Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2655]

Ambrosius Blarer
an Bullinger
[Griesenberg,
3. November 1546]

Autograph: Zürich StA, E II 357a, 714 (Siegel)

Teildruck und zusammenfassende Ubersetzung: Blarer BW II 530, Nr. 1367

[1]Hier sind nun wieder die vor kurzem [mit Brief Nr. 2644]empfohlenen, vielversprechenden Jünglinge [Johannes von Ulm und Augustin ...]. Bullingers liebenswerter Brief [nicht erhalten] macht eine erneute Empfehlung durch Blarer, seinen Bruder [Thomas] und den Cousin [Konrad Zwick] völlig überflüssig! Blarer schreibt aus Griesenberg, das er heute spätnachts erreicht hat. Die Jungen wollen schon am frühen Morgen nach Zürich aufbrechen. Bullingers Studien- und Vorlesungsplan, den er seinem letzten Brief beigelegt hat, gefällt allen, weil dadurch die Jungen weder über- noch unterfordert werden. Bullinger, der Kostgeber [...] oder wer auch immer möchte bei Bedarf den Jungen Geld vorstrecken. Alle Ausgaben werden gewissenhaft zurückerstattet. [2] Bei Blarers Abreise aus Konstanz gab es nichts Neues außer dem Scharmützel vom Samstag oder Sonntag [30./31. Oktober], bei dem [die Schmalkaldener] trotz zunächst geringerer Anzahl die Oberhand behielten und viele Feinde töteten. Unter den Opfern befanden sich auch drei vornehm gekleidete Männer. [3] Es wird berichtet, dass Kaiser [Karl V] im Nebel [das Lager]abgebrochen habe. Sein genaues Ziel kennt man noch nicht. Er scheint nach Regensburg zu ziehen. Er hat etliches Geschütz [auf Schiffen] donauabwärts führen lassen. Bullinger wird darüber wohl schon durch den Brief des Konstanzer Rats (vom 3. November] und anderswie informiert worden sein. Auch die fremden Truppen bei Bregenz ziehen ab. Ach, wäre man bald diesen Feind los! Wo wird er denn wieder auftauchen? [4]Am 5. November kehrt Blarer nach Konstanz zurück. [5] Blarers Schwager [Heinrich von Ulm] und dessen Frau [Barbara, geb. Blarer] lassen grüßen.

(vom 3. Juli 1546) bzw. an die Bischöfe und Abte der Eidgenossenschaft (vom 11. April 1546) veröffentlicht. Diese Dokumente könnten ebenfalls von Bullinger mitgeteilt worden sein; s. dazu HBBW XVII 221, Anm. 5; 248f, Anm. 7 (in Bullingers Nachlass befindet sich die Abschrift einer deutschen Übersetzung des vom Papst an die Geistlichkeit der Eidgenossenschaft adressierten Briefes; s. Ms A 84, 371f). —Bullinger scheint eine ähnliche Veröffentlichung ins Auge gefasst zu haben. Dies geht nämlich aus einer eigenhändigen Skizze zu einem von ihm geplanten Buch über das Konzil hervor (s. Ms A 84, 255). Nach einer Einleitung zur Einberufung des Konzils sollten die fünf (nicht sechs) ersten Dekrete des Konzils, die Einladungen des Papstes an die Eidgenossen bzw. an die Geistlichkeit der Eidgenossenschaft, sowie die daraufhin entstandene Antwort der Zürcher vom 1. August 1546 (s. dazu HBBW XVI 293, Anm. 27) veröffentlicht werden. Enzinas' Publikation, in der mit Ausnahme des letzten Dokuments alle sonst von Bullinger geplanten Texte erschienen sind bzw. ihr Pendant haben, wird das Vorhaben Bullingers unnötig gemacht haben.
1 Schloss Griesenberg (Amlikon, Kt. Thurgau), s. unten Z. 7f. — Es war Wohnsitz von Blarers Schwager Heinrich von Ulm.
2 Das Datum geht hervor aus: den unten in Z. 19-28 geschilderten Ereignissen, der Anspielung auf den Brief Konstanz' vom 3. November in Z. 28-30 (s. dazu unten Anm. 10), und der Tatsache, dass Blarer in Z. 35 vom Freitag 5. November nicht als von dem morgigen Tag spricht.


