Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

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[BULLINGER] AN
ANNA ADLISCHWYLER
[Kappel] ,
24. Februar 1528

Autograph: Zürich ZB, Msc T 406, Nr. 15, 1 r. -32r. 62 1/2 S. 8°, sehr gut erhalten, ohne Siegelspur Ungedruckt

Auf Wunsch seiner Braut gibt er eine Zusammenfassung der Pflichten und Tugenden einer gläubigen Frau: er schreibt über den wahren Gottesdienst, den Bund Gottes im Alten und Neuen Testament, das Gotteswort, das das ganze Leben der Christen regieren soll, über den Wert der Arbeit und die Gefahren des Müßigganges und Geschwätzes, über Häuslichkeit und Sparsamkeit, Essen und Kleidung. Es folgt eine ausführliche Gegenüberstellung von Ehelosigkeit und Ehe auf Grund von 1 Kor 7,25ff und danach im Rahmen einer umfangreichen Auslegung von Ps 127 das Lob der Ehe eines gottesfürchtigen Menschen.

Der a eersammen und frommen Annen Adlyschwylerin, miner besonderen sye gnad und frid von gott durch Christum.

Es hat sich vor ettwas zyten begeben, das du verwhänt 4 hast, ich habe dir ettwas underrycht 5 von wägen diner jugend zuo geschryben, das ich aber do ze mol nitt gethon, und doch wol verston mocht, daß es dir nitt unangenämm 6 . So dann mir ouch gedienet hast 7 , und ich ghein dienst nie unvergulten ließ, must ouch du gewäret werden 8 und jetzund das empfahen, das du ettwan 9 verhofft hast; und welle gott, daß min underrycht vil guts by dir würcke. Nimm min dienst imm besten uff und sye die gnad gottes mitt dir.

Geben an S. Mathysen tag imm 1528. jare.

2r. || Der mensch ist zusamen gsetzt vom geist oder seel und lib. Der edler, göttlicher teyl ist die seel, der bronn und ursprung, ouch das wäsen aller menschlichen würckungen, 10 also das wann die seel recht gestalltet ist, dem lichnam 11 und sinen würckungen nützid gebrist 12 . Dorumb es billich ist, daß wir zum ersten

a Auf dem Titelblatt (1r., Vorderseite dieses Blattes): Von wyblicher zucht und wie ein tochter ir wäsen und laben fürren sölle, kurtze underrycht; darunter der Text von Spr 31,30 und 11,22; darunter: 1528; auf der Gegenseite eine Bemerkung von späterer Hand.
1 Siehe oben S. 126, Anm. 1.
2 Nach seiner Teilnahme an der Berner Disputation kam Bullinger mit der Zürcher Delegation am 1. Februar 1528 in Zürich an (HBD 12, 1-4); zur Zeit dieses Schreibens hielt er sich zweifellos wieder in Kappel auf, wie auch die Anspielung auf seine große Arbeitslast (s. im Text) zeigt.
3 Der Brief wird von Staedtke 291 auf «Juli 1528» datiert, der Matthiastag (s. unten Z. 22) fiel jedoch auf den 24. Februar.
4 gemeint. —Möglicherweise in einem nicht erhaltenen Brief.
5 Unterweisung, Belehrung (SI VI 320).
6 Ergänze: wäre.
7 Welchen Dienst seine Braut ihm damals erwiesen hat, läßt sich nicht feststellen.
8 mußt auch du belohnt werden.
9 vorzeiten.
10 so.
11 Leib.
12 fehlt. — Zur Dichotomie und zum Verhältnis zwischen Leib und Seele in der Theologie Bullingers s. Staedtke 257-259.


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anzöugind, wie die seel deß menschen sölle gestalltet sin; wirt dannethin 13 der lib ouch sin vorschrybung 14 haben.

So setz jetzund hie am ersten din gedanck uff das ewig und gedenck also: nun wolhin, du sichst, daß nützid 15 uff diser erd ewig ist, ouch der mensch selbs nitt, der den presten 16 und dem todt am ersten und höchsten underworffen ist, dorumb ouch du sterben must. Ist nun ghein ander läben mee dann nun das, darinn wir sind, so sind wir doch ||2v. die ellendisten creaturen 17 . Es ist aber ein künfftig und besser läben, sicht man ye in allen frommen glöubigen und in Paulo, Hebre. cap. 11. Wie muß sich aber der mensch halten 18 , daß imm ein besser läben werde? One zwyfel also: sich halten deß, der untödtlich ist und ein besser läben gäben mag. Der ist der einig gott.

Den gott mustu dir fürstellen 19 als den einigen, der alles alein geschaffen hab 20 und noch alles in allen verwürck 21 , allmechtig sye, der menschlichem gschlecht wol welle, ouch dir alle dine härle gezellt habe 22 , dich alle zyt und allwäg sähe, dem nützid, ouch die heymlichen gedancken dines hertzens nitt verborgen sye 23 , der alles wüsse 24 , in allen dingen sye, dich dorumb erschaffet habe, daß du inn erckennist, inn für dinen gott, das ist für ein sölich gut habist, by dem dines hertzen lust ||3r. und was du begeerst findist, 25 , dorumb ouch sinen einigen sun Jesum, unseren herren in die wellt gesandt habe 26 , und daß wir inn allwägen imm hertzen tragind, in allwäg und in allenn dingen anrüffind, an imm alein hangind und imm ouch alein und recht dienind.

So hanget man nun an gott und dienet gott nitt mitt sölichem lumpenwerch 27 und affenspyl 28 als aber bisher verwhänt 29 , mitt messen, singen, läsen, lüten, kutten, bschären 30 glübden, klösterenn, bilderen, oppfferen, zieren 31 kertzenbrennen, füllfasten 32 , waffelgebett 33, zun heyligen louffen, das haar ussrouffen 34 , mitt bapsts, vätteren und consilien satzungen, potten 35 und verpotten, die alle sampt

13 alsdann (SI II 1356).
14 Vorschrift (SI IX 1518).
15 nichts.
16 Krankheiten (SI V 837f).
17 Vgl. 1 Kor 15, 19.
18 an etwas festhalten, dabeibleiben, sich danach richten, darauf verlassen (SI II 1225).
19 vorstellen.
20 Vgl. Gen 1-2.
21 bewirke, wirke. — Siehe 1 Kot 12,6.
22 Vgl. Mt 10, 30.
23 Vgl. Mt 6,4.6.
24 Vgl. Ps 139, 2. 4.
25 Zu diesem die Gotteslehre Bullingers geradezu beherrschenden Begriff vom «höchsten Gut» s. Heinrich Bullinger, Das höchste Gut, übers. u. hg. v. Joachim Staedtke, Zürich (1955), S. 7-30.
26 Vgl. u. a. Gal 4,4.
27 wertlosen Dingen.
28 törichtes Gebaren (SI X 136).
29 gemeint.
30 abscheren, im Zusammenhang mit der geistlichen Haartracht (SI VIII 1128).
31 Ausschmücken der Kirchen.
32 Ironisch für angebliches Fasten, bei dem man sich eher füllt (SI XII 846).
33 Plappergebet (waffeln = schwatzen: Grimm XIII 291).
34 ausreißen (SI VI 643).
35 Geboten.


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ghein nütz und vor gott ein grewel sind, der menschen verfürnuß 36 und unser gwüssninen hellsche pin 37 .

||3v. Warer gottes dienst stat imm glouben, hoffen und lieben [1 Kor 13,13]. Warer gottes dienst ist nitt in usseren, sunder vil mee in inneren wurckungen der seel. Durch den glouben und hoffnung hangend wir gar stiff 38 an gott, truwend 39 imm, erckennend inn und rüffendt inn an, verharrend 40 ouch, sind dultmütig 41 in allem lyden und danckbar in fröuden; werdent also nimmer gescheyden 42 von gott 43 , thund es alles in sinem naamen. Wir flissend 44 ouch uns der unschuld vor imm, reingend uns von lasteren, truckend under 43 die begirden, vergoumend 46 die gsicht 47 , meisterend die zungen 48 und thund alles, das liebhabenden menschen zustat. Darvon loannes in siner epistel [1 Joh 2,3ff; 3,11ff; 4,7 ff].

Also flyst 49 sich der recht gläubig, daß er sich täglich bessere, alles unrechten abthüye 50 . Er strytet 51 all ougenplick, ist nimmer sicher noch II 4r. rüwig, dann er weist, wann er glich die bösen unluteren begyrden zertritt, daß die hochfart 52 ze feld lyt 53 , und wann die überwunden, die trägheit da har schlicht. Und so wir ettwan 54 in prästen fallend 55 , daß verruchty 56 oder aber verzwyfflen uns anrendt 57 , darwyder muß der gloub, das bett 58 und ernst stryten, wie Paulus anzücht 59 zuon Epheseren am 6. cap. [10ff].

Wir müssend aber deren dingen nun wol berycht sin 60 , darzuo uns hilft, so wir flyssig dem wort gottes obligend. Dorumb ein christenliche dochter 61 in der bybly wol geüpt sin sol, wann 62 das ist die gschrifft, von deren Paulus sinem Timotheo schript: «Alle gschrifft von gott inggeben ist nütz zur leer, zur straaff 63 , zur besserung, zur züchtigung in der grechtigheit, daß ein mensch gottes sye one prästen 64 , zu allen guten wercken geschickt» [2 Tim 3, 16f]. Und zun Römern:

36 Irreführung.
37 unseres Gewissens höllische Pein.
38 fest.
39 vertrauen.
40 beharren, bleiben, verweilen (SI II 1515).
41 geduldig, langmütig (SI IV 584).
42 getrennt (SI VIII 237).
43 Vgl. Röm 8, 35-39.
44 befleißigen.
45 unterdrücken.
46 hüten, beaufsichtigen (SI II 302).
47 Blicke (SI VII 249).
48 Vgl. Jak 3,5ff.
49 befleißigt.
50 abtue, ablege.
51 kämpft (SI XI 2402).
52 Hoffart.
53 im Krieg mit ihm ist (SI I 806).
54 vielleicht.
55 ins Elend fallen (SI V 842).
56 Ruchlosigkeit.
57 angreift, anfällt.
58 Gebet.
59 erwähnt, ausführt.
60 über diese Dinge gut unterrichtet sein.
61 unverheiratete weibliche Person (SI XII 401f).
62 denn.
63 Tadel, Zurechtweisung (SI XI 2059).
64 Fehler.


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|| 4v. «Was uns vorgeschryben ist, ist unser zur leer geschryben, damitt wir durch gedult und trost der gschrifft hoffnung habend», Roma. 15. cap. [4].

