Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

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Hans Rudolf Lavater an
Bullinger
[Kyburg],
21. Dezember 1534

Autograph: Zürich StA, E II 335, 2010 (Siegelspur); autographer Nachtrag: Zürich StA, E II 441, 290 (ohne Siegelspur) Gedruckt: Stucki 288f

Hat in Winterthur erfahren, daß der Pfarrer von Rüti [Konrad Lüthard]entlassen worden ist. Es wird notwendig sein, einen frommen und tapferen Mann dorthin zu schicken, der den Mönchen genehm ist. Lavater schlägt Morandus Schmid aus Frauenfeld vor, den er als bibelkundigen, getreuen Menschen kennengelernt hat. Hat Erbarmen mit diesem, daß er bei den bösen Thurgauern wirken muß. Hofft, Bullinger werde den Brief günstig aufnehmen, und wünscht ein glückliches neues Jahr. [Nachtrag:]Nach Abschluß des Briefes erfährt er, daß Leute aus dem Gebiet der V Orte, aus Rapperswil usw. zusammen mit den Grüningern planen, deren Pfarrer aus dem Amt zu vertreiben. Laßt der Sache nachforschen.

Min fruntlich wilig dienst und was ich eren, lieby und guts vermag zuvor, wolglerter und ersamer her etc.

Alß ich hüt zu Winterthur gwesen, ist mich angelangt 1 , wie der predicantt zu Rütty 2 geurloupott 3 etc. Nun ist mir in trüwen leid, daß die predicanten nit bhutsamer sin und, alß 4 ich sorg, hiedurch vil anstoßens entstände, wiewol ich für und für uffsatztt 5 und heimliche pratica 6 besorg, daß vilicht hie mit der zitt einist der frefen huff 7 etwas witers fürneme etc. Nun wirtt von nötten sin, an das ortt ein fromen, tapfern man, der von grund grechtt, und so man den nit dahin tutt, oder einen, dem die münchen widrig, wirtt die

b Von et agite bis inculco am Rand und unten, aber vor Ort, Datum und Unterschrift nachgetragen.
Unterredung fliehen (Zürich ZB, Ms F 47, 277; zitiert in Übersetzung von Köhler ZL II 402).
1 ist mir die Kunde zugekommen (SI III I 330).
2 Konrad Lüthard.
3 Lüthard hatte sich im Frühjahr 1534 wegen
Angriffen auf die Obrigkeit vor dem Rat zu verantworten (s. oben S. 149 f, Anm. 4). Der konkrete Anlaß für seine Entlassung Ende des Jahres ließ sich nicht nachweisen.
4 wie.
5 böse Anschläge, Hinterlist (SI VII 1533).
6 Anschläge, Intrigen (s. SI V 568).
7 Politische Gegner, wahrscheinlich identisch mit dem im Brief vom 27. Dezember 1534 angesprochenen «fulen hufen», s. unten S. 462, 19.


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sach nütz sölen 8 ; dan da kein ruw nach frucht 9 sin wirtt. Und diewill ich dan alweg den handel gotz zu furdern, so vil ich gnad hett, geneigt und gar dienstlich sin wöltt, düchty mich, wo man hern Morandy Schmid 10 von Frowenfeld möcht dahin bringen, wer ein groser schick 11 , dan er gwüß ein recht from biderman und in gottes wort wol gründtt unnd vast trüw; dan ich in biß uff das bar bein 12 erckunott 13 . Zudem weis ich woll, daß er den münchen gantz anmütig 14 und angnem sin wurd, und sover eß nit unrecht und wider miner herren satzung langen 15 wurd, wurd ich ein hoch pitt an üch legen von sintwegen; dan er mich erparmt, daß er bi dem bösen Turgöwer vasell 16 sin muß. Zudem, wo er dahin komen, ich hofte, der pfarrer zuo Frowenveld 17 och möcht widerumb zukomen und grad an sin statt.

