Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2883]

Wigand Happel
an Bullinger
Marburg,
18. April 1547

Autograph: Zürich ZB, Ms F 39, 176 (Siegelspur) Ungedruckt

[J]Dass Happe! nur kurz schreiben kann, liegt an den Zeitumständen. -[2]Hiermit seien den Zürchern diese drei [richtig: zwei]jungen Leute [Johannes und Justus Vulteius] aus Wetter empfohlen. Einer der beiden bekommt ein Stipendium: Zwanzig Florin steuert Happe! bei, neun weitere Taler Johannes Pincier oder besser gesagt der Bruder [Eucharius] von Johannes Dryander. Jener hatte nämlich den [Zürcher Studenten] Johannes Fabricius Montanus und Hans Rudolf Funk in Leipzig neun Taler geborgt. Die Zürcher sollen diesen Betrag von Fabricius und Funk zurückverlangen und ihn dem Stipendiaten geben. Das Geld, dass die zwei anderen [Zürcher Studenten, Heinrich Hindermann und Karl Schweninger] Happe! noch schulden, soll von diesen schrittweise zurückverlangt werden, und der Stipendiat soll es nur für notwendige und vertretbare Zwecke ausgeben. Für das eingetriebene Geld soll Happe! ein Schuldbrief ausgestellt werden, den die Zürcher ihm zukommen lassen sollen, damit er wiederum den Schuldbrief für das von ihm [an Hindermann und Schweninger]ausgeliehene Geld Letzteren zurücksenden kann. Pincier wird ausführlicher darüber geschrieben haben. -[3]Die Vorsicht verbietet es, über Neuigkeiten zu schreiben. Die Zürcher werden diese wohl aus dem Mund der Briefübermittler erfahren. Dass die Böhmen völlig aufseiten des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen stehen, ist bekannt. Es wurde ferner berichtet, dass der Kurfürst ein Heer von 600 Reitern und sieben Fähnlein in der Landschaft von Joachimsthal besiegt habe. Auch wird erzählt, dass das in Westfalen gegen Hessen ausgehobene Heer die Flucht ergriff ais bekannt wurde, dass Landgraf Philipp von Hessen sich rüstete. Der Landgraf ist nämlich nach einem tiefen und langen Schlaf wieder aufgewacht. Er plant einen neuen Zug und wirbt erfreulicherweise überall an. Geld sollte genügend vorhanden sein, wenn diejenigen, die es in Aussicht gestellt haben, ihr Versprechen tatsächlich halten. Der Herr fuhre alles zum Besten. -[4]Die Hessen empfehlen sich den Gebeten der Zürcher. Bullinger möge Dr. Konrad Gessner dazu veranlassen, Happe! Pflanzensamen aus der Fremde zu schicken. Im Gegenzug wird Happel sich ihm, wenn immer möglich, behilflich erweisen.

Quod negligenter et breviter scribam, temporis iniuriae et brevitati ascribetis, quod coegit, ut brevibus me expediam.

Mittimus vobis et commendamus hosce tres 1 Veteranos bonos iuvenes 2 et rogamus vobis, eos velitis esse commendatos. Alter stipendiatus est, cui

1 Richtig: "duos". -Dass hier eine Unachtsamkeit vorliegt, geht aus folgenden Beobachtungen hervor: 1) Weiter unten ist das Wort "alter"verwendet, was nur zwei Studenten voraussetzt. 2) In Johannes Pinciers Brief an Bullinger vom 24. April (Nr. 2887) ist nur von seinen "consobrini" Johannes und Justus Vulteius die Rede. Zudem ist zu bemerken, dass, als die beiden Brüder aus Wetter (Marburg-Biedenkopf, Hessen) sich in Wittenberg immatrikulieren ließen, kein weiterer Hesse
sich mit ihnen immatrikulieren ließ, wie dies infolge von Pinciers Aussagen in Nr. 2887,32-35, der Fall gewesen sein müsste, falls noch ein weiterer Studierender Bullinger empfohlen worden wäre. 3) Auch Theobald Thamer schreibt in seinem am 27. April an Bullinger gerichteten Brief nur von , ,hosce duos adulescentes"; s. Nr. 2889,[7].
2 Gemeint sind Johannes und dessen Bruder Justus Vulteius aus Wetter (Hessen); s. oben Anm. 1.