Es wil ouch ein besonders haben 65 , die bibly läsen mitt frucht. Namlich ist es not, daß du das läsen anhebist 66 mitt dem gebett, ja ouch mitt dem läsen bettist, daß dir gott din gmüt uffthun welle, daß du sinen willen erckennist und durch din läsen gebesseret werdist. Demnach ist zu wüssen, daß ettwelche gwüsse stuck sind, daruff die gantz gschrifft lendt 67 , und das alte testament hept an 68 ann dem pundt, den gott mitt Abrahammen und inn imm mitt allen sinen glöubigen getroffen hat, daß er alein sye das einig gut, der schatz aller güteren, an dem wir alein hangen söllend und vor imm unsträfflich wandlen [Gen 17,1ff]. Dahyn reychend 69 jetz 70 alle historien, alle propheten. Dise ||5r. zöugend jetzund an, wie vil unsträfflich vor gott gewhandlet syend, wie sy alein an gott gehanget, inn alein angerüfft habend, und wie gott irer gott xin 71 ist, wie er inen zugedienet 72 hat alle noturfft 73 , sy beschirmpt hat, und by dem sy alles funden 74 habend: als Isaac 75 , Jacob 76 , Joseph 77 , Moscheh 78 , Josue 79 , Sangar 80 , Sanson 81 , Jephte 82 , Booß 83 , Samuel 84 , David 85 , Asa 86 , Josaphat 87 , Ezechias 88 , Josias 89 , Ezras 90 , Daniel 91 , item Sara 92 , Rahel 93 , Anna 94 Abigayl 95 , Ruth 96 , Hester 97 etc. Wann nun du söliches lyst, soltu sprechen: O gott, gib mir ouch ein sölichen glouben, daß ich dich ouch für minen gott halte, und du mich also gnädig fürrist. Du lysist in der dochter Hester demut und gotsforcht; also wandlet sy uffrecht und unsträfflich vor gott, dorumb was gott irer gott und macht sy zur küngin 98 . Hie

65 Es will auch etwas Besonderes auf sich haben.
66 beginnst.
67 hinzielt (SI III 1308).
68 fängt an (SI II 899).
69 zielen (SI VI 138).
70 weiter, sodann.
71 gewesen.
72 zuteil werden ließ (SI XIII 189).
73 das Nötige, das zum Leben Unentbehrliche (SI XIII 1543ff).
74 gefunden.
75 Vgl. Gen 24; 25,19ff; Hebr 11,20.
76 Vgl. Gen 25,24ff; 27,1-37,1; Hebr 11,21.
77 Vgl. Gen 37,2ff; 39-50; Hebr 11,22.
78 Vgl. Ex; Lev; Num; Dtn; Hebr 11,23ff.
79 Vgl. Ex 17,9ff; Num 27,18ff; Dtn 34,9ff u. ö.; Jos.
80 Vgl. Ri 3, 31; 4,6.
81 Vgl. Ri 13,24; 14-16.
82 Vgl. Ri 11; 12,1-7.
83 Vgl. Ruth 2-4.
84 Vgl. 1 Sam 2,18ff; 3-28.
85 Vgl. 1 Sam 16,12ff; 17-30; 2 Sam 1-23.
86 Vgl. 1 Kön 15,8ff; 2 Chr 14-16.
87 Vgl. 2 Chr 17,1-21, 3.
88 Hiskia, vgl. 2 Kön 18-20; 2 Chr 29-32; Jes 36-39.
89 Vgl. 2 Kön 22; 23,1-30; 2 Chr 34-35.
90 Vgl. Esr 7-10; Neh 8,1ff.
91 Vgl. Dan.
92 Vgl. u. a. Gen 21,1ff; Hebr 11,11.
93 Vgl. Gen 29, 16ff; 30,22ff; 35,16ff.
94 Vgl. 1 Sam 1; 2,1ff.
95 Vgl. 1 Sam 25,3-42.
96 Vgl. Ruth.
97 Vgl. Est.
98 Vgl. Est 2,17.


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leer 99 du jetzund ouch demut und gots-||5v. forcht; wirt dich gott ouch nitt verlassen etc. Die propheten Isaias, Hieremias, Ezechiel etc. leerend ouch nützid anders dann daß man sölle stiff hangen an dem einigen gott, alles alein von imm begeeren und unsträfflich vor imm wandlen. Hie straffend 100 sy dorumb die laster so ruch 101 , als da sind: gricht und recht verkeren, die armen undertrucken, dodtschlahen, hassen, liegen 102 , triegen 103 , hochmut triben, huren, unküyschen 104 , eebrechen etc. Du findst ouch, wie ettlich als pharao 105 , Saul 106 , Solomon 107 , Hieroboam 108 , Achab 109 , Joas 110 , item Jezabel 111 , Athalia"112 und ander unrein gelept und sich nitt alein gottes gehalten habend; 113 dorumb sy mitt seel und lib, mitt sampt allem gschlecht verworfen, verdilgget und verdampt sind, das nun dich von lasteren schrecken und vom missglouben abwendig machen sol. Dann Paulus zuon Corintheren spricht: «Sölichs ||6r. widerfur den alten alles zum fürbild; es ist aber uns zur ermanung geschryben, daß wer sich last duncken, er stand, mag wol zusähen, daß er nitt fall» [1 Kor 10,11 f]. Abraham hat ghein heymwäsen 114 , also Isaac, also Jacob, wie Paulus zun Hebreeren 11. cap. [8ff] und Stephanus in Gschichten am 7 [Apg 7,2ff] züget; er gloupt aber gott und wardt rych 115. Die kinder von Izrael glouptend nitt, hieltend inn nitt für iro gott, deß blibend sy todt und viertzig jar in der wüste in eilend und verdrutz 116 .

Imm nüwen testament ist ghein nüwer pundt uffgerycht 117 , sunder erst gwaltig 118 zeigt, das gott unser gott, das ist gut und gnugsamme 119 sin wölle. Dorumb hat er sinen sun gesandt, daß der uns das laben gebe mitt sinem todt und urstende 120 . Der heylet alle krancken 121 , gipt ruw allen denen, die unrüwig sind 122 , das ist, er züget mitt siner zukunfft in die wellt 123 , daß gott den menschen ||6v. wol wölle und gnädig sye, und sy alles by imm findint. Dorumb wann du in den evangelisten lysist, daß Christus alle kranckeyt geheylet hab, so gedenck 124 : das ist der recht artzet 125 , by dem gott find ich gesundtheyt und nitt by Sant

99 lerne.
100 tadeln, schelten (SI XI 2092).
101 hart, streng (SI VI 182).
102 lügen.
103 betrügen.
104 Unkeuschheit treiben (SI III 532).
105 Vgl. Ex 1-14.
106 Vgl. 1 Sam 15,9ff; 16,14ff; 18,10ff; 19,1ff; 22,16ff; 28,6ff; 31.
107 Vgl. 1 Kön 11,1ff.
108 Vgl. 1 Kön 12,28ff; 13, 1ff. 33f; 14,6ff; 15,29.
109 Vgl. 1 Kön 16,29-22,40.
110 Joas von Israel, vgl. 2 Chr 24,17-25.
111 Vgl. 1 Kön 18,4. 13; 19,lf; 21,5 ff. 23; 2 Kön 9,22-37.
112 Vgl. 2 Kön 11 u. par.
113 sich nicht allein an Gott gehalten haben (SI II 1225f).
114 Hauswesen, Wohnung (Grimm IV/II 884).
115 Vgl. Gen 13,2; 24,1; 26,13f; 30,43. — Siehe auch oben S. 60,19ff und S. 61, Anm. 70.
116 Vgl. Num 14, 26-35; Jos 5,6.
117 aufgerichtet.
118 eindringlich, unwiderleglich, unwiderruflich.
119 Genüge, Fülle (SI IV 700).
120 Auferstehung.
121 Vgl. Mt 4,23f u. par.
122 Vgl. Mt 11,28f.
123 er bezeugt mit seiner Ankunft in der Welt.
124 bedenk.
125 Vgl. Ex 15,26; Mt 9,12 u. par.


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Damians 126 lyrennagel 127 ! Wann du lysist, Christus hat die todten ufferweckt 128 , so gedenck, jetzund hastu funden, wer dir ein besser läben geben kan: alein gott. Wann du lysist, wie er die sünd gestraafft 129 hat, so gedenck du, daß von sünden abstandist. In der apostlen Petri, Pauli, Jacobi, loannis gschrifften oder epistlen wirstu ouch die groß gnad gottes finden und wie alle vollkomne 130 in imm ist, in uns nüt dann sünd, welche Christus mit sinem blut abgetillgget habe und uns geheyssen ein nüwes läben anheben 131 . — Wirst in summa also alles das finden, das dir zu enthaltung 132 diner seel ||7r. dienet; nitt me dann lug, daß dich yemerdar 133 mitt gott übist und nützid anhebist, dorumb zu vor gottes wort nitt gevraget habist. Wann gaast 134 alein mitt dinem gutduncken und mitt diner selbs wysheyt 135 zu radt, so fychtet das fleysch dem fleischlichen nach 136 .

Wann dann din seel also wol mitt gott verrycht 137 ist und von gotteswort geregiert 138 wirt, so wirt demnach alles das wol gestalltet sin, damitt der usser mensch umbgadt 139 . Hie wirstu nun alles das vermyden, das schedlich ist den tugenden, und alles das annemmen, das ein züchtig dugentrych 140 wäsen pflantzet. Nützid ist aber, das mee unzuchten und untugenden gebäre dann müssig gon. Uß müssig gon entspringend böse gedancken, demnach 141 üppiger gschwatz 142 , demnach böse gespylischafft 143 , demnach liederliche gmüt, daruff ghein schühen 144 heim- ||7v. licher gsprähen, liebe, und schiffbruch aller zucht, eer und scham.

Dorumb das dises alles vermitten 145 blibe, so schüch 146 das müssig gon und arbeyt allwäg 147 ettwas, damitt und 148 dich (als ouch Hieronymus 149 heist) der tüfel allwäg mitt ettwas gschäfften beladen, ghein statt 150 find. Wybliche arbeyt ist

126 Die Heiligen Kosmas und Damian, Märtyrer unter Diokletian (284-305) im Orient, von denen man sich nach ihrem Tode mittels Inkubation (Tempelschlaf) Hilfe erhoffte, waren vielleicht Brüder und Ärzte; ihre Heiltätigkeit wird in zahlreichen Wundergeschichten geschildert, s. Franz Paschke, Art. Kosmas und Damian, in: RGG IV 26f, Lit. s. dort.
127 Am älteren Pflug der mit Griff versehene eiserne Nagel, der in das Loch in der Schere des Pflugs gesteckt wird (SI IV 688). In übertragener Bedeutung auf einen langsamen Menschen angewandt. «Damian Lyrennagel» ist der Name des Dorfpfarrers in Niklaus Manuels «Barbali», 1526 (Manuel 133ff).
128 Vgl. Mk 5,22ff; Job 11,1ff.
129 Vgl. Mt 5,21ff.
130 Vollkommenheit.
131 anfangen.
132 Unterhalt, Erhaltung, Schutz.
133 immerdar.
134 gehst.
135 eigenen Weisheit.
136 so strebt das Fleisch dem Fleischlichen nach (vgl. SI I 664). — Siehe Röm 8,5.
137 ausgesöhnt (vgl. SI VI 431f).
138 regiert.
139 umgeht.
140 tugendreiches.
141 hierauf (SI IV 638).
142 leichtfertiges, nichtsnutziges Geschwätz.
143 Gesellschaft (SI X 189).
144 Scheu vor.
145 vermieden.
146 verabscheue.
147 stets.
148 damit («und» ist pleonastisch, SI I 321).
149 Hieronymus, Epistola CXXV, 11, 2 ad Rusticum Monachum (CSEL LVI 130, 6f).
150 Platz.


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spinnen, näyen 51 , wäben, würcken 152 , sticken, zuon zyten schryben und läsen. Mitt arbeyt muß man sich begon 153 , und ob man glich also rych ist, daß man sin nützid bedarf, soll man doch allwäg werchen. Es sind ouch heyden gewäsen, die hordtrych 154 , und doch nitt woltend, daß sy müssig giengend, die inen ze versprechen stundint 155 . Lartind 156 ire kind maalen, schnyden, die fryen künst, und die dochteren die musick, astronomy und derglichen subtyle 157 sinryche künst, damitt sy von müssig gon zügind 158 und bösen fantasyen nitt statt liessind. Also thet die küsch 159 ||8r. Penelope 160 nützid dann wäben, und behielt 161 irem künig und herren sin eer und zucht, mocht nitt erworben werden von 18 junger fürsten und beharrets 162 doch 20 jar. Besich mir die Sprüch Solomonis am 31. cap. [10ff].

Uppiger 163 oder unnützer geschwätz ist ein so anzügig 164 grooß übel, daß es niemands ussprächen kan, besonders vor jungen zarten hertzen; ist nützid, das wyblicher zucht mee schade. Dorumb sölichs billich ze vergoumen 165 ist. Sölich sind die fablen, meerly 166 von der liebe, von ander derley göuchery 167 und üppgheit, item die buler lyedly 168 , die narrenbüchlin vom herr Tristrant [!]169 , von der Gismunda 170 von Euryalo 171 und Lucretia 172 , vom Leandro 173 und der glichen. Darvor muß man sich wie vor den Syrenen hüten, söliche ding nitt kouffen, nitt läsen, nitt hören läsen.