Sömlich min schriben welend also gantz günstlichs willens von mir vernemen; dan wo ich nüt sonders hochs vertruwenß zu üch wer, hett ichs lasen bliben. Und üch hiemit dem einigen herren gott befolhen halten, der üch und all üwerm hußfolh 18 ein gut, glükhaft jar verlihen welle, mit pitt, min schriben ütz gegen üch bringen mogen.

Datum in ill, uff Thome anno etc. 34.

Üwer gutwilliger diener

Hans R. Lafatar.

[Adresse auf der Rückseite:] Dem wolglerten unnd ersamen hern Meister Heinrichen Bulinger, predicantt zum grosen münster Zürich, minem insonders vertruwten, günstigen und lieben herren.

||E II 441, 290 [Nachtrag:]Lieber M. Heinrich, wie ich disen brieff 19 gschriben, langt mich an 20 in diser stund, wie von etlichen von lendern 21 , Raperschwil

8 nützen, taugen (SI VII 771).
9 noch Erfolg; gemeint: keine Lösung des Problems (SI I 1272).
10 Morandus Schmid (Moog), Bürger von Winterthur, war Helfer an St. Johann in Kurzdorf bei Frauenfeld. Da er offenbar schon früh evangelisch gesinnt war, wurde er 1526 vom Landvogt Joseph Amberg vertrieben. Als in Frauenfeld der reformierte Gottesdienst eingeführt wurde, kam Schmid am 20. März 1529 auf Zürichs Geheiß wieder nach Kurzdorf. Lavaters Vorschlag, Schmid nach Rüti zu versetzen, wurde nicht aufgenommen. Nikolaus Steiner wurde Lüthards Nachfolger in Rüti (siehe oben, S. 359. Anm. 1). Weiteres über Schmids Leben ist nicht bekannt. - Lit.: ASchweizerRef II 194. 1647; Die Chronik des Laurencius Bosshart von Winterthur 1185-1532, hg. v. Kaspar Hauser, Basel 1905. -QSRG III 136f; Stucki 139f.
11 Glücksfall (SI VIII 494f).
12 durch und durch, bis auf die Knochen.
13 ausgeforscht (SI III 325).
14 angenehm (SI IV 582).
15 und gegen die Verordnung meiner Obrigkeit verstoßen würde. - «Lavater war sich bewußt, daß er als Landvogt von Kyburg nicht das Recht hatte, einen Pfarrer, dazu noch einen aus dem Thurgau, für Rüti, das nicht einmal in seiner Vogtei lag, vorzuschlagen» (Stucki 141).
16 Gesindel (SI I 1055).
17 Denkt Lavater etwa an Hans Frei, der eben erst im August 1534 gemäß einem Beschluß der Tagsatzung seiner Pfarrei in Frauenfeld verlustig gegangen war (s. EA IV/IC 367)?
18 Hausgenossen.
19 Der hier vorliegende Nachtrag wurde zweifellos zusammen mit obigem Brief an Bullinger befördert.
20 erreicht mich die Kunde (SI III 1330).
21 aus den katholischen V Orten


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22 oder andern enden söll ein pratik 23 sin mit denen von Grüningen, die predicanten in amptt Grüningen all zu vertriben. Nun mag ich nüt wüsen, ob etwas dran ald 24 nüt. Es ist mir aber in gheim anzögt worden. Hieruff mogend ir dest fürrer 25 , wo es üch gut dunktt, dem handell für stan 26 , und land 27 üch nienan so lieb sin, daß ir üch lasend merken, wohar, dan es übel von mir wurd vergut 28 ghan, daß ich es nüt einem burgermeister anzögti, dan es mir von einem kumpt, so es mir selb gsagt. Dem ist es von Raperschwil von einem burger enpoten 29 . Hab ich befolhen, fürderlich den handel gruntlicher zu erkunen 30 . Es sond 31 etlich zu Zürich ouch in der pratik sin. Ducht üch etwas witer nott 32 , land michs bi disem boten 33 wüsen.

Datum Thome, der 5. stund angender nacht.

[Ohne Unterschrift und Adresse.]