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numeretis, oro, meo nomine 3 viginti florenos ad res necessarias et honestas, nomine vero Pincieri nostri, seu potius Dryandri fratris, 4 9 daleros, quos hic bonus vir Fabritio et Funckio 5 Lypsiae mutuo dedit, a quibus eam pecuniam repetetis et iuveni stipendiato dabitis. Alteris autem duobus adolescentibus 6 reliquam (quam mihi debetur) a pecuniam erogabitis temporis progressu, id quoque non, nisi ad necessarias res et honestas. Ab utrisque 7 syngraphum accepti nomine recipite et ad me transmittite, atque vicissim, quod 8 est apud me, vestrorum iuvenum chirographum remittam. 9 Verum ea de re, opinor, Pincierum nostrum diligentius ad vos perscripsisse. 10

De rebus novis non licet commode referre, quod lubet, et ex iuvenibus nostris audietis opinor omnia. Quod Bohemi totis viribus electorem 11 iuvent, notum est. Quod nuper in valle Ioachimica 12 rursum 13 fuderit sexcentos

a Klammern ergänzt.
3 Happel, der 1543 zusammen mit Pincier in Zürich bei Konrad Pellikan gewohnt hatte (s. HBBW XIII 294 und Anm. 10) und der Pincier offensichtlich sehr verbunden blieb, da er dieser Stelle zufolge das Studium eines der beiden Neffen von Pincier finanzierte.
4 Mit "Dryander" ist der in Marburg dozierende Mathematiker, Mediziner und Anatom Johannes Dryander (Eichmann) aus Wetter (geb. 27. Juni 1500, gest. 20. Dezember 1560) gemeint, von dem ein Brief an Bullinger vom 23. September 1559 (Zürich StA, E II 363, 43) erhalten ist; s. Erwin Fuhrmeister, Johannes Dryander Wetteranus, Diss. med. Halle 1920; Wibke Larink, Bilder vom Gehirn. Bildwissenschaftliche Zugänge zum Gehirn als Seelenorgan, Berlin 2011, S. 176-185; MBW-Reg XI (Personen A-E) 368; Karl Heinz Burmeister, Magister Rheticus und seine Schulgesellen, Konstanz/München 2015, 5. 182f (mit weiterer Lit.). - Der hier erwähnte Bruder Dryanders ist Eucharius, der mit einer Schwester von Pincier verheiratet war, während Pincier eine Tochter (Katharina) von Johannes Dryander geehelicht hatte; s. Beze, Corr. X 82 und Anm. 9; Strieder XI, 1797, 5. 89. - Eucharius war sesshaft in Wetter. Dass die Zürcher Studenten ihn in Leipzig antrafen, lässt sich dadurch erklären, dass die Familie Eichmann mit Wolfgang Sibot(h)us, dem Professor für Ethik in Leipzig seit 1545, verwandt war; s. Fuhrmeister, 3; Barbara Bauer, Naturphilosophie,
Astronomie, Astrologie, in: Melanchthon und die Marburger Professoren (1527-1627), hg. y. ders., Bd. 1, Marburg 1999, S. 403.
5 Johannes Fabricius (Schmid) Montanus und Hans Rudolf Funk. - Im November und vielleicht auch noch im Dezember 1546 hielten sich diese Zürcher Studenten in Leipzig auf; s. HBBW XVII 428f, Anm. 59.
6 Gemeint sind die Zürcher Heinrich Hindermann (Opisander) und Karl Schweninger, die zusammen mit Fabricius und Funk in Marburg studiert hatten, sich aber nicht mit diesen nach Leipzig begeben hatten; s. zuletzt HBBW XIX Reg.
7 Gemeint sind Hindermann und Schweninger.
8 syngraphum.
9 Genaueres über die von den Zürcher Studenten geschuldeten Beträge erfährt man in Nr. 3061,58-61.
10 Pincier schrieb erst am 24. April; s. oben Anm. 1. - Mit dieser Abmachung konnten sowohl die Zürcher als auch die Marburger einen realen Geldtransfer vermeiden, was bei den wegen des Krieges damals unsicheren Straßen von Vorteil war.
11 Johann Friedrich I. von Sachsen.
12 In der Landschaft, in der Joachimsthal d.h. Jáchymov (Böhmen; Tschechien) sich befindet.
13 "rursum", angesichts einer ersten Kampfhandlung, die sich dort Ende Oktober, Anfang November 1546 abgespielt hatte und die für die kurfürstlichen Streitkräfte


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equites et septem vexilla, ut vocant, peditum, fama ad nos pertulit. Quod milites collecti in Westphalia in ruinam et perniciem nostram auffugerint, ubi in armis esse principem nostrum 14 intellexerunt, pervulgatum est. Optimum principem nostrum quasi ex profundo et diutino somno b post maximos labores evigilasse demum et novam expeditionem moliri undique copias militum conscribere 15 gaudemus omnes. Pecuniae seu nervorum belli 16 nobis satis, si, qui 17 promiserunt nobis, servent (ut confidimus) fidem. Dominus bene vertat omen!

Vos bene valete omnes et nos vestris praecibus commendatos habetote. D. Gesnerum, humanissimum et doctissimum virum, rogabis meis verbis, ut, si qua peregrina semina nanciscatur vel habeat, mihi quaedam condonare dignetur. Vicissim faciam, quod potero illi praestare officii.

Rapt[im]c ex Marpurgo, 18. aprilis anno 1547.

Vestrae celsitudini et humanitati omnium

addictissimus Wigandus Happel.

[Adresse auf der Rückseite:] Clarissimo et optimo viro domino Heinricho Bullingero, Tygurinae ecclesiae antistiti dignissimo, domino et praeceptori suo observandissimo. 18