Es ist ouch die edlist und ||8v. höchste frowenzucht: stillschwygen und, ob ettliche uppge 174 red von wyb oder man beschicht 175 , die nitt mercken 176 , darzuo nitt lachen noch loben, sust vermeint der grobian oder die grobhartin 177 , sy

151 Nähen.
152 eine Handarbeit, vermutlich Stricken (vgl. Strumpfwirken) oder Teppichwirken (auch in Bullingers Familie belegt, vgl. u. a. Verzeichnis 2 448).
153 seinen Lebensunterhalt verdienen (SI II 32).
154 sehr reich, steinreich (SI VI 163).
155 die ihnen unterstellt oder ihrer Pflege anvertraut waren, «Einem zuo versprechen stân>, von Personen oder Sachen, mit Beziehung auf die Ausübung von (Hoheits-)Rechten, Verpflichtung zu rechtlicher Vertretung, Schutz und Schirm», SI X 786.
156 lehrten.
157 feine (SI VII 95).
158 abhielten.
159 keusche.
160 Gattin des Odysseus (Odyssee).
161 erhielt (SI II 1238).
162 setzt es fort (SI II 15150.
163 Unzüchtiges.
164 anziehend, (andere Lacher) nach sich ziehend, verführerisch.
165 zu vermeiden.
166 Märlein.
167 Torheit (SI II 107f).
168 (unzüchtige) Liebeslieder (SI III 1096).
169 Tristan und Isolde.
170 Vielleicht Griseldis oder Isolde. — Eine Gismunda ist in der Weltliteratur nicht bekannt.
171 Freier der Penelope, s. Wagner, Art. Euryalos, in: Pauly/Wissowa XI 1318.
172 Tugendsame Gattin des Collatinus, s. Münzer, Art. Lucretia, in: Pauly/Wissowa XXVI 1692-1695.
173 Siehe Sittig, Art. Hero, in: Pauly/Wissowa XV 909-916.
174 unzüchtige.
175 geschieht.
176 bemerken, beachten.
177 Von: grobhart = Grobian (Grimm IV/I, 6, 413).


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habe es wol geschafft 178 und ein guten schwanck triben. Das stillschwygen soll ouch nitt ein stümme 179 sin, sunder ein maaß deß wybischen klappers 180 oder retschens 181 . Wo man züchtig und frölich vragt, soll man mitt lachendem mund antwurt geben und mitthyn 182 lieblicher und holdsäliger züchtiger reden sin, doch daß es ein maaß habe und ander lüt ouch mögind ze red kummen. Es söllend ouch die perden 183 und gstallten der ougen, deß munds, ja gantzen libs züchtig, frölich und nitt schamper 184 sin; soll alles vorbetrachtet 185 sin und nützid gäch 186 , wann nienerby 187 erckent man das wyb baß dann by der red, by den ougen und libs perden, wo anders 188 wyse lüt sind. ||9r. Also sol ouch das lachen ein maaß und zucht haben, doch es wirt das alles wolgstalltig werden, wo zucht, eer und scham imm hertzen ist, die alle ding regiere und verbringe 189 . Wo die selb nitt da ist, gwüsslichen nützid anders dann unzucht in allen thun und lhon 190 , oder aber lötige 191 glichsnery 192 , darunter herfür gugget 193 die bosgheyt. Da hilft dann underrycht eben also vil als wann man zu einem unglöubigen sagt: rüff gott an und rüff inn also an, — und er hat aber gheinen gott imm hertzen.

Gspyllschafft 194 ist ouch der grösten verfürnussen eine, dann es nitt ze beschryben ist, worhinder 195 bös gspylen fürind, ja deß, das sich eins nie versähen 196 hette, wirt es liederlich und unverdachter sach beredt 197 . Dorumb du dich wol umbsähen magst, zu wemm dich schlahist 198 . Erkonn 199 vorhin 200 einer 201 gmüt, thun und lassen: welche die warheit lieb hat und nitt liecht 202 ist, welche eer lieb || 9v. hat und das arg hasset, welche züchtig und wolkönnend 203 ist mitt worten, perden, thaten, früntlich, gotsförchtig, dienstbar 204 und demütig ist, zuo deren soltu dich xellen 205 . Solt iren vorgeben 206 , sy in eeren haben, iren dienen, dine gheimnussen gmeinn mitt iren haben; doch so du wilt, daß es niemands wüß, so

178 habe ihre Sache gut gemacht (SI VIII 313f).
179 Stummheit.
180 Schwätzens.
181 Schwätzens, Plapperns, Klatschens (SI VI 1850).
182 mitunter, bisweilen (SI II 1350).
183 Gebärden.
184 schandbar, ehrlos, schamlos (SI VIII 881ff).
185 bedacht.
186 überstürzt, übereilt.
187 an nichts.
188 wo nämlich.
189 vollbringe.
190 Lassen.
191 völlige (SI III 1502).
192 Heuchelei (SI II 604).
193 hervorschaut (SI II 182).
194 Gesellschaft.
195 wohin; eigentlich: «wohinter».
196 darauf gefaßt gemacht, erwartet (SI VII 566).
197 zu einer unüberlegten Sache überredet (SI XIII 664; VI 570).
198 zu wem du dich gesellst (SI IX 320).
199 erforsche (SI III 325).
200 vorher.
201 Ergänze etwa: weiblichen Person.
202 leichtfertig, leichtsinnig, unzuverlässig (SI III 1048).
203 geschickt, gewandt (SI III 324).
204 dienstfertig, hilfsbereit (SI XIII 799).
205 gesellen.
206 ihnen freundlich entgegenkommen (SI II 89).


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sags niemands, ouch dir selbs nitt, und ob du schon erfaaren hast, daß dine gespylen verschwygen sind. Noch spricht man: «Was über den tritten mund hinuß kumpt, das blipt nitt verschwigen» 207 . Trüw niemands ze gäch 208 208 , erkonn vorhin alle ding und demnach 209 so vertruw dich 210 , so wirst by guten gebesseret; wann 211 mitt und by bösen wirt man verkärt 212 [!]. Bishar hastu ein züchtige eerliche gespylen gehept an der Justitien 213 , lug 214 , daß du es allwäg also träffist ist 215 , und wüß 216 , daß ze vil gspyllschafft ouch nitt gut ist.

Vertruw 217 dir ouch selbs nitt zuo vil; es ist ghein ein-||10r. falter 218 ding, das ee betrogen sye und überfürt 219 , dann ein wybsbild. Dorumb soll dir alles das argwhönig sin, das von der juget 220 anggeben 221 wirt und bywhonen 222 , ouch gmeinschafft und zu vil früntschafft der jungen knaaben anetrifft 223 . Die jugedt ist unbedacht 224 , und findt man nitt vil, die betrachten 225 könnind, daß sy keine eer ingelegt, wann sy glich ein so einfallte creatur überfürt. Lassend wybesgeschlecht irer einfallte ouch nitt geniessen 226 , sunder sind nun daruff geneigt, daß sy vil betriegind. Daruff setzend sy all iren gedanck und bruchend allen betrug mitt süssen glatten worten, hohen verheyssen 227 ; dorumb man sich hie wol goumen 228 muß.

Also sol ouch nitt die kleinst sorg einer christenlichen dochter sin, daß sy huslich 229 und radtlich 230 sye. Und durch das huslich sin verstond wir nitt gytig 231 sin, sunder ein rechte sorg tragen über die ding, darüber sy von elteren ze verwal-||10v. ten gesetzt wirt, oder aber, so sy selbs für sich huß halt, nützid ze unnutz verthüge 232 , nützid versume 233 , nützid verderben lasse. Dise sorg soll nitt ein unruw 234 sin, sunder sy wirt groß gnug sin, wann sy uff nachvolgende stuck grünnt 235 . Zum 1. mustu dir selbs ingeben, wie nötig sin 236 ein ellend ist,

207 Kirchhofer 177.
208 vertraue niemandem zu schnell.
209 hierauf.
210 vertrau dich an.
211 denn.
212 verdorben, verführt.
213 Justitia Moser (s. oben S. 141, Anm. 297).
214 sieh zu.
215 immer so triffst.
216 wisse.
217 traue ... zu.
218 einfältigeres (SI I 818).
219 betrogen, verführt (SI I 978).
220 Jugend (SI III 22).
221 angeführt.
222 Umgang, Zusammensein.
223 betrifft.
224 unbesonnen, unüberlegt (SI XIII 681).
225 bedenken.
226 lassen das weibliche Geschlecht auch den Lohn für seine Einfalt nicht ernten (vgl. SI IV 817).
227 Versprechen (SI 111683).
228 hüten (SI II 301).
229 sparsam (SI II 1745).
230 haushälterisch (SI VI 1616).
231 geizig.
232 vertue, vergeude (SI XIII 414ff).
233 versäume, verpasse, unterlasse (SI VII 964).
234 Unruhe.
235 gründet, sich stützt (SI II 777).
236 Not haben, arm sein (SI IV 861).


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und also vil haben, das du ouch mögist einem anderen helffen, ein tugend 237 . Dorumb du dich der maassen stellen wellist, daß du nitt nötig werdist. Also must jetzund zum anderen eigentlich betrachten was du habist ingon 238 , und versähen 239 , daß din ussgeben nitt grösser werde dann das innemmen. So wirst dann hie der regel geläben 240 , so da lut: «Du must dich strecken, darnach dich weist zu decken» 241 . Item: «Du must nitt achten, was du gern hettist, sunder weß du nitt b wol mögist embären» 242 . Also wirt dir alles unnötig ding erleyden 243 und nützid krämlen 244 , nützid ussgäben, es sye dir dann notwendig. Zum trit-||11r. ten mustu ouch uff einem haller halten 245 und ghein ding so unnütz achten, deß man nitt ettwan an einem ort gebruchen mög. Das wirt dann wol das güden 246 vertryben. Zum vierden eigentlich 247 sähen was ander lüt und dich ettwan genützt oder ze schaden bracht habe; dem selben volg dann hinnach oder hüt dich darvor. Zum 5. must allwäg mitt dir selbs und ander lüten guter rechnung sin 248 , gern bezalen, nützid uffschlahen 249 , doch noch vil lieber nützid entlechnen 250 , so wyt und es xin mag. Zum sechsten must alles, das du wol mitt dir selbs ussrychten kanst, ander lüten nitt empfelhen 251 , und ob du inen schon ettwas empfilchst, soltu doch yemerdar zusähen etc. Wann du nun daruff sähen wirst, recht husslich werden und gwüsslich nüt lassen ze verlieren gon, doch vorbehalten 252 , daß man sich nützid rüwen 253 lasse, was zuon eeren und notdurfft ||11v. ghört; wann wo das nitt, so were es ein lötiger 254 gyt 255 und wust 256 , ja recht hutzinger 257 lempenwerch 258 . So sicht ein verstanden 259 gmüt wol, was zu eeren dienet und wie vil man da geeben und anderschwo inhalten 260 söll. Wo ghein vernunft ist, da spricht man: «Butzen 261 söllend nitt gellt haben» 262 . Wo gyt
b nitt aRvB nachgetragen.
237 Ergänze: ist.
238 Einkommen (SI II 21).
239 dafür sorgen (SI VII 568).
240 nachleben (vgl. SI III 972).
241 Wander IV 899; Kirchhofer 169.
242 entbehren; s. den Abschnitt «Gemeine sprüch vom hußhalten», in: Heinrich Bullinger, Der Christlich Eestand, Zürich 1548, Bl. 79v.
243 verleiden.
244 kleine entbehrliche Dinge, bes. Zuckerzeug, einkaufen (SI III 816).
245 auf einen Heller Wert legen (SI 111225).
246 das Vergeuden, Verschwenden (SI 11125).
247 genau.
248 gute Rechnung führen.
249 nichts auf Borg nehmen (SI IX 367).
250 entlehnen.
251 auftragen, übertragen (SI I 798f). — Siehe Bullingers Haushaltssprüche, aaO.
252 mit dem Vorbehalt, ausgenommen.
253 reuen.
254 völliger.
255 Geiz.
256 Schmutz, Unrat (Grimm XIV/II 2405ff).
257 ein Scheltwort unbekannter Bedeutung (vgl. SI II 1839).
258 Lumpenarbeit (vgl. SI III 1275f).
259 verständiges.
260 einhalten, zurückbehalten.
261 Narren (SI IV 2003).
262 Wander I 527.


