaeso, istud inculces pro virili, ut et ipsi reliquis 13 inculcent idem. Operae praecium id esset et profuturum Helvetic, tantum deus adsit feliciter.

De Ulmensibus comitiis 14 nosti omnia. Mihi placet, quicquid illic 15 est actum. Rogo dominum, ut confirmet.

a in der Vorlage folgt darauf usque.
1 Unbekannt. - Vermutlich dieselbe Frau wie in Nr. 2937,27-32.
2 Karl V.
3 Gemeint ist die Nordsee und folglich die daran angrenzenden Gebiete, u.a. die Hansestädte; vgl. Nr. 2952,28f.
4 die Eidgenossen.
5 Jupiter, der oberste römische Gott. Hier auf den katholischen Kaiser gemünzt.
6 Gemeint sind die Eidgenossen; vgl. zuletzt Nr. 2934.5-11.
7 Vgl. Nr. 2872. Anm. 16.
8 Georg von Württemberg-Mömpelgard. - Er hatte seit etwa dem 20. Januar 1547 in Basel Zuflucht gesucht (s. HBBW XIX 159,47; 181,58; 346, Anm. 3; 378,12), wo er bis Oktober 1551 die meiste Zeit wohnte; s. AK VIII 124, Anm. 1.
9 Uber diesen oder einen ähnlichen Bericht aus Rom hatte Bullinger bereits durch Luzi Heim mit Brief Nr. 2915 erfahren.
10 Pedro Alvarez de Toledo. - Vgl. Nr. 2915,18f.
11 Gaeta (Latina, Italien), etwa 90 km nördlich von Neapel.
12 Cosimo I. de' Medici.
13 Die übrigen Eidgenossen. - Zürich war Vorort der Eidgenossenschaft.
14 Die Versammlung der Reichsstände in Ulm; s. dazu Nr. 2888, Anm. 21; Nr. 2927, Anm. 10.
15 In Ulm. - Myconius hatte allen Grund zur Zufriedenheit, weil die Verhandlungen in Ulm über einen neuen Schwäbischen Bund aus verschiedenen Gründen (z.B. aufgrund mangelnden Eifers der Gesandten und einiger finanzieller Bedenken der Stände) bis weit in den Monat Juni hinein kaum vorangekommen waren, was sich aber durch massiven Druck von Nicolas de Perrenot, Herrn von Granvelle, in der letzten Juniwoche änderte; s. Rabe, Reichsbund 149-163.


Briefe_Vol_20-292arpa

Vale in Christo cum tuis. Basileae, 5. iulii anno 1547.

Tuus Os. Myc.

[Adresse auf der Rückseite:] D. Heinricho Bullingero doctissimo, ministro Christi primario, fratri ac domino in Christo venerando suo. Zü[ric]h. b