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Dietrich Bitter an
Bullinger
Köln,
12. August 1532

Autograph: Zürich StA, E II 361,98. Siegelspur. —Gedruckt: Krafft 108f

Schickt diesen Brief durch einen Kaufmann, der nach Zürich reist. Ist selbst bei guter Gesundheit. Wünscht Bullingers Johannesbriefkommentar. Sein Neffe studiert in Wittenberg und hat über den Streit zwischen Luther und den Zürchern berichtet. Eine Schrift, in der Bullinger seinen Standpunkt darlegt, will Bitter an Luther und Melanchthon senden.

Mein williger dienst myns kleynen vermoegens altzeit zofoern 1 .

Lieber Heinriche, dusser 2 myn guder frunt 3 plegt 4 bin uch zo handelen. So hait 5 er offt von myr gehoirt, wie ich eynen guten frundt daeselbs habe. Hait myr darum zogereedt, habe ich etwas hinuff 6 zo schrieben, er wills gern mit im foeren.

Wie woll ich sunders neit 7 zo schrijben weys dan van unser aller (dem herren sy lob) gesuntheit. Was sunst leufficher 8 hendell by uns weren, als mit rustung widder den Turcken, wirt er beß muntlich vertzellen. Moigt ir im gude anwysung syner hendel thoin, beger ich synent wegen.

Wyder ist myn bitt, das tu na fridden 9 , so vill durch gott moegelich, arbeitz 10 , und laiß mich verstain 11 , ab uch myn letste brieb behandicht 12 .

c in der Vorlage irrtümlich tum.
Register hg. v. Reinhard Häußler, Darmstadt 1968, S. 185.
6 Homer, Odyssee 1,114.
7 Man scheut sich zu sagen, in der vorigen Epoche.
1 In Bitters Rechtschreibung zeigen e und i nach Vokalen oft deren Dehnung an.
2 dieser.
3 Freund; unbekannt.
4 pflegt.
5 Siehe oben Anm. 1.
6 hinauf, gemeint: nach Zürich.
7 nichts Besonderes.
8 laufenden, aktuellen.
9 nach Frieden.
10 arbeitest, dich bemühst.
11 wissen.
12 Ob euch mein letzter Brief ausgehändigt worden ist. — Der letzterhaltene Brief Bitters ist vom 16. April 1532 datiert (s. oben Nr. 88).


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Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung
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Ur 13 Annotaciones in canonicam epistolam Ioannis 14 schickt myr doch tzo, dan ich habe die lest gesanten 15 eynem Augustiner monnich 16 in fruntschaff geleint 17 , kan si nitt widder krygen, und was ir sunst gefertigt 18 . Und enbuet myr dairgegen 19 , was du gern von myr hettes. Will mich in glychen und merrem altzeit vlyssigen.

Groitz myr all gute frunde.

Adolfus 20 , myn neye, hait zo Wittenberg und Bruyswick 21 studiert, ist neulich by uns gesyn und widder gereist. Laist dich seyr groitzen und spricht, das Martinus 22 , Ph[ilippus]23 , Pomeranus 24 , Otto Brunsfeldius 25 und etliche mehr anderen hefftig widder uch kempffen [in] yren sermonen a des sacramentz halber 26 . Moigt ir myr kortz verfaste schrifft 27 und scharffe 28 zostellen. Will verschaffen, das sy Martino ach 29 Ph[ilipp]o uberantvort werden, mit anhangender bitt, daruff zo antworden. Will dich mitt dussen kortzen dem almechtigen befollen haben. Laist mich doch verstain von uren handelen, anslegen 30 und fridden der Eydgnossen.

Datum zo Coln, 12. augusti anno 32.

Dirich [!] Bitter van Wipperfoird,

scholmeister zo Sant Ursulen 31 .

[Adresse auf der Rückseite:] Dem ersamen und waillgeliertenn 32 Maister Heinrichen Bullinger, meinem gunstigen frundt zo handenn. Gen Zürich.

a yren sermonen am Rande nachgetragen.
13 Eure.
14 Bullingers «Expositio in epistolam Ioannis», erschienen 1532 (HBBibI I 37).
15 letzthin, kürzlich geschickten; vgl. oben S. 105, 38 und Anm. 18.
16 Wer dieser Augustinermönch war, ließ sich nicht ermitteln.
17 geliehen.
18 Was Bullinger sonst noch geschrieben und publiziert hat.
19 tu mir dafür zu wissen (Grimm III 494f).
20 Die Wittenberger Matrikel enthält zur fraglichen Zeit keinen Studenten dieses Namens, es sei denn, man bringe die Eintragung vom 25. Januar 1529: «Magister A P C» (Wittenberg, Matrikel I 133) mit Bitters Neffen in Verbindung, über den sonst nichts Näheres bekannt ist; vgl. Krafft 109.
21 Braunschweig.
22 Martin Luther.
23 Philipp Melanchthon.
24 Johannes Bugenhagen, 1485-1558; s. Oskar Thulin, in: RGG I 1504 und Ernst Wolf, in: NDB III 9f.
25 Ein Otto Brunsfeld oder Braunsfeld läßt sich nicht nachweisen. Wahrscheinlich liegt
eine Verwechslung mit dem Humanisten Otto Brunfels (1488-1534) vor, der sich allerdings zu jener Zeit in Straßburg bzw. Basel aufhielt und nie als Gegner der schweizerischen Abendmahlsauffassung auftrat; s. Heinrich Grimm, in: NDB II 677f.
26 Zur Haltung der Wittenberger in der Abendmahlsfrage und der durch Luthers Sendschreiben an Herzog Albrecht von Brandenburg neu entfachten Kontroverse s. oben Nr. 106.
27 Ob damit «kurz abgefaßte» oder «kürzlich verfaßte» Schrift gemeint ist, läßt sich nicht sicher entscheiden. Im zweiten Fall käme der Sendbrief an Albrecht von Brandenburg (oben Nr. 106) in Frage, wie Köhler, ZL II 296, Anm. 1 annimmt.
28 Auf «schrifft» bezogen, also «kurz abgefaßte und scharfe Schrift»? Der unbeholfene Stil läßt eine Deutung kaum zu.
29 auch.
30 Vorhaben, Absichten (Lexer I 77).
31 Über die Aufgaben des Schulmeisters am Kölner Damenstift St. Ursula s. Gertrud Wegener, Geschichte des Stiftes St. Ursula in Köln, Köln 1971. —Veröffentlichungen des Kölnischen Geschichtsvereins e. V. 31, S. 113.
32 wohlgelehrten.