Briefe_Vol_01-160arpa

ist, gadt es nitt anders, dann wann einer ein süsse harppffen 263 hat und sich mitt iren nitt belusten 264 darf, sy imm kasten verderben last.

Radsamme 265 ist nitt die kleinst gaab der recht wolkönnenden döchteren. Die lygt nun an einem herrlichen frölichen gmüt. Wann wir sähend, wie die schwermütigen 266 Grädy 267 dorffnepper 268 by inen selbst unradtsam 269 und gar nitt unglich den süwen 270 sind. Wo aber ein frölich adenlich 271 gmüt ist, da mag es gheinen unradt dulden und sicht eigentlich 272 , daß alle ding mitt ordnung und zuo siner zyt beschähend 273 Dise zwey ding sind in der radtsamme ||12r. die obristen 274 . Da stellend sölich döchteren all ire ding an ire örtlin, wie die bygly 275 lassend nitt eins hie, das ander dört liggen. Da mögend sölich gheinen wust, ghein unsubere 276 dulden, es muß inen alles glitzeren; habend die stunden ußgeteylt 277 , darinn sy yedes thund, und lassend ghein zyt one frucht fürschynen 278 . Fuul 279 dörpplechtig 280 düppell 281 troumend und schlafend mee dann sy läbend. Yhen 282 aber sind hurrtig, thund alle ding mitt fröuden und mitt halber arbeyt, sind ouch schnell, so man yhen bedörffte, mitt einem hangenden 283 wagen ze reychen und fürren, wo man sy haben wölte.

An essen und trincken ligt ouch nitt wenig, dann überfüllen 284 und schlöünen 285 ein grooß laster ist und besonders grossen schaaden der wyblichen zucht gebirt. Wo versoffen wyber sind, die sind schon verckoufft 286 . Ein züchtige dochter soll zu not-||12v. wendigheyt ein notdurfft 287 und gnug essen und trinckenn, nitt daß sy mee entzünt 288 werde. Dann man das bulfer nitt darf 289 ins strow ze legen, wann es sust nach bim füwr ist, es kumpt wol one das bulver an 290 . Es soll sich ouch ein fromme dochter huten vor seltzamen 291 wynen 292 , vor

263 Harfe.
264 belustigen.
265 Ordnungssinn, Reinlichkeit (SI VI 1621).
266 melancholischen (SI IV 588).
267 Greti, gemeine Bauersfrau (SI II 824).
268 grobes Bauernmädchen (SI IV 773); s. noch oben S. 139, Anm. 273.
269 unordentlich, unreinlich.
270 Sauen.
271 adeliges, herrliches (Lexer I 21), ordentlich.
272 sieht genau dazu.
273 geschehen.
274 obersten.
275 kleine Beigen.
276 Unrat, Schmutz (SI VII 80).
277 eingeteilt (SI XII 1597).
278 vergehen, verstreichen (SI VIII 824f).
279 Faule.
280 ungeschickte, schwerfällige, törichte (SI XIII 1678f).
281 einfältiger, dummer, schwachsinniger Mensch (SI XIII 967).
282 jene.
283 gedeckten (SI II 1442).
284 Überessen.
285 Naschen (SI IX 569).
286 preisgegeben, verloren.
287 so viel wie ausreicht (SI XIII 1548).
288 entzündet, erregt.
289 bedarf.
290 gerät in Brand (SI III 273f).
291 seltenen, köstlichen (SI VII 873).
292 Weinen.


Briefe_Vol_01-161arpa

frömbdlendigen 293 schlecklinen 294 ; wann 295 die selben den seckel 296 leerend, den buch 297 und rachen übel wennend 298 , daß ers hernach mee haben wil, gott geb wo ers näm 299 . Daruß entspringt dann aller unradt 300 , schand und laster.

Der kleydung halb ziert ein wybes bild nützid baß 301 dann einfaalte 302, eerbere 303 , landtbrüchige 304 kleyder. Aber also zerstucket 305 , zerstoossen, zerhowen 306 , zerspeert 307 und wiegsam 308 kummen uff 309 frantzösisch, italienisch, niderlänsch, hispangisch 3l0 hört 311 uff den graaben 312 . Wann sind sy nitt feyl 313 , was dörffend 314 sy dann deß gspeers 315 , worumb kummend sy nitt wie ander fromm lüt? Sammet, ||13r. dammast, carmisin 316 syden, scharlat 317 , schamlot 318 lyt baaß 319 in India, Meiland und Hispalen 320 , stat vil baaß dem krämer an 321 imm gaden 322 , dann einer frommen dochter vor wysen gläubigen lüten. Müssend die usseren ding zieren und köuffig machen 323 , so gadts den guten meytlinen znacht, 324 , wann sy sich abzühend 325 , wie der kräyen 326 in Aesopo 327 ; die hat sich ouch mitt frömbden fäderen besteckt und wollt ouch dem pfawen glich sin, do aber yetlicher 328 vogel sine fäderen widernaam, do stund die arm kräy und was nüt dann ein arme schwartze kräy. Welche gotsförchtig, eerbar und züchtig ist, die ist recht hübsch, kan ouch

293 fremdländischen.
294 Schleckereien.
295 denn.
296 Geldbeutel.
297 Bauch.
298 gewöhnen.
299 ganz gleich woher er es nimmt (vgl. SI II 72).
300 Unordnung.
301 nichts besser.
302 einfache.
303 ehrbare.
304 landesübliche (SI V 366).
305 zerstückt (SI X 1841f).
306 geschlitzt (SI II 1810).
307 auseinandergesperrt, gespreizt, ausgebreitet (SI X 441; Lexer III 1084).
308 beweglich, nachgiebig (Grimm XIV/I, 2, 1556).
309 daher kommen (SI III 263).
310 spanisch.
311 gehört.
312 Es handelt sich wahrscheinlich um eine Anspielung auf das «Frauenhaus» (Bordell) am jetzt Seilergraben genannten Teil des Stadtgrabens in Zürich, vgl. Salomon Vögelin, Das alte Zürich, historisch und antiquarisch dargestellt. Bd. I. Eine Wanderung durch Zürich im Jahr 1504, 2. umgearb. Aufl., hg. v. Arnold Nüscheler und F. Salomon Vögelin, Zürich 1878, S. 426.
313 käuflich (SI I 772): «Denn, wenn sie nicht käuflich (Dirnen) sind, ...»
314 bedürfen.
315 der gespreizten Aufmachung (SI X 420).
316 Karmesin, kostbarer Kleiderstoff (SI III 463).
317 Scharlach (SI VIII 1258f).
318 Kamelot (SI III 248; VIII 766).
319 paßt besser.
320 Spanien.
321 geziemt (SI XI 606).
322 Laden (SI II 116).
323 die Kauflust wecken.
324 nachts (SI IV 644).
325 ausziehen.
326 Krähe.
327 In der bekannten Fabel: Die Dole (Krähe) und die Vögel.
328 jeglicher, jeder.


Briefe_Vol_01-162arpa

hübschlich thun. Welche das nitt, die ist ein holtsbock 329 , und ob sy schon in mitten einer syden 330 ballen steckte. Besich Paulum 1. Timoth. 2 [2ff] und Petrum 1. Petri am 3. cap. [1ff].

Wann aber die dochter ||13v. uff iro alter kumpt, daß sy empfindt, ob sy iren anfechtungen herr sin mög oder nitt, so danne mag sy sich der jungckfrowschafft oder in den eestand ergäben 331 . Hat sy ein so reines hertz, daß sy der welltlichen dingen gar nützid achtet und wenig, ja gar ghein unruwen hat, so hat sy die gaab der junckfrowschafft 332 , soll sich doch wol mitt allen dingen wie obgemellt 333 hüten und «ob sy stat, sähen, daß sy nitt fall» [1 Kor 10,12], nitt hochmütig werden und gott recht dienen. Hat ir aber gott nitt geben ein sölich hertz wie obgemellt, soll sy, zu verhüten alle schand und schmach deß tüfels, irs fleischs und der wellt, sich vereelichen; doch hie zum höchsten und flyssigosten sorg haben, daß sy sich also vereeliche, daß sy zu seel und lib nitt verwende 334 . Und zum höchsten soll man nachvragen fromgheyt, gotsforcht, eer, zucht, sorgsamme 335 , ob der knaab frydlich und ghand-||14r. sam 336 sye, ob er ein wüterich, ein spyler, suffer, hurer, balger 337 , ob er verthügig 338 , oder hushaben 339 könne, ob er sin gsellschafft by guten frommen suche, wie er sich vor 340 gehalten habe, was sin wäsen und hantierung 341 sye, ob er ouch früntlich und vernünfftig sye. Dann die ee denocht also vil müy 342 und anxt hat, das ein fromme dochter nitt erst bedarf, daß sy über alle sorg 343 ein unvernünftigen fyendseligen hund imm huß habe, von dem sy ruch 344 angeschnerzt 345 und weder trost, fröud, noch lieb habe, ja der nitt wüsse, was einer frommen frowen zuhöre 346 , ja ouch vermeine, er sye von imm 347 selbs hie, und dorumb das arm wyb verdutzen 348 und gar niener für haben 349 sölle.

Welche aber die junckfrowschafft, die hohen gaab von gott empfangen habend, dörffend deren sorgen nitt. Dorumb ich jetzund || 14v. mitt kurtzen anzeichnungen verhandlen will die meinung Pauli 1. Corinth. 7. cap. von der junckfrowschafft 350 . Der schript also:

329 steifer, ungelenker, störrischer, ungeschlachter Mensch (SI IV 1130).
330 Seide.
331 hingeben (SI II 84).
332 Vgl. 1 Kor 7,7; s. auch oben S. 128, Anm. 29.
333 obenerwähnt.
334 Der Sinn ist wohl: sich nachteilig verändere, schlimmer werde.
335 Sorgfalt (SI VII 1322).
336 sanft, mild, verträglich (SI II 1407).
337 Zänker (SI IV 1212).
338 verschwenderisch (SI XIII 418f).
339 sparsam sein.
340 vorher.
341 Beruf, Arbeit (SI II 1476).
342 Mühe.
343 zu aller Sorge noch.
344 rauh.
345 angefahren, angefaucht.
346 zugehöre.
347 sich.
348 verächtlich, geringschätzig behandeln (vgl. SI XII 38).
349 für nichts halten, verachten (SI II 882).
350 Bullinger hielt bereits 1525 Vorlesungen über die beiden Korintherbriefe (HBD 10, 11), die jedoch nicht erhalten geblieben sind. Zu den hier folgenden Ausführungen über 1 Kor 7, 25ff vgl. Luther, Das siebente Kapitel S. Pauli zu den Corinthern (WA XII 133-139).


Briefe_Vol_01-163arpa

«Von junckfrowen aber hab ich ghein gebott deß herren; ich gib aber einen radt oder entscheyd, als der barmhertzigheyt vom herren erlanget hab, darzuo daß ich trüw sye» [1 Kor 7,25].

Paulus spricht, Christus Jesus habe nützid gebotten von der junckfrowschafft, dann man gar nützid darvon in evangelisten findt, one alein 351 imm Evangelio Mathei am 19. cap. [11ff]spricht er, daß nitt yederman iren fähig sye. Ouch by den patriarchen, propheten und heiligen deß alten testaments ist sy nitt besonders vil gelopt, ja die dochter Jephte beweynet ihre jungfrowschafft 352 , dann es nitt lobes wert was 353 , one kind und usset 354 der ee one frucht absterben. Hierumb were S. Hieronymus wol 355 ||15r. ein wenig bescheydner xin in sinem schryben 356 , darinn er nun 357 zevil der jungfrowschafft zugipt 358 ; dem ouch nachgevolget sind die unreinen münchen und göuchischen 359 kräntzlin macher 360 , habend vil getäperet 361 und vil züchtiger jugend zu nüti 362 gmacht. Der heylig Paulus der faart recht da har, last das gepieten und trengen 363 ston 364 , wil ein fründs radt geben.

