Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2913]

Ambrosius Blarer
an Bullinger
[Konstanz],
26. Mai 1547

Autograph: Zürich StA, E II 338, 1416 (Siegelspur) Teildruck und zusammenfassende Ubersetzung: Blarer BW II 627, Nr. 1441

[1]Christus möge geben, dass Bullingers und Konrad Pellikans Badeaufenthalt erholsam war! -[2] Die Zürcher werden bei den Augsburgern die Entlassung von Johannes Haller kaum bewirken können, zumal daraus der dortigen Kirche großer Schaden entstehen könnte. -[3]Zu Recht hält Bullinger die Konstanzer zur Standhaftigkeit an. Solange [Blarer und die Gleichgesinnten]nicht aus der Stadt verjagt werden, wird Konstanz nicht nachgeben. Werden sie ausgewiesen, weiß Gott, was dann passiert. Das Volk ist ja so wankelmütig, besonders wenn es Rückschläge in Kauf nehmen muss. Viele Konstanzer beschimpfen bereits [Blarer und die Seinen]: Ihr werdet euch doch nicht alleine gegen Kaiser Karl V. behaupten oder etwa im Alleingang regieren können! Doch haben [Blarer und die Seinen] nie so etwas beabsichtigt! Sie hoffen vielmehr, dass Gott ihnen eine Aussöhnung mit dem Kaiser ohne [Glaubens]nachteile ermöglichen wird. Dass es aber tatsächlich dazu kommt, wird stets unwahrscheinlicher, da die Konstanzer sich je länger je mehr undankbar erweisen. In den [vorderösterreichischen] Gebieten König Ferdinands werden ihnen die Zinsen und andere Güter beschlagnahmt, und so wächst der Unmut. Bullinger möge für die Konstanzer beten. -[4]Blarer versucht nun herauszufinden., wie man beim Augsburger Rat in Hans Schöners Angelegenheit erfolgreich verhandeln könnte. Sobald er es weiß. wird er zusammen mit Bullinger die Sache vorantreiben, damit diesem unglücklichen Menschen geholfen werden kann. -[5]Neuigkeiten gibt es kaum. Von den üblichen Lügen wird man fast verschüttet! Blarer hat noch nie so etwas erlebt! Aus ein und derselben Stadt können von vertrauenswürdigen Menschen ganz widersprüchliche Nachrichten eintreffen, so dass sich keiner mehr zurechtfindet. Christoph Froschauer wird Genaueres darüber erzählen. -[6]Gestern, spätabends, kam ein Brief von Jakob Herbrot und Georg Frölich. Die Augsburger Gesandten haben aus dein Lager des Kaisers dessen Aussöhnung mit Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen gemeldet. Von den Bedingungen aber war nicht die Rede. Einige glauben zu wissen, dass diese gerecht und akzeptabel seien. - [7] Gruß, auch an die Familie und an clic Kollegen. Thomas Blarer und Konrad Zwick lassen grüßen.

32 wir.
33 rechtgeschaffen ursach: einen guten Grund (die Abberufung zu rechtfertigen).
34 Vorliegender Brief wurde mit einem Augsburger Boten übermittelt; s. Nr. 2908, Anm. 23.


Briefe_Vol_20-219arpa

S. in vindice et a servato[ren]ostro a Christo, qui faxit, ut tu cum pientissimo et optimo Pellicano feliciter laveritis! 1

Hallerum vestrum, vereor, ut impetrare rursum ab Augustanis nisi summa difficultate pariter et magna ecclesiæ, quae illic est, iactura possitis. 2

