Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2458]

Ambrosius Blarer
an Bullinger
[Konstanz],
8. Juni [1546]

Autograph: Zürich StA, E II 357a, 648 (Siegelabdruck) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 447f, Nr. 1290

Blarer übersendet einen Brief von Georg Frölich [Nr. 2453] und wundert sich, dass Bullinger nicht durch [Barbara Winzürn, gen. Schriber], die Frau des Konstanzer Schneiders Thomas, geantwortet hat, die wegen des Erbes, das ihr von [Agathe] Studler zugeteilt wurde, nach Zürich gekommen war. Er hatte ihr nämlich Briefe für Bullinger, [Rudolf]Gwalther, [Konrad] Hofherr und [Jakob] Ruf mitgegeben, die er am 24. Mai geschrieben hatte. Da nur Ruf geantwortet hat, glaubt Blarer, dass die anderen die Briefe nicht erhielten. An Ruf schreibt er nun erneut und bittet Bullinger, diesem seinen Brief zuzustellen. Über den Reichstag [zu Regensburg] wird Frölich das Gleiche an Bullinger geschrieben haben wie [nach Konstanz]; außer Geld- und Zeitverlust ist davon nichts zu erwarten. Manche befürchten die Auflösung des [Schmalkaldischen Bundes], Frölich aber erhofft sich Besseres. Angesichts der Fahrlässigkeit der [Protestanten] werden ihre Erfolge allein Gott zuzuschreiben sein. Die in Ravensburg durchgeführte Reformation hat so manchen Aberglauben beibehalten. Der Rat wollte nämlich keine Pfarrer aus Schwaben anstellen, da er diese der Schwärmerei verdächtigt. Gegen den Wunsch vieler Bürger richtete er sich nach dem Wittenberger und Nürnberger Beispiel. Die Stadt wurde ferner in den Schmalkaldischen Bund aufgenommen, über dessen Verlängerung am Reichstag verhandelt werden soll. Grüße. [P.S.:]Aus Straßburg erfuhr Blarer, dass Kaiser [Karl V. ] den rheinischen Adel einberufen hat und diesem mitteilte, dass er nicht vorhatte, ihn zur Dienstbarkeit zu drängen. Außerdem entlockte er ihm Geld unter dem Vorwand, er wolle ihn von illegalen Besteuerungen seitens der Fürsten befreien. Das wird sicher zu Zwietracht führen!

S. Mitto hic Laeti nostri, utinam letas, literas, 2 quas nudius quartus accepi, 3 valdeque miror, qui factum sit, ut per sarctoris nostri a Thomae 4 mulierculam 5 , quae istic Studlere 6 haereditatem cum aliis nonnullis adire voluit, non respondens. Per hanc enim ad te scripseram 7 , simul autem et ad Gvaltherum et Curionem 8 , quorum neuter quicquam rescripsit, ut suspicer propemodum

a In der Vorlage nostrae (s. dazu Stotz IV 230f Nr. 135.4).
1 Das Jahr ergibt sich aus dem Inhalt.
2 Georg Frölichs Brief Nr. 2453 vom 3. Juni. Bullinger erhielt vorliegendes Schreiben Blarers mit dem beigelegten Brief Frölichs erst nach dem 18. Juni; vgl. Nr. 2464,1-3, mit Nr. 2469,2. Siehe ferner Nr. 2472, Anm. 21.
3 Am 5. Juni.
3 Thomas Winzürn oder Winzer; s. Anm. 5.
5 Die Konstanzerin Barbara Winzürn, gen. Schriber, eine Verwandte der Agathe Studler (s. Anm. 6), welche ihr das Haus
"Zum hindern Pflug" in Konstanz hinterlassen hatte, wie mehrere Personen es bezeugen konnten. Barbara Winzürn hatte sich an den Konstanzer Rat gewandt, um die Erbangelegenheit mit Zürich zu klären; s. Zürich StA, A 205/1, Nr. 209 vom 8. März, und Nr. 211 vom 22. Mai 1546.
6 Agathe Studler die wegen Hexerei am 27. Februar 1546 in Zürich in der Limmat ertränkt worden war; s. HBBW XVI 187, Anm. 6 und Reg.
7 Nicht erhalten.
8 Konrad Hotherr.


