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Autograph: Zürich StA, E II 366, 34 (Siegelspur) Druck: Boehmer, Dryander 414-416, Nr. 28; Druck und spanische Übersetzung: Enzinas BW 234-23 8, Nr. 31; Teildruck: CO XII 518f, Nr. 904
[J]Enzinas konnte eine Zeitlang nicht schreiben, weil er die vergangene Woche 1 wegen einer
sehr ärgerlichen Angelegenheit 2 in Straßburg verbrachte, als gäbe es nicht schon genügend
Streit auf dieser Weit! Er hätte Bullinger vieles über seine privaten Sorgen und über die
verworrene politische Lage mitzuteilen. So Gott will, wird er sich bald darüber persönlich mit
Bullinger unterhalten! 3 -[2]Hier will er nur Folgendes ansprechen: In Basel befindet sich zur
Zeit ein "Belgier"4 namens Valérand [Poullain]5 , ein leichtfertiger und hinterlistiger Mensch.Briefe_Vol_20-191 arpa
Er hat mit einer schlimmen Affäre ganz Basel in Aufruhr versetzt. Die angesehensten Männer
in Basel (wie Oswald Myconius und der Bürgermeister 6 ) und in Straßburg (wie Martin Bucer
oder Peter Martyr Vermigli) kennen ihn unterdessen. Er war von Jacques de Bourgogne,
Herrn von Falais, beauftragt worden, ein adliges Mädchen 7 aus "Belgien" nach Basel zu
bringen. Als sie während der gefährlichen Reise völlig auf ihn angewiesen war und bei niemand
anderem Rat holen konnte, hat er sie mit schönen Worten bezirzt. Jetzt schändet er ihren
Ruf mit falschen Aussagen! Schuld an dem ganzen Trubel ist sein verdorbenes Wesen wie auch
der nun in Zürich lebende Engländer [John Hooper], der Poullain schon zu Beginn der Affäre
den Kopf völlig verdreht hat. -[3]Sollte Poullain also nach Zürich kommen, dann seien die
Zürcher vor ihm und seinen Kungeleien gewarnt! Er ist geschwätzig, geistig gewandt und
imstande, unvorsichtige Menschen zu blenden. Hätte der Briefbote [...] noch warten können,
würde Myconius Poullain noch treffender ais Enzinas beschreiben. Myconius sagt oft in Bezug
auf Poullain, dass er niemals ein Christ geworden wäre, wenn Christen solche unsteten Wirrköpfe
wie dieser sein müssten! -[4]Bei Enzinas' Empfehlungsschreiben für Hooper [HBBW
XIX, Nr. 2861] ist Folgendes zu beachten: Enzinas hat darin nur die Glaubensauffassungen
Hoopers gelobt. Über dessen Lebensweise hat er sich nicht geäußert. In Zusammenhang mit
der genannten Affäre wurde es ihm nämlich immer klarer, dass Hooper nicht so integer ist wie
angenommen (während der Lebenswandel von dessen Frau [Anne t'Serclaes]ganz im Gegenteil
nur Ruhm verdient!). Genug aber davon. Mehr dazu mündlich. - [5] Enzinas schickt
hiermit die "[Christliche, rechtmessige und bestendige]Appellation [und Protestation]" (les
[abgesetzten]Kölner Erzbischofs Hermann von Wied 9 . Er erhielt sie von Peter Medmann, der
Bullinger grüßen lässt und unterdessen vielleicht schon in Straßburg ist. Der Erzbischof wurde
abgesetzt. Der Administrator [Adolf III. von Schaumburg]stiftet nur Unruhe. 10 Enzinas wird
Bullinger etwas sehr Bemerkenswertes über den betagten Erzbischof 11 erzählen. -[6]Gruß.