«So schetzen ich nun, daß sy gut sye von wägen der gegenwyrtigen anxt und not, also daß es jetzund gut ist, der mensch blibe also» [1 Kor 7,26].

Gut nempt hie Paulus fugcklich, komlich 365 , wie imm Ersten Buch Moscheh am 2. cap.: «Es ist nitt gut, daß der man alein sye, wir wellend imm einen ghülffen oder xellin 366 machen» [Gen 2,18]. Heist hie «es ist nitt gut»: es fügt sich nitt, soll nüt 367 . Das zeig ich dorumb, daß man nitt uß missverstand deß wörtlins «gut» gute werch der ||15v. junckfrowschafft zulegen welle, das aber das gmüt 368 S. Pauli nitt ist. Er spricht, daß die junckfrowschafft alein dorumb fuglich sye, daß sy den menschen viler not und angst entladet, die er inn der ee erlyden müste. Ist also nitt deß geists, gloubens oder dappffergheyt 369 halben die junckfrowschafft 350f

Diese Schrift hat Bullinger gut gekannt und öfters benützt (s. oben S. 61, Anm. 70; S. 62, Anm. 104); eine direkte Abhängigkeit von Luther läßt sich indes bei diesem Abschnitt nicht nachweisen.
351 außer, einzig.
352 Vgl. Ri 11,37f.
353 war.
354 außerhalb.
355 wäre ... besser.
356 Gemeint ist vermutlich: Hieronymus, Adversus lovinianum, I, 3ff (MPL XXIII 223ff). Ausführlicher behandelt Bullinger diese Frage in seiner «Volkommne[n]underrichtung deß christenlichen eestands, wie er möge und sölle in allen stucken mitt gott, nutz, eer und fröüd gschicktlich volfürtt werdenn», 1527 (Zürich ZB, Msc D 200, Nr. 2, 36r. -37r.), dabei werden außer der hier genannten noch zwei weitere Schriften des Hieronymus angeführt: Epistola XXII, ad Eustochium (CSEL LIV 143ff); Epistola XXXXIX, ad Pammachium (CSEL LIV 350ff). Auch Luther wendet sich im Zusammenhang mit dieser Paulusstelle gegen Hieronymus (aaO 134, 27f).
357 nur.
358 zugesteht.
359 närrischen.
360 Kranz ist hier als Bild für Jungfernschaft verwendet (vgl. SI III 837f).
361 unnütz geschwatzt (SI XIII 941).
362 zunichte.
363 Drängen.
364 läßt ... stehen, bleiben, unterläßt es.
365 zukömmlich, angemessen.
366 Gesellin.
367 taugt nichts (SI VII 77).
368 Meinung (SI IV 587).
369 Festigkeit (SI XIII 976).


Briefe_Vol_01-164arpa

besser dann die ee, sunder alein usserer ruwen halb; wann die junckfrowen nitt müssind kinder gebären, säugen, radtsammen 370 , sorghaben, hushalten, unwärd 371 vom man innemmen 372 , vil truren 373 , ettwan gschlagen werden etc. So man nun uff die dultigheit 374 und werch sähen oder dise ding sölte mitt dem verdienst messen, so were der eestand heyliger dann der müssig rüwig jungfrowstand.

«Bist aber diner hussfrowen verbunden, so scheyd dich nitt; bist aber ledig vom wyb, so wyb nitt 375 !» [1 Kor 7,27].

||16r. In Corintho warend ettlich lüt, wie sy noch hütby tag 376 vor handen sind, die, so bald und sy die müy der ee empfundent und darby 377 hortend 378 , wie reinigheyt aller nöten entlüde, woltind sy einswägs 379 druß schlüffen 380 . Spricht Paulus: nein, hastu sy genommen, so behalts; als sölte er druff sprechen: was bsindtest 381 dich nitt vorhyn 382 ! «Wann du ledig bist, dann so lug und blib fry» verstat allwäg 383 : ja so du hast die reinigheit. Sust so tringt der vorder spruch: «Es ist besser zur ee gryffen, dann geprennt werden» [1 Kor 7,9].

«Nimpstu dann schon ein wyb, so hast nitt gesündet, und wann die dochter mannet 384 , hat sy nitt gesündet» [1 Kor 7,28].

Sidmal 385 er geredt hat: «bistu ledig vom wyb, so wyb nitt», drauß man hette mögen schliessen: so ist doch die ee bezie-|| 16v. hen unrecht, antwurt er: nein, sunder es ist knaaben und döchteren fry und one sünd. Dorumb ye volgt, daß der bapst mitt sinen münchen das volck verfürt hat. Die münchen sprachend: die junckfrowschafft verlieren ist sünd. Und Paulus spricht: ein man nemmen ist nitt sünd. Dorumb soll man verston: in der ee verlieren 386 ; sust ist es ein grosse sünd, wie Paulus zun Hebreieren spricht: «Loblich und eerlich ist vor allen menschen die ee 387 , und die eelichen werck one sünd, aber die hurer und eebrecher wirt gott verdamnen» [Hebr 13,4]. Sich, und wann man sust ghein geschrifft hette wider die klooster glübden und münchischen fablen, werend die nitt starck gnug alein?

«Doch so werdent sölich ettwas engsten 388 am fleysch erlyden; ich kans üch aber nitt alles erzellen» [1 Kor 7,28].

370 pflegen, in Ordnung halten.
371 Geringschätzung.
372 entgegennehmen.
373 trauern.
374 Geduldigkeit.
375 nimm kein Weib.
376 heutzutage (SI XII 1068).
377 dabei.
378 hören.
379 geradewegs.
380 daraus schlüpfen, entwischen.
381 besinntest.
382 vorher.
383 stets.
384 einen Mann nimmt.
385 Sintemal, weil.
386 Der Sinn ist: die Jungfräulichkeit in der Ehe verlieren ist nicht Sünde.
387 Bullinger übersetzt den Satz indikativisch; dazu s. noch oben S. 147, Anm. 52.
388 Angst, Bedrängnis.


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Das ist alein dorumb 389 die ||17r. jungfrowschafft ein fürderling 390 hat: hie ist ettwas engsten, sorgen und zufallens 391 , wie obgemeldet ist. Doch so schadet das alles dem geist nützid, und muß der mensch alein am fleysch und von ussen erlyden.

«Daruff sag ich das, lieben brüdern, daß die zyt eben kurtz ist; dorumb man imm nützid anders thun kan 392 , dann welch wyber habend, söllend sin 393 als habend sy gheine, und welche trurend 394 , als trurtend sy nitt, und welche fröudt habend, als habend sy ghein, und welche kouffend, als söltend sy es nitt besitzen, und die diser welt gebruchend, als gebruchtends iren nitt; dann das wäsen diser wellt hinfällt. So wölte ich gern, daß ir nitt engstig und anfechtig werind» [1 Kor 7,29 f].

Wie er den eelüten vorgesagt 395 hat, sy werdent ettwas erlyden, also tröstet er sy hie widerumb, damitt und || 17v. niemands, so vilicht die reinigheit nitt hette, doch ab dem eestand erschuchte 396 , und spricht also: Ob man nun schon ettwas erlyden muß man doch eben das betrachten, das es nitt lang weret, sunder allwäg ettwas lab 397 und fröud darzwüschend kumpt; wie wol man ouch uff das selb das hertz nitt setzen 398 muß, nitt uff das wyb, nitt uff fröud, nitt uff das die welt sicht, und nitt ze vil ze hertzen setzen 399 , ob schon ettwas truren inryst 400 . Dann aller welt pracht vergadt 401 , wir sterbend ouch, die seelen läbend aber 402 . Dorumb, spricht Paulus, müssend wir in denen dingen nitt verzagt noch ze vil angestig 403 403 sin.

«Welcher usset der ee ist, der trachtet denen dingen nach, so deß herren sind, wie er dem herren gfallen mög; welcher aber gewybet hat, ist sorgfeltig 404 in denen dingen, die der wellt sind, und wie er sinem wyb gfallen mö- 18r. ge. Sind also ouch c dise zwey, ein wyb und ein dochter 405 , nitt glich gesinnet. Die noch nitt vermächlet 406 ist, trachtet denen dingen nach, die deß herren sind, daß sy rein sye von lib und geist oder seel; dargegen welche vermechlet ist, trachtet weltlichen dingen nach und wie sy irem man gefallen möge» [1 Kor 7, 32-34].

Es spricht S. Paulus, die junckfrowschafft sye ouch deshalben höher dann die ee, daß sy das hertz gar gott gipt, das nun in der ee nitt also wol gesin möge, sittenmal ettwas sinnes wir ouch legen müssind uff das welltlich. Und sölchs zöugt 407 er mitt vil worten an, setzt beyd stend gegen anderen, und ist doch die, so anzeygt, c

ouch übergeschrieben.
389 Hier: worin, womit.
390 Vorteil (SI I 1001).
391 Zustoßen, von unangenehmen Ereignissen (vgl. SI I 757).
392 darum man nichts anderes vorkehren kann.
393 sein.
394 trauern.
395 vorausgesagt.
396 sich vor dem Ehestand scheute.
397 Labung.
398 das Herz nicht daran hängen.
399 zu Herzen nehmen (SI VII 1624).
400 eintritt, ausbricht (SI VI 1340).
401 Vgl. 1 Joh 2,17.
402 Dazu s. oben Anm. 12.
403 ängstlich.
404 sorgt um ...
405 unverheiratete weibliche Person.
406 vermählt.
407 zeigt.


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die summa: Nitt dorumb, daß du vermeinen wellist, es sye sünd, dem man gern wellen gfallen und liebe zu imm suchen; dann zum Tito am 2. cap. [3ff]spricht er zun alten ||18v. mütern oder wybren, sy söllend sölchs leeren die jungen frowen. Dorumb du abermols sichst, daß der gräd 408 dorumb die jungfrowschafft höher ist dann die ee, nitt besonders übertrifft 409 .

«Das alles hab ich gesagt, das ir das fuglichest annemmind, und nitt daß ich üch einen strick anlege, sunder das ir dem nach volgind, das eerber ist und üch wol anstat, und daß ir dem herren styff und unabzogen 410 anhangind» [1 Kor 7, 35].

Summa summarum 111 das ist der recht houpt artickel, daruff sich der gantz radtschlag Pauli lenden 412 soll. Also spricht er: Das alles hab ich üch fürgeschlagen, nitt daß ich üch weder zur ee oder zur junckfrowschafft zühe. Es stande zu üch hyn 413 , welches ir annemmind, so ferr daß ir allwäg handlind das eerlich sye, üch wol anstande und vom herren nitt zühe 414 . Empfindst in dir selbs macht ||19r. dines hertzens, daß du recht rein also bliben magst 415 415 und dich die begirden nitt hinderind 416 , dann daß du allwäg an gott sinnen magst und dich der wellt gar nützid annimpst, so blib, gefalts dir. Wo dich aber din begirden anderschwo hin lartind 417 sinnen, so zugend sy dich von gott, da hüt 418 by zyt und ergib dich der ee; hastu nitt gesündet und din begirlichen sinn ein wenig getempt 419 . Das ist der sinn Pauli und sin meinung von der jungfrowschafft.

Nun so were wol not, das ich jetzund ouch schrybe vom eelichen stand, diewyl es aber ein langer handel ist, ich zyt und muß jetz ze mol nitt hab, wil ich dir zu dienst hie ein copy anschryben deß, das ich vor anderthalbem jar uß anforderung und bitt zugeschryben hab herren hoffmeister ze Künigsfelden 420 in den 127. [128.]Psalmen 421 , eben ||19v. zuo der zyt, als ich ettlichen frowen antwurtet, ob man fry möchte das klooster verlassen. 422 . Hast vilicht ouch der selben geschrift ein copy geläsen frow Justitien 423 zugeschickt.