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nihil vos ab illa accepisse. De qua re valde cupio a vobis certior fieri. Date sunt nostre literae 24. maii Scripseram et chirurgo vestro Ruffio 9 , sed ille unus per hanc rursum respondit 10 ; cui iterum nunc scribo 11 valde te rogans, ut epistolam nostram reddi illi cures.

Novi plane nihil habemus, quod scribere ad te opere precium sit. De comitiis 12 non dubito, quin Laetus ea ad te, quae ad nos quoque 13 , scripserit 14 . Expectabimus inde nihil aliud quam sumptum et preciosissimi temporis iacturam. Verentur nonnulli, ne nostrorum foedus 15 in dissolutas scopas 16 solvatur. Ego meliora spero, quamquam omnino aliter, quam fit, nostros agere opportebat. Verum ita semel, quicquid boni ad nos ex ista socordia redit, totum domini benignitati transscribetur, nec quicquam reliquum erit, unde humana sapientia glorietur 17 .

Ravensburgensis ecclesia satis superstitiose instituitur. Noluit enim senatus ad huius reformationem quemquam ex caeteris ministris Svevie ecclesiarum et vicinarum adhibere, quod omnes schwermerico fermento infectos suspicetur. Igitur omnia ad exemplum Wittenbergensium et Norimbergensium effingunt, quanquam multi illic solidiora lubenter sequerentur. 18 Tamen maior pars (ut fit) vicit non iudicio sed numero meliorem. 19 Recepti sunt in nostrum fedus, 20 de cuius tamen prorogatione nunc in comitiis consultabitur. 21 Precernur dominum, ut passim omnes et meliora cognoscant et amplectantur.

Saluta fratres et amicos. Salutant te nostri omnes. Bene vale. 8. iunii.

Tuus Ambr. Blaurerus.

Der kaiser 22 hat den rinischen adel beschriben 23 sich purgiert 24 , das er nitt der seye, der sich understande 25 , sy zu dienstbarkait ze dringen 26 , wie er inen

9 Jakob Ruf. — Weder dieser Brief noch die an Gwalther und Hofherr gerichteten Briefe finden sich in Blarer BW.
10 Nicht in Blarer BW.
11 Ebenfalls nicht in Blarer BW.
12 Der Reichstag zu Regensburg, der am 5. Juni eröffnet worden war.
13 Vgl. Nr. 2472 und Anm. 22.
14 Siehe Nr. 2453,58-75.
15 Der Schmalkaldische Bund, der infolge der Nichtverlängerung des Bündnisvertrages und des Ausbruchs des Schmalkaldischen Kriegs aufgelöst wurde: s. HBBW XVI 28f.
16 Adagia 1, 5, 95 (ASD Il/1 5641, Nr. 495).
17 Vgl. Jer 9, 23f.
18 Zum Konflikt zwischen Lutheranern, Zwinglianern und Schwenckfeldianern in Ravensburg und der Forderung nach
Durchsetzung der lutherischen Lehre durch den Rat nach dem Beitritt der Stadt zum Schmalkaldischen Bund s. Litz 260— 262: PC IV/1 117, Nr. 85.
19 Vgl. Livius, Ab urbe condita, 21, 4, 1.
20 Zur Aufnahme Ravensburgs in den Schmalkaldischen Bund s. HBBW XVI 159, Anm. 7.
21 Auf Wunsch Kaiser Karls V. wurde der schmalkaldische Bundestag nach Regensburg verlegt, aber angesichts der drohenden Kriegsgefahr entschied man sich dafür, während des dort gehaltenen Reichstages keine Bundesfragen zu diskutieren; s. RTA-JR XVII 42; und Nr. 2453,85-87.
22 Karl V. 23 einberufen.
24 rechtfertigt.


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ingebildet 27 werde, sich vyl guts empotten, etc., daneben ain summ gelts von inn gebracht 28 mit verwenung 29 , das er sy freyen welle, domitt sy von den fursten nitt geschetzt 30 werden. 31 Das will aber ain new bruderessen 32 werden und zu vyl zwytracht dienstlich sin. Haec ex Argentorato ad me scribuntur 33 .

[Adresse auf der Rückseite:] Bullingero suo.