Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2882]

Johannes Gast
an Bullinger
Basel,
18. April 1547

Autograph: Zürich StA, E II 366, 195 (Siegelspur) Ungedruckt

[J] Jetzt wäre die passende Gelegenheit, um schöne, bunte und gute Wolle zu kaufen, denn schon zu Pfingsten [29. Mai] soll diese [zur Messe] nach Zurzach und daraufhin nach Straßburg weggebracht werden. Falls Bullinger daran interessiert ist, soll er die gewünschten Farben mitteilen. - [2] In Frankfurt kam es zu Unruhen wegen der Verhaftung von sechs Bürgern, die angeblich mit einem hessischen Adligen [Hans Ecker von Gelnhausen] eine Entführung von Maximilian von Egmont, dein Grafen von Büren, planten. Manche meinen, dass die Nachricht erdichtet sei. -[3]Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen wird von den Böhmen und Polen unterstützt. Er soll Maximilian, den Sohn König Ferdinands, gefangen genommen und Herzog Moritz von Sachsen erschossen haben. Angeblich schreit der in einer kleinen Stadt umzingelte Ferdinand um Hilfe. Landgraf Philipp von Hessen soll stark rüsten, uni. das von Martin von Rossem und seinem niederländischen Heer belagerte Bremen zu befreien. Er habe aber kein Geschütz. Verbürgt ist, dass die Böhmen vom König abgefallen sind. -[4] In Straßburg wird wegen der schändlichen Unterwerfung ein Aufstand befürchtet. Oh, diese geizigen Kaufleute! Gruß.

S. in domino. Wen ir wöllent hupsche, wolgeferbte und ußerlesenae wolle a kouffen, so mögent ir mir die farben schicken. Ir fynden sy nymmer b hupscher dan jetz. Dorumb sind gewarnet by zitten. Uff pfingsten 1 furt man sy gon Zurzach und Straßburg.

Nova, quae fortasse tu melius nosti quam ego:

Es ist ein uffrur gsin zu Francfort, 6 burger gefangen. Mann seyt 2 , sy haben wöllen den von Büren 3 hinweg füren mit ein lantgrävischen edelman 4 . Etlich meynen, es sey allein ein argwon 5 von ynen.

a wolle fehlt in der Vorlage. Die Ergänzung erfolgt in Anlehnung an HBBW XVIII, Nr. 2721,[4]. 2724 und besonders 2728. -
b In der Vorlage mynner.
1 29. Mai. - In Zurzach (Kt. Aargau) wurden jährlich zwei Märkte abgehalten: Der erste acht Tage nach Pfingsten, der zweite am Verenatag (1. September); s. HBBW XV 354, Anm. 4. In Straßburg fand die Messe um den Johannistag (24. Juni) statt; s. HBBW XV 231, Anm. 9.
2 sagt.
3 Maximilian von Egmont, Graf von Büren, kaiserlicher Heerführer, dessen Truppen Frankfurt besetzt hielten.
4 Hans Ecker von Gelnhausen. - Hintergrund dieser entstellten Mitteilung Gasts ist ein Ereignis, das von Anton Kirchner, Geschichte der Stadt Frankfurt am Main, Teil 2, Frankfurt 1810, S. 136-141, detailliert
dargestellt wird: Von Büren war am 18. März nach Nürnberg zum Kaiser gereist. In Würzburg erfuhr er von einem in Kassel lange gefangen gehaltenen Spanier, dass ein hessischer Adliger, Hans Ecker von Gelnhausen aus Kassel, Diener des Landgrafen Philipp von Hessen, ein Spion wäre. Von Büren führte Gelnhausen nach Frankfurt, ließ ihn foltern und brachte ihn dazu, einen angeblichen Mitwisser, den Frankfurter Bürger Wilhelm von Werden gen. Weinbrenner anzuzeigen, mit dem er die Stadt hätte anzünden und an den Landgrafen verraten wollen. Unter Folter gab Weinbrenner vier weitere Bürger als Mitschuldige an,


Briefe_Vol_20-137arpa

Der Saxo elector 6 hat vil hülff von Behemen 7 und Polen; sol den Maximiliann, den son Ferdinandi, 8 gefangen haben, ducem Moritz 9 geschossen. Ferdinand schreitt umb hilff. Ist umbgeben 10 , belegert in ein stettli. 11 Man sagt, der lantgraff rust sich vast 12 . Wölle die zu Brem entschütten 13 , die belegert sindt vom Marti von Rossen 14 , der ein niderlendischen huffen hatt. Doch sol er kein geschütz by im haben. De Bohemis certum est, quod defecerunt a Ferdinando. 15

Argentinae timent seditionem ob turpem deditionem. 16 O miseri et bis miseri, imo avari mercatores! 17

Vale. Basilea, 18. aprilis 1547.

Tuus Gastius.

[Adresse auf der Rückseite:] An den wolgelerten herren Meyster Heinrych Bullinger, lütpriester zu Zurich, mynem lieben, günstigen herren, zu handen. Zurich.

die ebenfalls inhaftiert wurden. Gelnhausen und Weinbrenner wurden am 12. April 1547 enthauptet und gevierteilt. Von Büren ließ darüber eine Schrift drucken (VD16 W576-578). Vgl. ferner Melchior Ambach, Frankfurter Chronik 1546-47, in: Quellen zur Frankfurter Geschichte, hg. y. Hermann Grotefend, Bd. 2: Chroniken der Reformationszeit, Frankfurt a.M. 1888, S. 336. - Während bei Kirchner von einer Brandstiftung die Rede ist, spricht Gast von einem Entführungsplan. Die Zahl der inhaftierten Personen jedoch (vier Frankfurter Bürger sowie Weinbrenner und Gelnhausen) stimmt in beiden Berichten überein.
5 Erfindung.
6 Johann Friedrich I. von Sachsen.
7 Böhmen. - Siehe zuletzt Nr. 2880,17. 22f.
8 Der spätere Kaiser Maximilian II. (geb. 1527), Sohn von König Ferdinand I.
9 Herzog Moritz von Sachsen.
10 umzingelt; s. Grimm XXIII 901.
11 Die vorhergehenden Nachrichten sind alle falsch. Die Nachricht einer Belagerung des Königs erklärt sich durch
HBBW XIX 452,39-43. -Kaiser und König hatten am 13. April Eger in Richtung Norden verlassen; s. Nr. 2880, Anm. 12.
12 sehr.
13 befreien; s. SI VIII 1555.
14 Martin von Rossem (Maarten van Rossum), niederländisch-geldrischer Feldhauptmann im Dienste des Kaisers. - Bremen war von Jobst von Cruningen belagert worden (s. dazu HBBW XIX 421, Anm. 4), der am 4. April gestorben war; s. Rudolf Häpke, Die Regierung Karl V. und der europäische Norden, Lübeck 1914 (Nachdruck Hildesheim und New York 1976), S. 258.
15 Siehe dazu zuletzt Nr. 2875, Anm. 12.
16 Vgl. ähnliche Aussagen in Ludwig Lavaters letztem Brief vom 31. März 1547 (HBBW XIX 468,7f), in Oswald Myconius' Brief an Vadian vom 9. April (Vadian BW VI 616; Henrich, Myconius BW 958), und in Martin Bucers Brief an Myconius vom 11 April (Henrich, Myconius BW 958f). - Zu Straßburgs Unterwerfung s. HBBW XIX 347, Anm. 16.
17 Vgl. auch HBBW XIX 468f.