408 Stufen, Grad.
409 der Unterschied, womit die Jungfrauschaft höher ist, ... nicht besonders groß ist.
410 fest und unabgelenkt.
411 Siehe S. 137, Anm. 226.
412 hinzielen (SI III 1308).
413 es steht euch anheim (SI XI 701).
414 abzieht.
415 kannst.
416 hindern.
417 lehrten.
418 Da sorg!
419 gedämmt.
420 Bendicht Mattstetter (s. oben S. 66, Anm. 167); nicht Marx Rosen! (s. oben S. 571, Anm. 1). -Über das Kloster Königsfelden: oben S. 66, Anm. 166.
421 Das Titelblatt der Schrift s. oben S. 66, Anm. d. Die hier folgende Auslegung von Ps 128 ist mit dem Brief an Marx Rosen nicht identisch (s. oben S. 57 f, Anm. 1).
422 Aus diesem Satz könnte man darauf schließen, daß Bullinger neben der Auslegung gleichzeitig noch ein anderes Schreiben nach Königsfelden geschickt hat, vielleicht einen Begleitbrief zu seiner Auslegung, in welchem er auf das Problem der Nonnen direkt einging.
423 Justitia Moser (s. oben S. 141, Anm. 297). —Bullinger rechnete also damit, daß seine Schrift auch im Kloster Oetenbach in Zürich nicht unbekannt war. Daß er selbst ein Exemplar Justitia Moser zugeschickt hätte, wie Theodor von Liebenau, Geschichte des Klosters Königsfelden, in: Katholische Schweizer-Blätter für Kirchengeschichte, hg. im historischen Theil der Katholischen Schweizerblätter für christliche Wissenschaft und Kunst, Jg. 10, 1868, S. 121 meint, ist nicht erwiesen (vgl. Staedtke 271).


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Kurtze d usslegung des 127. Psalmen e :

Wie wol der 127. Psalm gheinen tittel hat, darinn man erlerne, welcher prophet inn geschryben habe, so ist doch die art und der geist, ouch all eigenschafften Davids daa, daß ich achten 424 , David der künig habe inn beschryben 425 .

Summa deß Psalmen ist dise: der prophet singt die glückseligheit eines yeden gotsförchtigen menschen, wie inn gott nitt verlasse, sunder mitt allem guten überschütte.

Jetzund f lut 426 der Psalm also g 427 :
«Wol dem, der den herren fürchtet und uff sinen wägen || 20r. wandlet!
So du die arbeit diner henden essen wirst, wol dir, gar gut dir!
Din wyb wirt sin wie ein fruchtbare wynräb in dines huses wenden.
Dine kinder wie die ölzwyg umb den tisch harumm.
Sich, daß also der man beraten 428 wirt, der den herren fürcht.
Der herr von Zion wirt dich beraaten, daß du Hierusalem sähen wirst in
gutem alle tag dines läbens.

Und sähist dine kins kinder. Frid über Izrael 429 !»

Hie mustu nitt achten, ob du nitt grad alle wort deß Psalmen also findst inn truckten 430 disen glich ston. Wann wie ich in der Epistel zuon Corintheren von der jungfrowschafft mich geflyssen 431 hab, daß ich es eigentlich 432 uß dem griegschen, in welcher spraach Paulus ||20v. geschryben hat, vertolmetschete, also bin ich hie dem hebreischen gevolget, dann David hebreisch geschryben hat, und gheiner weder latin noch tütsch 433 . Jetzund aber wöllend wir einen verß nach dem anderen usslegen.

«Wol einem yeden, der den herren furchtet und uff sinen wägen wandlet!» [Ps 128,1].

Das ist die summ deß gantzen Psalmen, daß der gotsförchtig von gott dem herren nitt verlassen wirt, sunder wol beraten. Hernach in den anderen versen legt er mit mee worten uß, wie inn gott werde beraten.

Was ist aber, den herren fürchten oder uff sinen wägen wandlen? Gotsforcht ist nitt ein pinliche sorg und erwarten eines schreckens, sunder ein hertzliche

d-e als Titel unterstrichen.
f-g unterstrichen.
424 dafür halte (SI I 80).
425 geschrieben.
426 lautet.
427 so.
428 mit dem Nötigen versehen, mit materiellen Gütern gesegnet (SI VI 1611f).
429 Bullinger unterteilt v. 3, deshalb kommt er auf eine Gesamtzahl von sieben statt sechs Abschnitten.
430 Ergänze: Büchern, Bibeln.
431 befleißigt.
432 genau.
433 Bullinger lernte in Zürich während seines Studienaufenthaltes vom 23. Juni bis 14. November 1527 Hebräisch und setzte seine bereits in Emmerich und Köln begonnenen Griechisch-Studien fort (s. HBD 11, 8-13; Blanke 23. 44). Die Übersetzung der ersten 34 Psalmen aus dem Hebräischen ins Lateinische und Deutsche mit ausführlicher Exegese ist wie dieses Schreiben 1528 entstanden (s. Staedtke 290f). Eine offenbare Folge dieser neu erworbenen Kenntnisse ist die hier gebotene Übersetzung des Textes von Ps 128, die von jener am Schluß des Briefes an Marx Rosen (oben S. 66) stark abweicht.


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liebliche sorg, daß wir gott allwäg gfallind, und ein brünnender 434 flyß, daß wir imm nützid widerigs 435 thügind: 1. loan. || 21r. 4 [18ff]. Welche ein söliche sorg und liebe zu gott tragind, die blibend und wandlend uff gottes wägen: lugend flyssig was sy gott heysse, und dem selben kummend sy nach, achtend nitt was sy selbs gutduncke. Die ungotsförchtigen achtend nitt hoch, ob sy schon gott nitt gfallind, dorumb achtend sy gottes potten 436 nitt und wandlend in iren wägen, thund was sy gut dunckt. Byspyl. Es stat geschryben: «Flühend die unchüyschheit und heyligend üwere lichnam» 437 , 1. Corinth. 6 [18]; 1. Thessalo. 4 [3]. Das hört der gotsförchtig, sicht gottes willen, hept von stund an uff 438 und gadt 439 in disen wäg gottes, haftet jungfrowschafft, oder aber vereelichet sich, unangesähen 440 , ob schon ettwas trübsals vorhanden; dann er sicht, daß das der wäg gottes ist, sin gheyß und gepott, es koste was es welle. Aber der ungotsförchtig hört das gheyß gottes ouch, thuts ||21v. aber dorumb nitt, dann er wandlet nitt uff gottes, sunder sinen wägen, und dunckt inn gut sin, der sachen müssig ze gon 441 und unruw nitt uff den halß ze laden; so doch ein guts lähen besser sye dann ein böses eygen 442 . Wie aber yhene vom herren gesägnet werdent, also werdent dise geplaget mitt plindtheyt, unzucht, verruchty 443 , schand, laster und ze letst mitt dem ewigen todt; dorumb inen hie lieber xin 444 ist ein kurtze zytliche fröud und ruw, - wie wol ouch die selb nitt vast 445 rüwig - dann die ewig seligheyt.

«So du die arbeyt diner henden essen wirst, wol dir, gar gut dir!» [Ps 128,2].

Der ungotsförchtig tringt 446 nun uff grooß huffen gwunnens 447 gut, dorumb sy nitt dörffind 448 vil not ze tragen 449 . Der gotsförchtig aber hat ein lust und fröud an dem gut, das er selbst gewünt mitt gott (oder h ouch mitt eeren ereerpt i ), dann er wol weist 450 , daß gott und glück dar- 22r. by ist. Und in der arbeyt der henden wirt ghein andere eerbere hantyerung ussgeschlossen: nitt der füssen, nitt deß verstands. Wann man nitt alein die grooben arbeyten haben muß, die mitt henden beschähend, als burenwerck, handtwerck, sunder ouch die regierend und fürrend. Das alles sicht man wol in Paulo, 1. Corinth. 12. cap. [12ff], wie mancherley empter sind und daß «ein arbeyter sines lhons wertt ist» [1 Tim 5,18; Lk 10,7]. Das ist aber lasterlich, wellen ander lüten überlägen sin 451 , uß ander lüten gut läben

h-i von oder bis ereerpt aRvB nachgetragen.
434 brennender.
435 Zuwideres.
436 Gebote.
437 Leiber.
438 hält ein (SI II 895).
439 geht.
440 ohne Rücksicht darauf.
441 sich nicht auf die Sache einlassen (SI IV 498).
442 da doch ein gutes Lehen, eine sorgenlose Pacht besser sei als belastender Eigenbesitz.
443 Ruchlosigkeit.
444 gewesen.
445 sehr.
446 dringt.
447 gewonnenes.
448 bedürfen.
449 um das sie sich nicht viel abzumühen brauchen.
450 weiß.
451 zur Last fallen.


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und ghein gmein ampt haben, ouch nützid nützen, als byshar das münchenthumb und ein teyl deß üppigen adels, und zuo unseren zyten die töuffer.

Welcher nun ein recht gotsförchtiger ist, der lugt, daß er werche und sin ampt flyssig versorge, darzu er von gott verordnet und von menschen gesetzt ist. Hat gheinen schühen 452 , daß imm ettwas ||22v. presten 453 werde, dann der gott, der allmechtig ist und nitt liegen 454 mag, der spricht: «Wol dir, gar gut dir» [Ps 128,2], ja k er welle imm sin arbeit wol erschiessen 455 lassen l , und Mathei am 6: «Uwer vatter weist was ir bedörffend, ee dann ir m inn bittind. Oder wer ist under üch, der sich einer eln lang machen mög, und ob er schon vil sorget? Worumb sorgend ir dann für spyß oder kleydung? Der mornnerig tag wirt sich wol selbs begon 456 . Es ist gnug, daß ein yeder tag sin besondere arbeyt und müy hat» [Mt 6,8; 27 f; 34]. Als sölte er sprechen: du darfst 457 nitt erst vil sorgens und gnagens 458 darzuo, nitt mee dann lug 459 , daß du arbeytist; gott wirts wol ordnen. Der selb hat ouch ee und wir geschaffen wurdint verordnet in anfang, weß wir geläben wurdint 460 . Er ists, der alle gschöppfften erhallt 461 und spyst: Psalmo 103 [104] und 137 [138]. Besäch man 462 das byspyl deß gotsförchtigen Jacobs imm Ersten Buch Mosy am 29., ||23r. 30. und 31. cap. Der hat nützid dann sinen eignen lib, weder ligends noch faarends gut, er dienet aber und arbeytet mitt trüwen, und ward mitt der zyt uß der massen rych 463 . Wir könnend nitt innet 464 3 tagen landsherren werden. Thobias spricht zu sinem son, Thobie am 4. cap. [23]: «Fürcht dir nitt, min sun, wir müssend hie ettwan in armut läben, denocht werden wir vil gütern haben, alein wan wir den herren fürchtind, uns hütend vor der sünd und recht thund.» Item Psal. 33 [Ps 34,9-11]: «Sehend, wie früntlich der herr ist. Wol dem, der uff inn vertruwt! Fürchtend inn, sine heyligen; dann die inn fürchtend, habend gheinen mangel. Die rychen müssend not lyden und hunger haben, aber die den herren suchend, habend gheinen mangel an einicherley 465 gütern.» Item Psal. 111 [Ps 112,1-3]: «Wol dem, der den herren fürcht, ||23v. der groossen lust an sinen gepotten hat! Deß kinder werdent gwaltig sin uff erdenn, dem gschlecht der uffrechten wirt es wol gon, Rychtumb und die völle 466 wirt in sinem huß sin, und sin grechtigheit bliben in ewigheit.» Item S. Paulus zun Hebreeren amin 13. cap. [5f]: «Üwer hendel söllend sin one gyt 467 söllend üch an

k-l von ja bis lassen aRvB nachgetragen.
m vor ir drei unleserliche Wörter gestrichen.
452 Furcht (SI VIII 122).
453 fehlen.
454 lügen.
455 gedeihen (SI VIII 1390).
456 sich selbst den Lebensunterhalt verdienen (SI II 32).
457 bedarfst.
458 Nagens, im Gewissen bzw. in Gedanken (SI IV 696).
459 sieh zu.
460 auf welche Weise wir leben würden; vgl. Jer 1,5.
461 erhält.
462 Besehe man.
463 Vgl. dazu Bullingers Ausführungen oben S. 61,1ff, auch Anm. 70.
464 innerhalb.
465 irgendwelchen.
466 Fülle.
467 Geiz.