Briefe_Vol_18-216arpa

En tibi, mi venerande et charissime Bullingere, adulescentes istos 3 magne omnium iudicio expectationis, quos nuper a nobis commendatos rursus commendarem, nisi tu iam tuis amantissimis literis 4 istud a mihi adeoque fratri meo 5 et consobrino 6 prorsum praeclusisses, ut iam non porro commendare, sed (quod superiorem nostram commendationem tanti feceris tamque efficacem b esse volueris) maximas tibi gratias agere merito debeamus; id quod alias diligenter fecerimus. Nam Griessenbergi, quo hodie veni ad multam noctem, ista scribo plane dormituriens, et boni adulescentes summo diluculo se abituros affirmant. In summa: Non dubitamus illos tibi filiorum loco futuros. Placet autem studiorum et lectionum istic ratio, de qua proximis literis ad me scripsisti, 7 nec dubito pro vestro in hac re iudicio ita vos omnia moderaturos, ut nec lectionum multitudine adobruantur nec paucitate sterilescant tam egregia ingenia, que mirifice rara quedam pietas ornat. Hoc quoque valde oratum te velim, ut vel tu vel bonus ille vir, qui victum suppeditabit, 8 vel alius aliquis ipsorum nomine numeret, si qua re opus illis erit, ut certe erit pluribus. Neque enim visum est illos pecunia instructos abmandare multas ob caussas. Reddentur vobis bona fide omnia, ubi primum vel uni mihi, quid ipsorum caussa impensum sit, significaveris.

Es ist gar nichts news, wie ich hutt von Costentz abgeschiden, dann das diß tag uff sampstag nechst 9 oder suntag 10 aber 11 ain scharmützel gewesen, darinn sich die unsern treffelich wol sollend gehalten haben, ob ir wol erstlich 12 vyl weniger dann der find gewesen. Sy habend vyl find erlegt. Und hat man drey fürnem und kostlich klaidt 13 gefunden under den erstochnen finden. Etlich habend sy hinweg bracht.

Item, so ist post kommen, das sich der kaiser 14 in aim nebel erhebt habe und uffbrochen seye. 15 Man waist aber noch nitt aigentlich 16 , was er im sinn

a In der Vorlage istuc. —
b Klammern ergänzt.
3 Johannes von Ulm und Augustin [...], die Blarer am 26. Oktober mit Nr. 2644 an Bullinger empfohlen hatte.
4 Nicht erhalten. — Bullinger wird diesen Brief Johannes von Ulm mitgegeben haben, zumal Letzterer auch Blarers Empfehlungsschreiben Nr. 2644 an Bullinger überbracht hatte; s. Nr. 2645,2f.
5 Thomas Blarer.
6 Konrad Zwick.
7 Im oben in Z. 3f erwähnten Brief.
8 Unbekannt.
9 uff sampstag nechst: am letzten Samstag.
10 Also am 30. oder 31. Oktober. —Richtig ist Samstag. Zum Scharmützel s. den Bericht von Heinrich Thomann an Zürich vom 31. Oktober (Zürich StA, A 177, Nr. 118). Ein weiterer Bericht vom 31. Oktober aus der landgräflichen Kanzlei zu
diesem Gefecht (aaO, Nr. 119) wurde von Konstanz mit einem Brief vom 3. November an Zürich versandt (aaO, Nr. 122).
11 abermals.
12 ob ir wol erstlich: obwohl ihrer (von ihnen) zu Beginn.
13 kostlich klaidt: kostbar Gekleidete. — Thomann erwähnt in seinem in oben Anm. 10 erwähnten Brief die Gefangennahme (nicht den Tod, wie Blarer dies hier behauptet) von drei gut gekleideten Kaiserlichen, was auch in dem in der gleichen Anm. angeführten Bericht der landgräflichen Kanzlei an Konstanz bestätigt wird.
14 Karl V.
15 Nämlich am Vormittag des Sonntags, 31. Oktober. Dies erfuhren die Konstanzer in