Quod nos ad constantiam subinde hortaris, 3 mi venerande charissimeque frater, recte prorsum ac christianice facis. Wir werdend beston, so lang man unß 4 nitt jagt. Darnach ist gott bekandt, wie es gehn wirt. Non ignoras vulgi mobile ingenium 5 , praesertim si fortuna periclitanda siet 6 . Multae quotidie audiuntur mint: Wir werdind nitt allain unß des kaisers 7 erweren 8 und allso herren für unß selbs on ain oberen sein! Id quod ne unquam in mentem nostris venit! Verum dominus viam nobis ac rationem commonstrabit, qua quam minima fieri potest incommoditate caesari rursus reconciliemur, nisi aliud mereatur (quod valde metuo) nostra ingratitudo, quam plane ut vehementer abominor - ita video proh dolor magis atque magis ingravescere. Dominus nostri per Christum misereatur! Man sperrt den unsern zyns und anderß allenthalb in des konigs 9 oberkaiten. Wirt unlydlich 10 sein, etc. Precare pro nobis (ut facis, scio) b caelestem patrem, utut omnia cadant, ne quis tamen nos e sua manu extorqueat. 11

In Schönen 12 nostri caussa experior nunc Auguste, qua ratione agi illa cum fructu aliquo apud senatum possit. Quod ubi primum rescivero, faciemus tu et ego nostrum quoque officium, si forte dominus, afflicti terque miserrimi vin misertus, conatus nostros fortunare dignetur.

Nova hic certa nulla prorsus, nisi quod novis identidem mendaciis tantum non adobruimur. Ich hab all min tag grausamer, wunderbarlicher liegen 13 nie gehört! Es sollend wol auß amer statt von gloubwirdigen leuten dreyerlay widerwertige 14 schreiben kommen, 15 das ich mich glatt nichts mehr daruß verrichten 16 kan. c [F]roschoverus [v]ester, quid [r]umusculi apud nos iactitent, [b]ona tibi fide nar[r]averit. c

a-a Textverlust bei der Entfernung des Siegels. -
b Klammern ergänzt. -
c-c Am Rande nachgetragen. Text teils im engen Einband verdeckt.
1 Vom 17. April bis 11. Mai; s. dazu Nr. 2886, Anm. 39.
2 Zur Rückberufung Johannes Hallers durch den Zürcher Rat s. Nr. 2908,1-3.
3 Siehe z.B. Nr. 2881,28.
4 Gemeint sind die Konstanzer Pfarrer und einige gleichgesinnte Ratsherren wie Thomas Blarer und Konrad Zwick; s. dazu HBBW XIX 39-41.
5 vulgi mobile ingenium: Vgl. TPMA XII 278, Nr. 1.1.
6 =sit.
7 Karl V.
8 des kaisers erweren: dem Kaiser widersetzen; s. SI XVI 946f.
9 Ferdinand I. - Gemeint sind die vorderösterreichischen Gebiete.
10 unerträglich.
11 Vgl. Joh 10, 28.
12 Hans Schöner. - Siehe dazu zuletzt Nr. 2891,14-21.
13 Lügen.
14 widersprüchliche.
15 Vgl. schon Nr. 2891,11-13.
16 mich glatt nichts mehr daruß verrichten: mich überhaupt darin nicht mehr zurechtfinden; s. Fischer 111278.
17 Christoph Froschauer, der nach Konstanz gereist war; s. Nr. 2906,12f.


Briefe_Vol_20-220arpa

Heri sub noctem ab Herbroto consule 18 et Laeto 19 literas 20 accepi, qui scribunt urbis suae legatos 21 ex castris caesaris significasse illum cum electore 22 in gratiam rediisse. 23 De conditionibus, quibus factum illud sit, nihil attingunt, sed affirmant alu nonnulli aequissimas ilias planeque plausibiles 24 esse.

Bene vale, mi colende charissimeque B[ullingere], cum tota tua domo omnibusque administris tuis in domino caeterisque fratribus et amicis, quos nostris verbis multum in domino salvere iubebis illorum nos piis votis diligenter commendans. Salutant te nostri omnes, germanus frater 25 cum Zviccio 26 . 26. mau 1547.

Tuus A. Bi.

[Adresse auf der Rückseite:] Inimitabili doctrina pietateque viro d. Heinricho Bullingero, venerando charissimoque fratri suo. Tiguri. 27