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dem lassen vernügen 468 , das ir habend; dann der herr hat gesagt: <Ich wil dich nitt verlassen, noch versumen>469 [Dtn 31,6], also das wir jetzund fry sagen mögend: <Der herr ist min helfer, und ich wil nitt sorgen, daß mir ein mensch ützid thüge» [Ps 118,6].

Das sind alles starck und häll verheyssungen gottes. Gloubstu nun und bist gotsförchtig, wol dir, so hast grosse ruw, und wirt dir wol gon! Gloubstu es nitt, denocht wirt er sich nitt lougnen 470 gegen sinen glöubigenn 471 ; dann ee müste hymel und erden zamen fallen, ee dann ein buchstab viele von gottes wort ||24r. und nitt waar wurde [Mt 5, 18; 24,35]. Du aber wirst in unruw und hartseligheyt 472 blyben, wirt dich nieneran 473 benügen 474 , wirst also in mitten dines golds die grösten armut lyden. Dann es spricht der wyse Solomon in Sprüchen am 10. cap. [22]: «Der sägen oder die fry gaab deß herren macht rych, one unruw.» Und am 15. cap. [169: «Wenig guts mitt der forcht gottes ist besser dann ein grosser schatz mitt böser gwüssne, und ist vil besser ein schüsslen mitt muß one unruw, dann ein gmesteter ochs mitt unruw» etc. Christus spricht Math. am 6. cap. [33]: «Zum ersten suchend das rych gottes, und demnach wirt üch das ander huffecht 475 zufallen.»

Es wirt ouch hie gar gheinen rymen 476 haben, daß du vermeinnen wöllist, gott werde dir geben, daß du müssig gangist und imm luder ligist, oder alle spyl ushalten, alle wirtswend 477 beschyssen 478 , all nacht durchwachen und wulen 479 wellist mitt aller liechtfertigheyt, ||24v. mitt dantzen, rennen 480 , huren, eebrechen und zutrincken. Da wirt gar nützid uß 481 . Also schlecht gern das gut uß, das junge lüt under handen habend und schon gwunnen ist, daß sy vermeinend, es bedörffe gheiner sorg. Da bricht der man daussen 482 die krüg und hefen 483 , und lyst das wyb diewyl daheymen die scherben uff. Da ist dann ghein gott, ghein eer, ghein zucht, ghein frucht, ghein ruw, ghein lieb, sunder haß, tüfel, gifft, gaall, schlahen, schelcken 484 , kratzen und schenden. Daby verdirpt lib, eer, seel und gut; ist nitt ein menschlich, sunder tüfelsch läben. Wo es recht soll zugon, da muß gotsforcht, sorg und arbeyt sin, — wie der prophet 485 hie heyter usstruckt.

Man kan ouch hieruß ermessen, was deß rechten gotsförchtigen eemans pflicht sye. Die: arbeyten, sorgtragen, das huß versähen, alles verordnen, nützid ze unnutz verthun, demnach ouch das wyb früntlich underrychten, wie sy 25r. yeden dingen thun müsse; wann wie man niemands dann alein dem hyrten die schuld

468 begnügen (SI IV 701).
469 vernachlässigen (SI VII 964).
470 verleugnen.
471 Vgl. 2 Tim 2,13.
472 Elend (Grimm IV/II 519).
473 mit nichts (SI IV 762).
474 begnügen.
475 haufenweise.
476 Reim.
477 Wirtshauswände.
478 auch: besudeln.
479 lärmen, toben.
480 Gemeint ist wohl: Wettrennen, Pferderennen u. ä.
481 daraus.
482 da draußen, auswärts.
483 (irdene) Töpfe.
484 schelten.
485 Bullinger meint den Psalmisten, der nach seiner Meinung David war (s. oben S. 167,4).


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geben kan, wann das schaff unradtlich 486 ist und rüdig 487 , also ists deß mans schuld, wann das wyb nützid kan. Er ist iro houpt, sol sy züchtigen. Da muß man by zyten und by der jugend eigentlich in das spyl sähen 488 ; wann so das alter kumpt, und man dann erst sicht, daß man verfaaren 489 , ist demnoch ghein hoffnung der besserung. Demnach soll der man das wyb in eeren halten, iren vorgeben 490 als einem schwachen gschirr 491 , sol ir behilflich sin, sy lieb und werd halten, ja sy nitt minder lieben, dann sich selbs, mitt iren alle ding gmeinn haben, in kranckeyt mitt iren truren, sy in widermut 492 trösten, also mitt vernunfft by iren lieblich 493 und früntlich whonen. Also hat uns S. Peter geleert 1. Petri 3 [7] und Paulus Ephe. 5. cap. [25ff]. Das thund nun die gotsförchtigen, die unsinnigen hachen 494 aber sprechend: Sy muß mir dienen, ich ||25v. seche sy nitt an 495 , was wolt ich iren sust deß unflaats 496 ; man muß sy nitt ze meisterloß zühen 497 , den bengel 498 herfür suchen 499 und gen Knüttlingen fürren 500 etc. Wiewol ouch ettliche böse wyber sind, die grosser hut und straff bedörffend; die söllend aber beschähen 501 mitt vernunft zur besserung. Doch wirt jetzund ouch von wybren volgen.

«Din wyb wirt sin wie ein fruchtbare wynräb in dines huses wenden» [Ps 128,3].

Diß ist der ander sägen eines frommen gotsförchtigen mans, daß imm gott der herr ein fin tätig huslich 502 wyb zuschaffet 503 , und verglichet der prophet ein eerlich ratlych 504 wyb einem fruchtbaren wynstock, ja einer räblouben 505 vor einem huß; die sind gwhonlich fruchtbarer und schöner dann ander räben. Also daß deß propheten 506 506 meinung ist: gott wirt dem gotsförchtigen ein sölich wyb zustellen, das glich wie ein räb vollen truben hang-||26r. get und lieblich ist anzustellen; also wirt das wyb flyssig zesamen halten und ein hübsch gut samlen.

Das sähend wir jetzt zu unseren zyten, daß kurtzumb 507 die husseeren 508 nützid söllend 509 , darinnen nitt hantliche 510 dappffere 511 wyber sind. Der man bringe ze

486 unreinlich, unsauber (SI VI 1617f).
487 räudig.
488 dazusehen (vgl. SI VII 526; X 122).
489 in die Irre gefahren, auf dem falschen Weg gewesen ist (SI I 898).
490 freundlich entgegenkommen (SI II 89).
491 Gefäß.
492 Unmut, Schwermut (SI IV 585).
493 liebevoll.
494 Burschen, Kerle (SI II 968).
495 nehme keine Rücksicht auf sie (SI VII 554).
496 Als Schimpfwort auch auf Menschen angewandt (SI I 1226).
497 meisterlos erziehen.
498 Knüppel (SI IV 1370).
499 hervorsuchen.
500 nach Knüttlingen (fingierter Ortsname) führen, d. h. mit dem Knotenstock prügeln.
501 geschehen.
502 sparsam.
503 verschafft (SI VIII 342).
504 reinlich, ordnungsliebend, haushälterisch.
505 Weinlaube.
506 nämlich des Psalmisten.
507 durchaus.
508 Hauswesen, Haushaltungen (SI I 393).
509 nichts nutzen, taugen, wert sind (SI VII 771).
510 geschickte (SI II 1404).
511 tüchtige, rechtschaffene (SI XIII 970).


Briefe_Vol_01-172arpa

eeren wie vil er welle, ist das wyb versoffen, unradtlich, unkönnend, so ists alles verloren; wann es vil grösser ist, zamen bhalten und recht können bruchen, dann gewünnen. Doch mag ein man, der rechtsinnig 515 ist, vil ze wägen bringen, und ein gehorsam gfölgig wyb vil schaffen, also daß eins dem anderen loost 513 , volgt, hilft, straaff 514 annimpt. Wo aber yetlichs sin wäg wil und ghein vernunfft, «da sucht man», als man spricht, «die guggerlen 515 , und findt zeletzt ein leren haaffen» 516 .

Solomon schript in sinen Sprüchen am 31. cap. von dappfferen gotsförchtigen wybren also: ||26v. «Welcher ein frommes wyb finden könte, die selb wer kostlicher dann ghein edel gestein. Das hertz iren mans last 518 sich uff sy, und am husradt wirt ghein mangel sin. Sy handlet 519 wullis 520 und lynis 521 , und hat lust, ir werch ze triben 522 , und ist glich eines kouffherren schiff, das von wytnuß 523 har sin brot bringt. Sy stot ze nacht uff und bereytet dem hussgsind spyß und den diensten 524 iren lhoon. Sy empfindt, wie nutzlich iro handtyerung ist, dorumb sitzt sy ettwan gantz nächt durch. Leyt ir hand and kuncklen 525 und treygt 526 die spyllen 527 . Gipt den armen und ist behülfflich den dürftigen 528 . Iren mund thut sy wyslich uff, und süß, ouch holdselig ist iro red» etc. [Spr 31, 10f. 13-15. 18-20.26]. Dorumb spricht der selbig wys man: «Welcher da nimpt ein eewyb, der thut ein guts, und wirt wollust 529 empfahen von dem herren», Proverb. 18 [22].

Man kan ouch hieruß ermessen, was deß wybs pflicht II 27r. sye, namlich trüw und liebe am man halten, husslich, sorgsamm und radtlich sin, den man nitt mitt bösen worten überschütten, fetzen 530 , käderschen 531 , bläyen 532 , holtz bocken 533 und unfrüntlich, unvernünfftig sin, sunder n lieblich, frölich und hertzlich sin, dem man in allem rechten und eerbaren gfölgig, dann der man von gott zum herren gsetzt ist, nitt das wyb. Dorumb S. Paulus spricht: «Ir wyber, sind underthon üweren mannen» [Eph 5,22]. Doch söllend ouch die man nitt desse vergessen, das hinnach volget: «Ir man, liebend üwere wyber und sind nitt bitter gegen

n ein zweites sunder gestrichen.
512 verständig (SI VII 1072).
513 eins auf das andere hört.
514 Tadel, Zurechtweisung (SI XI 2059).
515 «ein Gebäck mit wenig Birnen oder Äpfeln» (SI II 178).
516 Vgl. Kirchhofer 278.
517 kostbarer.
518 verläßt.
519 zubereitet, bearbeitet (SI II 1401).
520 Wollenes, Wollzeug.
521 Leinenes, Leinenzeug.
522 ihre Arbeit zu tun.
523 von weitem (Grimm XIV/I, 1, 1307).
524 Dienstboten (SI XIII 765).
525 an den Spinnrocken (SI III 364).
526 dreht.
527 Spindel (SI X 329).
528 Bedürftigen.
529 Freude, Gunst.
530 plagen (SI I 1150).
531 keifen, zanken (SI III 147).
532 schmollen, zürnen, sich aufblähen, prahlen (SI V 51).
533 steif, störrisch sein (vgl. SI IV 1130).