Briefe_Vol_18-217arpa

hat, dann das es sich ansechen lasse, er züch uff Regenspurg 17 . Hat ettlich geschütz uff der Thonauw hinab «Iren lassen, 18 aber davon werden ir schon wissen haben, dann [ir]c von minen herren 19 und sonst 20 schriben davon habt. So zücht das frornbd volck, so zu Bregetz gelegen, ouch hinweg. 21 Ach, lasst hertzlich bitten und raffen zu gott, das er unß disen find ablade 22 ! Kern er usß dem land, möcht allen sachen wol widerum gerathen 23 werden. Man gewartet all stund yetzund gewisser zytung 24 , wa 25 er den kopff hinuß streck.

Uff frytag 26 abend komm ich wider gen Costentz, wills gott. Salutant te supra modum officiose sororius meus 27 cum uxore, sorore mea 28 . Saluta tuam domum et omnes amicos.

[Ohne Unterschrift.]

[Adresse auf der Rückseite:] Incomparabili lesu Christi servo d. Heinricho Bullingero, sibi cumprimis observando longeque charissimo fratri. Tiguri.

c Textverlust durch Papierverlust.
einem Brief aus Ulm vom 1. November, von dem sie eine Kopie für Zürich anfertigten (Zürich StA, A 177, Nr. 120), die sie dem oben in Anm. 10 erwähnten Schreiben vom 3. November an Zürich beilegten. Zum verlassenen Lager des Kaisers gibt es einen von Landgraf Philipp von Hessen in Anlehnung an 2Kön 7, 5-7. 15, und Jes 37, 36, verfassten düsteren Bericht vom 2. November (aaO, Nr. 121), den der Konstanzer Rat den Zürchern mit seinem Brief vom 4. November (aaO, Nr. 124) weiterleitete (Kopie davon unter Bullingers Aufsicht in Zürich ZB, Ms A 43, 497-500). Siehe ferner Viglius van Zwichem 139.
16 genau.
17 Man vermutete, dass der Kaiser in Regensburg, Passau oder Ingolstadt überwintern würde; s. Zürich StA, A 177, Nr. 112. 120.
18 Schon am 25. und 29. Oktober (Zürich StA, A 177, Nr. 106. 110) hatte Thomann berichtet, dass der Kaiser zur Beförderung seiner Geschütze Schiffe nach Marxheim beordert habe. Der Transport
von Geschützen auf der Donau ist in zwei (für Zürich abgeschriebenen) Briefen an Konstanz vom 1. (aaO, Nr. 120 — vom Konstanzer Gesandten in Ulm) und 3. November (aaO, Nr. 123 — von einem unbekannten Absender) erwähnt.
19 Mit dem in oben Anm. 10 erwähnten Brief vom 3. November.
20 Besonders von Heinrich Thomann; s. oben Anm. 18.
21 Zu den fremden Truppen bei Bregenz s. Nr. 2626, Anm. 80; Nr. 2649,11-15; Nr. 2653,20-26.
22 disen find ablade: von diesem Feind befreie; s. SI III 1060.
23 möcht allen sachen wol widerum gerathen: wird alles wieder in Ordnung gebracht; s. SI VI 1595.
24 gewisser zytung: verbürgte Nachrichten.
25 wo.
26 5. November.
27 Heinrich von Ulm, der am 14. November verstarb; s. Nr. 2676,1-5; Nr. 2679,1-4; Blarer BW 531, Nr. 1368.
28 Barbara, geb. Blarer.