Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2579]

[Ambrosius Blarer]
an Bullinger
[Konstanz],
12. September [1546]

Autograph: Zürich StA, E II 357a, 727 (Siegelabdruck) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 507f, Nr. 1346

In der Eile hatte Blarer vergessen, seinem Brief vom 10. September [Nr. 2577] [Georg] Frölichs Schreiben beizulegen, das er nun mitschickt. Am 10. hatte Bullinger ebenfalls seinen Brief [nicht erhalten]verfasst, [den Blarer empfangen hat]. Er freut sich, dass [die Zürcher] drei eifrige [Prediger, Rudolf Schwyzer, Lorenz Meyer und Thoman Ruman] nach Augsburg entsenden. Wären doch die [Schmalkaldener] klüger gewesen und hätten auf die guten Ratschläge gehört! Gott wird aber alles zum Besten schicken. Die [Schmalkaldener] wollen sich [Maximilian von Egmont, Graf von] Büren, widersetzen. Sie sind von ingolstadt abgezogen, weil sie dort nichts ausrichten konnten. Der Würzburger Bischof [Melchior Zobel] unterstützte von Büren und soll sich ihm immer noch behilflich erweisen. In der [Lagerstätte] Kaiser [Karls V.] ist ein Feuer ausgebrochen, vor dem der Kaiser sich gerade noch retten konnte. Beim Abzug aus Ingolstadt haben [die Schmalkaldener] in einem von ihnen geräumten Landsitz etliche Fässer Pulver hinterlassen, die sie, als die Spanier ins Schloss eingedrungen waren, aus der Ferne mit Hilfe einer Zündschnur in die Luft sprengten. Mögen

b-b Am Rande nachgetragen.
7 Die Schmalkaldener.
8 Den Kaiserlichen.
9 Karl V.
10 Das kaiserliche Heer hatte sich an einer vorteilhaften, unzugänglichen Stelle verschanzt; s. schon Nr. 2561,6-9; Nr. 2572,50f; Nr. 2574,40f; Nr. 2576,34-36.
11 Maximilian von Egmont, Graf von Büren, traf mit seinem niederländischen
Heer am 15. September beim kaiserlichen Heer ein; s. Nr. 2572, Anm. 43.
12 Innerhalb der Mauern von Troja.
13 die Griechen. — Hierunter sind metaphorisch wohl die einfachen Soldaten beider Kriegsparteien zu verstehen.
14 Horaz, Epistulae, 1, 2, 14 und 16.
1 Das Jahr ergibt sich aus dem Inhalt.


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die [Schmalkaldener] den Ernst der Lage begreifen und sich der Reue und dem Gebet hingeben, die allein der Heilige Geist in ihnen bewirken kann! Gott steht bestimmt auf Seiten [der Schmalkaldener], auch wenn diese durch Leid [gezüchtigt] werden müssen. Der gottlose Bösewicht zu Rom [Papst Paul III.] wird wohl keinen Erfolg haben und nur andere mit sich ins Unglück stürzen. Möge Gott ihn bald erwürgen! Bullinger soll beten. Blarer muss abbrechen, da der Bote [...]abreisen will. Größe.

Ego vero plane, quam verum sit, quod dicitur, video: festinatio mater erroris. Misi meas literas 2 . Quae Laetus scripserat, festinabundus non misi, quamquam non adeo multum retulit, ut acciperes, tamen nunc mitto. 3 Scripsi ad te 10. huius, hoc est illa ipsa die, qua tuae sunt datae. 4

Quod tres tam strenuos Christi milites 5 Augustam misistis, totis animis gratulor. Dominus praesentissima spiritus sui virtute ipsis adsit.

Utinam nostri 6 mature sapuissent et bonis consiliis obtemperassent! Verum dominus est, qui omnia ista pro optima sua voluntate propicius moderatur.

Es ist nichts news, dann das die unsern trachtind, dem von Püren 7 ze wehren 8 oder inn zu erlegen. Sind von Ingoldstat abgezogen, 9 dann sy nichts schaffen 10 mögen. Bischoff von Wirtzburg"11 hat im 12 grossen fürschub 13 thon, und noch des soll er geniessen.

In des kaisers 14 leger ist in siner scheur 15 , darinn er für sein person gelegen, für 16 uffgangen, das er komm 17 davon kommen.

