Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2903]

Bullinger
an Oswald Myconius
Zürich,
18. [Mai] 1547

Autograph: Zürich StA, E II 342, 173 (Siegelspur) Zusammenfassung: Henrich, Myconius BW 963f, Nr. 1080

[1] Auch wenn Bullinger überhaupt nichts Neues zu berichten hat, möchte er sich für sein langes Schweigen entschuldigen. Er hat nämlich mit Konrad Pellikan und einigen anderen guten Bürgern das Bad in Urdorf besucht. Sie verließen Zürich nach Ostern und sind erst vor ein paar Tagen wieder zurückgekommen. -[2]Er hat Briefe von etlichen Freunden empfangen, darunter auch Myconius' Brief vom 23. April [nicht erhalten]. Was die Freunde ihm aus Schwaben berichtet haben, kann er nicht glauben, da die übermittelten Gerüchte nicht übereinstimmen. Die einen sprechen von einer Gefangennahme des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen, die anderen wiederum von einer Niederlage, die Kaiser Karl V. vonseiten der Sachsen und Böhmen eingesteckt haben soll. Bullinger will also auf verbürgtere Nachrichten warten. Feststeht allerdings, dass die Augsburger aus Freude über den [angeblichen]Sieg des Kaisers geschossen haben und dabei der Festungswall beim Roten Tor eingestürzt ist. Dies ist also die Zuverlässigkeit dieser Kaufleute: Freudenschüsse, Festgelage und Jubel, während Verbündete und gute Menschen im Krieg fallen! - [3] Der Zürcher Rat hat einhellig beschlossen, Johannes Haller und Thoman Ruman aus Augsburg abzuberufen. Kein Ratsherr ist den hinterlistigen Städten [die dem Kaiser gehuldigt haben] mehr gewogen. -[4]Bullinger hört, dass auch Martin Bucer Straßburgs Kapitulation verteidigt und für den Kaiser nachdrücklich Partei ergriffen hat. Stimmt das, wird ihm wohl das widerfahren, was Bullinger schon längst befürchtet hat. Der Herr befreie die Seinen vom Bösen! - [5]Myconius soll Johannes Gast das beiliegende Paket so schnell wie möglich übermitteln. -[6]Aus Marburg haben Theobald Thamer und Wigand Happel am 27. April brieflich berichtet, dass Landgraf Philipp von Hessen rüstet und bald gegen die Papisten ziehen wird. Gott beschirme ihn! Bullinger wartet ungeduldig auf Myconius' nächstes Schreiben.

S. D. Quamquam nihil modo, quod scribam, habeo, vir colendissime, volui tamen diuturnum illud silentium meum excusare. Lavimus una Pellicanus et ego cum aliquot bonis civibus Urdorffii, quo post Pascha 2 abivimus; redivimus superioribus diebus.

Plures literas amicorum, etiam tuas 23. aprilis datas 3 , accepi. Caeterum illis, quas ex Suevia scribunt amici, 4 credere non possum. Non enim congruit et constat sibi narratio. Expectamus ergo in diem certiora et planiora. De electoris captivitate et rursus de strage caesaris 5 facta a Saxonibus et Bohemis 6 loquor. Sunt enim, qui dicant electore semel captum, mox redemptum

1 Siehe dazu unten Anm. b.
2 1547 fiel Ostern auf den 10. April. -Die Badenden hielten sich vom 17. April bis zum 11. Mai in Urdorf (Kt. Zürich) auf; s. Nr. 2886, Anm. 39.
3 Nicht erhalten.
4 Gemeint ist, wie es aus unten Z. 8-10 hervorgeht, die Niederlage und die Gefangennahme
des Kurfürsten (elector) Johann Friedrich I. von Sachsen. - Siehe dazu Nr. 2894, Anm. 31.
5 Karl V.
6 Solche Nachrichten waren in Bullingers Briefwechsel schon älter und kamen nicht alle aus Süddeutschland; s. Nr. 2882,9-11; Nr. 2883,16f; und Nr.


Briefe_Vol_20-200arpa

esse! 7 Certum tamen est caesareanos Augustae et Ulmae calendis mau et pridie calendarum triumphasse: Die Augspurger habend fröud geschossen, das der wal by dem roten thoor inen yngefallen ist! 8 Haec est videlicet Mercurialium hominum fides! Tonare bombardis et epulari et jubilare, cum capiuntur et caeduntur sotii 9 ac optimi quique vin.

Senatus foster unanimi consensu 10 revocat ab Augusta Hallerum et Romanum in patriam. Nemo est, qui perfidis illis urbibus 11 faveat.

Audio et Bucerum deditioni Argentinensium val[de]a patrocinari et caesarisare fortiter. 12 Quo[d] si verum est, eveniet illi, quod diu ia[m] ipsi eventurum timui. Dominus liberet n[os] a malo! 13

D. Gastio fasciculum hunc t[ra]di mox curato. 14 Valeto.

Scribunt ex Ma[r]purgo Thamerus et Happelius 27. Aprilis datis literis Hessum 15 esse in armis ac propediem moturum in papistas. 16 Dominus servet illum! Tiguri, 18. aprilis b 1547. Tuas expecto avide!

Bullingerus tuus.

[Adresse auf der Rückseite:] Clarissimo viro d. Osvaldo Myconio, fidelissimo Basiliensis ecclesiae ministro, domino et fratri suo colendissimo. Basel.

a Hier und unten Textverlust durch Papierverlust. -
b Myconius schrieb darunter mau nimirum. 2885,23f. Vielleicht hatte er Ähnliches aus Briefen an Drittpersonen erfahren.
7 Bullinger hatte (vgl. nämlich unten Z. 10-12) eine entsprechende Nachricht von Haller aus Augsburg erhalten (s. Nr. 2894,1-27), hielt sie aber offenbar für unsicher!
8 Vgl. Nr. 2894,41-49.
9 = socii.
10 An der Ratssitzung vom 16. Mai 1547; s. Zürich StA, B II 68 (Ratsprotokoll), S. 18. Am Tag darauf verfasste der Zürcher Rat einen Brief an den Rat von Augsburg (Entwurf dieses Briefes in Zürich StA, B IV 16, 148r.) und einen weiteren an Johannes Haller und (Hans) Thoman Ruman (Römer) (Entwurf ebd., f. 148v.). - Siehe dazu schon HBBW XVII 417f, Anm. 21.
11 Jene Städte nämlich, die sich dem Kaiser unterworfen hatten.
12 Bullinger wurde offenbar von in Basel wohnenden Personen über den Inhalt des von Bucer an Myconius gerichteten Briefes vom 30. März 1547 (Henrich, Myconius BW 953, Nr. 1068) informiert. 13 Mt 6, 13.
14 Vermutlich ein Dankesgeschenk (vgl. nämlich HBBW XIX, 125,6-8) für den wiederholten Einsatz von Johannes Gast beim Kauf der Wolle (s. z.B. HBBW XVIII, Nr. 2721. 2724. 2718; XIX, Nr. 2738; und oben Nr. 2882) zugunsten von Bullingers Frau Anna, geb. Adlischwyler, und deren Tochter Anna.
15 Philipp von Hessen.
16 Siehe Nr. 2883,19-24 (Wigand Happels Brief vom 18. April); Nr. 2889,[5] (Theobald Thamers Brief vom 27. April).