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inen» [Eph 5,25; Kol 3, 19]. Das wyb sol ouch züchtig sin, demütig, dultig 534 , soll kinder erzühen 535 , so iren die gott gipt. Darvon läsend 1. Timotheum 2 [8ff] und 1. Petri 3 [1ff]. Ist also deß wybs pflicht, daß sy ghorsam, fromm, huslich und früntlich sye, in glouben, liebe und unschuld mitt züchten wandle.

||27v. Die trübsal, so in der ee, ist ouch nienan also grusam als man macht; wann thut man imm recht, so ist imm recht. Wo vernünfftig lüt sind, werdents nitt vil zangs, spans 536 oder trübsals haben. Wo aber jugendt ist, unvernunfft und wenig gotsforcht, darf nun niemands dencken, daß daa die hell nitt sye; sy leydent 537 und pingend 538 ein anderen selbs, und wann inen dann ettwas trübsal von gott uffgeleyt wirt, erckendens 539 sy es nitt, sind unlydig 540 und habend die hellschen unruw. Wo aber gläubig lüt sind, thund einanderen das inen lieb ist. Leyt 541 dann gott ettwas trübsals uff sy, so erckennend sy es, sind dultig, helfend einanderen die burde tragen; so doch under den ungotsförchtigen yedes den unfaal 542 vom anderen haben wil 543 . So wüssend die frommen, ob sy schon in ettwas trübsal sind, daß es also sin muß, also von gott geordnet ist, und sy imm willen gots läbind. Das ||28r. bringt nun inen ein sölichen trost, daß sy mitt zevil leyds nitt mögend 544 überfallen werden.

«Dine kinder wie die ölzwyg umb dinen tisch harumb» [Ps 128,3].

Das ist der tritt sägen eines frommen gotsförchtigen mans: gott wil imm züchtige schöne kind geben. Es ist aber das ölzwyg schön anzusähen, gar gut ze biegen und zühen, ouch voller frucht. Dorumb verglicht er imm die kinder, die hübsch sin werdent, sanfftmüt 545 , gut zu zyhen, und umb deren willen gott den elteren ettwan grosse rychtumb zu sendet. Das ist nun ein grosser sägen und ein selig ding, ja ein göttlicher, lieblicher, fröudenrycher trost, anesähen 546 din eigen fleisch und blut also schön und züchtig, ja wolgezogen vor dir herumb gon und früntlich gen dir sin, ouch ein zyer und lob des allmechtigen gottes. Das habend die alten gewüst, und dorumb für unloblich gehept 547 , ||28v. one kinder sin. Liß imm Ersten Buch Samuelis am 1. cap. [1ff], wie sich Anna also übel geheb 548 etc. Und Christus spricht: «Lassend die kindlin zu mir kummen, dann iren ist das rych gottes» [Mt 19,14]; und unsere münchen und nunnen habend ein sölichen grewel ab kinden gehept, sind doch nitt wert xin 549 , daß sy söltind deß verachtesten schwinhyrten kind in die arm nemmen. 550 Es ist ein edler schatz, ein gaab gottes, darby grooß glück und heyl ist.

534 geduldig.
535 erziehen.
536 Streit.
537 tun zu Leide.
538 peinigen.
539 erkennen.
540 ungeduldig.
541 legt.
542 Unglück.
543 dem andern zuschreibt.
544 können.
545 sanftmütig.
546 anzusehen.
547 für unlöblich gehalten.
548 so sehr darunter litt (SI II 912).
549 gewesen.
550 Ähnlich Luther, Vom ehelichen Leben, 1522 (WA X/2 297, 10-13).


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Es wirt ouch hierinn das kinderzühen vergriffen 551 , von dem ich besonders ein buch geschryben hab 552 , und hie ze lang were eigentlich 553 ze leeren. Je inn summa lygt das höchst hieran und dorumb man gott eigentlich muß rechnung geben 554 . Man muß hie die wysheyt wol gebruchen und ernsthafft sin, daß man sy zuo deß gottes erckantnuß fürre, in welches kraafft, troost und testament sy getoufft sind, daß sy züchtig, wolkonnend 555 , fromm gots- 29r. || förchtig biderblüt 556 werdint. Und das wirt ouch das beste erb sin, das du inen hinder dir laassen 557 kanst: leer sy bezyt 558 ouch gwünnen 559 , daß sy inen selbs gwünnind und me von inen selbs dann dir läbind, so werdents ernsthafft, dappfer 560 , herrlich lüt. Erzüchst sy aber in wollust, sind sy liebharten 561 , weerst inen nützid und leerst sy nüt, last dann inen schon grosse rychtumb, so ists nienerfür 562 ; es sind buben und blibend buben 563 , sind one boden, verthätind gantze küngrych, erlept man an inen weder eer noch zucht. Von sölichen lüten begert David erlöst werden und spricht imm 16. Psalmen [Ps 17,14]: «Herr, erlöß mich von den lüten dises läbens, welche iren lhon habend in irem läben, welchen du den buch 564 füllst, die da vil fründen und kinder habend, und lassend das überig den erben» etc. Hastu dann schon grosse rychtumb, denocht leer sy recht ||29v. thun und wercken, damitt sy nach dinem abscheyd ryche lüt werdint, wie Paulus von rychen redt 1. Timothe. 6. cap. [6ff].

Stirpstu dann glich von dinen jungen kinden 565 , so lept doch gott noch. Der selbig ist din gott xin, er wirt ouch der kinden gott sin, und so vil mee, so vil sy me hilf bedörffend. Kurtz, ein recht gotsförchtiger truwt 566 stiff 567 in den läbenden gott und weißt, daß heyter 568 geschryben stat: «Ich bin jung xin und allt worden, hab doch nie den frommen verlassen gsähen, noch sine kinder gen bettlen gon» [Ps 37,25]. Die gottlosen gyttrappen 569 vertruwend gott nitt, bruchend yemerdar fürwytz, und habend doch mee armut und ire kinder eilend, dann der gotsförchtigen. Dann also straafft gott den unglouben.

«Sich, daß also der man beraten 570 wirt, der den herren fürcht» [Ps 128,4].

551 eingeschlossen.
552 Ein eigenes Werk über Kindererziehung hat Bullinger bis zu dieser Zeit laut Schriftenverzeichnis (HBD 13-16) nicht verfaßt. Schon 1527 bemerkte er aber in seiner «Volkommne[n] underrichtung ...» (s. Anm. 356), Bl. 117r., daß er bald etwas darüber schreiben wolle. Obwohl er das Thema in dieser Schrift ausführlich behandelt (Bl. 104r. -128v.), will er hier vielleicht eher auf jenes später anscheinend verlorene und auch von ihm selbst nicht mehr erwähnte Werk hinweisen.
353 genau, eingehend.
554 Rechenschaft ablegen.
555 geschickt, gewandt.
556 biedere Leute.
557 zurücklassen.
558 beizeiten.
558 verdienen.
560 tüchtig, wacker, rechtschaffen.
561 Lieblinge, Günstlinge (SI II 1644).
562 für nichts, zu nichts (SI I 966).
563 charakterlose Menschen, Lumpen (SI IV 927).
564 Bauch.
565 Ergänze: weg.
566 vertraut.
567 fest.
568 klar.
569 «Geizraben», geizige Menschen (SI VI 1172).
570 versehen.


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Zum anderen mol sagt ers ||30r. jetzund, daß man wüsse, daß es gwüß sye, ja daß gott die gotsförchtigen also beradten wölle und nimer verlassen. Ja merck eigentlich: nitt einem yeden glichsner 571 , klapperer 572 wil er beraaten, sunder den gotsförchtigen. Das ist nun allen gläubigen zuogesagt von dem warhafften gott, dorumb niemands zwifflen sol. Exemplen sind: Abraham, der uß sim vatterland must und nützid hat, darzuo nitt wust, wo hin, und doch wyb und ein grooß husgsind hat, ward aber vom herren rych gmacht 573 . Jacob zog über den Jordan, hat nüt dann ein stecken, was aber gotsförchtig, und kamm über 574 zwentig jor mitt wyb, kinden, knechten und unsaglicher 575 575 rychtumb wyder 576 . Joseph ward gfengcklich in Aegypten gfürt, und ward in kurtzen jaren zum obristen 577 houpt 578 . David was ein armer schaaffhirt, was aber gotsförchtig, und ward ||30v. künig in Izrael 579 . — Diß ist uns zum vorbild und exempel geschryben. Zu unseren zyten habend wir gsähen hort rych 580 lüt in einem ougenblick verderben 581 , dorumb sy ungrecht warend, dargegen arme lüt, doch gotsförchtig, in rychtumb kummen. Also schickt es gott, und thut sinem wort statt 582 .

«Der herr von Zion wirt dich beraaten, daß du Hierusalem in gutem sähen wirst alle tag dines läbens» [Ps 128,5].

Zum tritten mal verheyst er jetzund und setzt hin zuo: «Der herr von Zion», nempt 583 dem man, der sölichs thunn werde. Samm 584 er sprechen sölte: Hie soll niemands gheinen zwyfel haben; was der gott zu sagt, das hallt er. Er ist der herr und gott von Sion, der aller dingen schöppffer und herr ist, alles vermag, der so wunderbarliche unglaubliche werck mitt Hierusalem gewürckt hat. Dorumb er das alles liecht-||31r. leysten mag 585 ; was er zusagt, wirts ouch gwüsslich thun, so gwüss und warhafft er in Zion xin ist etc. Was ist aber «Hierusalem in gutem sähen»? Hierusalem ist gewäsen die namhafftest, herrlichest, rychest statt uff erden, also daß jetzund die Hierusalem in gutem sähend, die begnadet werdent, beschirmpt und gefürt mitt unussprächenlicher trüw und sorg, wie Hierusalem. Darzuo setzt er: «alle tag dines läbens». Dorumb wir nitt söllend weder alter noch kranckeyt entsitzen 586 . Sind wir gotsförchtig, wirt uns gott unser läben lang nitt lassen 587 ; und das ist gwüß.

«Und sähist dine kindskinder. Fryd über Izrael!» [Ps 128,6].

Habend die gotsförchtigen schon ettwas trübsals, sich 588 , so sind sy doch nitt one grosse eer und fröud. Sy werdent irer kinder in gott und eer wol er-||31v. fröwt,

571 Heuchler (SI II 604).
572 Schwätzer, Plauderer (SI III 664).
573 Vgl. Gen 12,1ff; 13,2; Apg 7,2ff; Hebr 11,8ff.
574 nach.
575 unsagbarem.
576 Vgl. Gen 30,43; s. auch oben S. 61, Anm. 70.
577 obersten.
578 Vgl. Gen 41,40f.
579 Vgl. I Sam 16,11-13; 2 Sam 2,9.
580 steinreiche.
581 verarmen (SI XIII 1426).
582 erfüllt sein Wort.
583 nennt.
584 Als ob.
585 kann.
586 fürchten (SI VII 1761).
587 verlassen.
588 sieh.


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sind rüwig und imm fryden, fröwend sich in gott, läbend lang, sind gar glückhafftig. Aber die ungotsförchtigen dorrend uß 589 , habend niemer lieb, noch rechte fröud, erläbend an iren kinden schand, laster und leyd. Dann unser gott ein rechter gott ist: welcher uff inn nitt vertruwt, der o ___schon [?] umb; welcher aber uff inn vertruwt, der wirt nimmerme zu schanden, wann er das einig vollkommen unbetrogen gut 590 ist in Jesu Christo unserem herren. Dem sye lob in ewigheyt.

Das ist die underrycht von wyblicher zucht und wie ein fromme dochter iren wandel und wäsen fürren sölle. Welcher so du volgst, bin ich guter hoffnung, du werdist vor gott und der wellt sin eer haben und din wyb- ||32r. liche zucht schön erhalten. Habs alles in einer yl 591 geschryben innet anderthalben tag in grosser unmuß 592 . Dorumb ich bitt, daß du alle ding wol beradten wöllist 593 , dann was das ist, ist es dir zu gutem nutz und eer williglich und grossem gunst geschryben.

Die gnad gottes sye mitt dir p .

o Das Verb wurde durch Abklatsch der Tilgung der Schlußzeile auf der gegenüberliegenden Seite bis zur Unleserlichkeit verschmiert.
p Die folgende Schlußzeile wurde getilgt.
589 werden ganz dürr, trocknen aus (SI XIII 1260).
590 Siehe oben Anm. 25.
591 Eile.
592 Mangel an Muße.
593 überlegen wollest.