2 Gemeint ist wohl der zuletzt verfasste Brief Nr. 2577 vom 10. September.
3 Wegen der Bemerkung "quamquam non adeo multum retulit, ut acciperes" wird hier kaum ein Schreiben Frölichs an Bullinger gemeint sein (wie Nr. 2561 vom 2. September), sondern ein nicht erhaltener Brief Frölichs an Blarer, der allerdings nicht in Nr. 2577 (zumindest nicht in den erhaltenen Teilen des Briefes) erwähnt wird und wohl mit dem in Nr. 2572,4, erwähnten Brief Frölichs an Blarer gleichzusetzen ist.
4 Nicht erhalten.
5 Zur Entsendung von Rudolf Schwyzer d.J.. Lorenz Meyer (Agricola) und Thoman Ruman s. Nr. 2573, Anm. 21.
6 Die Schmalkaldener.
7 Maximilian von Egmont, Graf von Büren, Anführer des kaiserlich-niederländischen Heeres, das dem Kaiser zuzog; s. Nr. 2572, Anm. 43. —Zum geplanten Angriff gegen von Büren s. Viglius van Zwichem 89, Anm. 5; Paulus, Schertlin 69; Nr. 2582,6; Nr. 2585,36-39; Nr. 2589,1-7.
8 abzuwehren.
9 Die Schmalkaldener verließen Ingolstadt am 4. September s. Nr. 2581,105-108.
10 ausrichten.
11 Melchior Zobel, Bischof von Würzburg.
12 von Büren.
13 Unterstützung. — Zobel hatte am 6. September die an der Tauber lagernden niederländischen Truppen mit Proviant und Munition versorgt und Egmont persönlich bewirtet; s. Christoph Bauer, Melchior Zobel von Giebelstadt, Fürstbischof von Würzburg (1544-1558), Münster 1998 — Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 139, S. 282.
14 Karl V.
15 Scheune, Stall oder einfaches Gebäude; s. SI VIII 1210-1217. — In Siegmund Günther, Peter und Philipp Apian, zwei deutsche Mathematiker und Kartographen. Ein Beitrag zur Gelehrten-Geschichte des 16. Jahrhunderts, Prag 1882, S. 16f, wird berichtet, wie damals ein Geschoss im Zelt des Kaisers landete, als dieser mit dem Mathematiker Apian im Gespräch war. Ob allerdings damit die


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So habend die unsern ain gut stratagema 18 brucht in irem abziechen von Yngolstadt 19 gegen den Spaniern, die ain lusthus dasselbst glich uff der unsern abzug ingenommen, das aber davor von den unsern mitt etlich tunnen 20 pulver verstopt worden, und fürwerck weyt hinuß in das feld angericht 21 , das man ain louffend für nent. 22 Das habend sy darnach anlofen 23 lassen; hat schlosß und Spanier sampt allem gen himel gericht 24 . Gott erbarm sich der seelen! Man wartet all stund newer zeytung 25

Utinam vigilent nostri et negocii atrocitatem serio expendant et praesenti periculo praesens adhibeant remedium! Nullum autem praesentius germana resipiscentia et nixis fide sacris precationibus, quas ultro domini spiritu in rebus agendis prudentia consequetur. Ich bin wol und hoch getröst, gott seye uff unser seyten, werde uns aber danecht ubel darob 26 lyden lassen, aber nitt zu schanden werden: Es musß erarnet 27 sein.

Der gottlosß schandtlich morder und gotzböswicht zu Rom 28 kan, hoff ich, kain gluk haben und wirt ander mitt im ungluckhafft 29 machen. 30 Gott stürtz und erwirg 31 in bald!

Bitten fur unß getrulich! Er walte ewer und der eweren ewiglich! Der bott 32 will uff sin. Muß abbrechen. Salveant tui et vestri omnes. 12. septembris prima meridiana.

[Ohne Unterschrift.]

[Adresse auf der Rückseite:]Bullingero suo, Tiguri.

gleiche Begebenheit angesprochen ist. muss offen bleiben.
16 Feuer.
17 kaum.
18 Kriegslist.
19 Landsitz; s. FNHDW 1X/1 1505f.
20 Fässern.
21 eingerichtet.
22 Sie haben also mithilfe einer langen Zündschnur von einem Feld aus die Sprengung des Gebäudes ausgelöst.
23 anzünden.
24 gen himel gericht: in die Luft gesprengt.
25 Nachrichten.
26 danecht ubel darob: dennoch sehr deswegen.
27 verdient; s. Fischer II 750.
28 Papst Paul III.
29 unglücklich.
30 Eine Anspielung auf das Gerücht über eine vom Papst angeordnete Wasservergiftung; s. Nr. 2570; Nr. 2576, Anm. 72; Nr. 2577, Anm. 74.
31 erwürge. —Vgl. 2Thess 2, 8.
32 Unbekannt.