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Autograph: Zürich ZB, Ms F 40, 546 (Siegelspur) Druck: Otto Opper, Theobald Thamer (1502-1569). Sein Leben und seine religiöse Gedankenwelt, Dresden 1941, S. 133f
[1] Thamer ist von seiner Arbeit in Schule und Kirche /stark beansprucht, doch nutzt er die
Gelegenheit, mit diesen Boten [Johannes und Justus Vulteius] auf Bullingers freundlichen
ersten Brief [HBBW XVIII, Nr. 2675] zu antworten, damit es nicht so aussieht, als ob er die
Zürcher vergessen hätte. -[2] Bisher hat Gott wegen der Verfehlungen der [Protestanten]
zugelassen, dass die Feinde des Kreuzes 2 weithin und unerwartet die Oberhand behielten.
Hoffentlich ist bald Schluss damit! -[3]Man fragt sich auch, weshalb die Kirchendiener beim
Volk so verrufen sind und geradezu vom "Hass des Vatinius"3 verfolgt werden. Thamer wirdBriefe_Vol_20-164 arpa
nämlich oft ins Gesicht gesagt, dass die Lage erst dann besser wird, wenn alle Pfaffen 4 am
Galgen hängen! Diesen Kritikern hält er dann die Geschichte des Hohenpriesters Kaiphas und
der Juden entgegen (die zur Hinrichtung von Christus aufriefen, diesen und die Apostel töteten,
dann aber [Jerusalem] und ihren Tempel verloren), um sie danach zu warnen, dass
ihnen wohl Ähnliches zustoßen werde! -[4]Derzeit schaffen die Reichen ihr Hab und Gut in
die benachbarten Ortschaften, in die Gebiete des Mainzer Bischofs Sebastian von Heusenstamm,
und lassen sich dort für viel Geld einbürgern, ohne dass Landgraf Philipp von Hessen
etwas davon wüsste. Aus diesem Grund hat Thamer die hier beigelegte kleine Schrift verfasst, 5
in der er zeigt, dass ein rechtgläubiger Christ nicht fliehen darf, besonders nicht zu den
unfrommen Papstanhängern, die man zu der Annahme verleiten könnte, dass die Überläufer
nicht nur mit ihren Beinen, sondern auch mit ihrem Verstand die Seite gewechselt haben!
Bullinger möge offen seine Meinung dazu schreiben. - [5] Gottes Geist hat den Landgrafen
wieder ergriffen, so dass dieser sich nun rüstet. 6 Angeblich begibt er sich nächste Woche zu
den [Rhein]bischöfen 7 , den Abgesandten des Antichristen 8 . Möge das der Erbauung der Kirche
dienen! Wir Menschen können wohl das Pferd rüsten, Gott allein aber schenkt das Gelingen.
Seine Kirche wird er wohl nicht im Stich lassen. Er züchtigt sie in dieser Welt, um ihr dann in
der Ewigkeit Trost zu spenden. 9 - [6]Außer den traurigen Nachrichten über die Machtausdehnung
Kaiser Karis V. gibt es nichts Neues. - [7] Diese zwei jungen Studenten seien
Bullinger ans Herz gelegt, auch wenn sie sich ihm wohl von selbst durch ihre Frömmigkeit und
ihren guten Lebenswandel empfehlen würden. - [8] Größe an Rudolf Gwalther und Otto
Werdmüller, an deren Frauen [Regula, geb. Zwingli, und Magdalena, geb. Gessner 10 ] sowie
an Bullingers Gattin Anna [geb. Adlischwyler]. Sofern es sich ziemt, seien unbekannterweise
auch Theodor Bibliander und die anderen Amtskollegen gegrüßt. 11