Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2519]

Oswald Myconius
an Bullinger
Basel,
30. Juli 1546

Autograph: Zürich StA, E II 336a, 241 (neu: 259)(Siegelspur) Ungedruckt

Alle bedauern sehr, dass die [kaiserlichen Fähnlein aus Salem] entkommen konnten. Die [Schmalkaldener] haben das nicht verdient, denn [Kaiser Karl V.] ist falsch und listiger als der Teufel. Er vermeidet den Kampf erzeugt dabei bei den [Schmalkaldenern]ein trügerisches Gefühl der Sicherheit und zwingt sie zu großen Ausgaben. Nur durch Buße und Gebet können der Glaube und die innere sowie auch die äußere Freiheit erhalten bleiben. Landgraf [Philipp von Hessen] ist am 16. [Juli] mit einem Heer aus Kassel gezogen. Am Sonntag davor [11. Juli] hat er mit der Gemeinde am Abendmahl teilgenommen. Er soll am 26. [Juli] über Würzburg hinaus gelangt sein. Jetzt befindet er sich in der Nähe der Feldlager der Schmalkaldener. Nach der Vereinigung mit ihnen wird er gegen den Kaiser vorstoßen; es sei denn, die Verbündeten halten ihn davon ab. König [Christian III.] von Dänemark und die [Hansestädte] rüsten gegen die [südlichen Niederlande]. Herzog Moritz [von Sachsen] bewacht die Grenzen zu den Territorien [König] Ferdinands, nämlich zur Lausitz, zu Schlesien und zu

k Siehe oben Anm. d.
1 Die drei Blätter dieses Briefes wurden so zusammengelegt, dass ein Teil des Umschlages aus f 631v. (wo auch das Siegel erhalten ist), der andere Teil aus f 628v. bestand.
115 beschlagnahmten. — Gemeint ist die bei Ulm beschlagnahmte Post; s. Nr. 2514 und Anm. 42.
116 genau.
117 geliehen.
118 die Schmalkaldener.
119 nämlich die Fugger und Welser bestrafen.
120 Vgl. 1 Kor 4, 5.
121 Fuhrleuten.


Briefe_Vol_17-259arpa

Böhmen. Karl V. verfolgt sein Ziel schon seit 25 Jahren. Welche Intrigen er seitdem gegen die Fürsten und Städte geschmiedet hat, wird sich Bullinger gut vorstellen können. Der Herr wird ihn aber für seine Lügen bestrafen! Bei der Einnahme von Weißenhorn soll ein recht großer Schatz beschlagnahmt worden sein. Abteien werden immer wieder besetzt, die Ortschaften des Augsburger Bischofs [Otto Truchsess von Waldburg] wurden belagert und weitere Städte gebrandschatzt. Ferner soll von feindlichen Truppen vergeblich ein Angriff gegen die [Graubündner] versucht worden sein. Die Schmalkaldener brauchen Geld; die Feinde haben es im Überfluss. Hoffentlich aber greifen jene nicht zu unlauteren Mitteln! Denn wenn Gott den Sieg geben will, wird er auch das nötige Geld für den Unterhalt der Söldner verschaffen. Trotz des durch die [katholischen Orte] bewirkten Verbots ziehen aus verschiedenen Kantonen der Schweiz große Mengen von Söldnern durch Basel, einige davon nach Straßburg. Bullinger hat gewiss von dem schrecklichen Blitzeinschlag in Solothurn gehört. Es sind einige Menschen dabei umgekommen. Grüße, u.a. an Rudolf [Gwalther].

S. Nemo satis mirari potest, quod e faucibus nostrorum bolus ille 1 ereptus est. 2 Dolent omnes, quod putant securitatem eos cepisse -quod malum haud decet nos contra hostem 3 adeo fraudulentum. Nam dolis est instructior vel ipso satana 4 et ex hoc fonte istud hauriet. Copiam pugne haud faciet, nisi cogatur Gandavensis 5 : Primo, ut securiores reddat, 6 deinde, ut fatiget et tandem, ut depauperet. 7 Occurrendum est itaque versipelli 8 in domino, qui novit et potest omnes astus mali infringere, 9 ac praeter ipsum nemo. 10 Cogitandum igitur nobis, quorsum nam populus sit impellendus, nempe ad poenitentiam et preces, ut retinere queamus religionem et libertatem, hoc est duplicem libertatem, internam et externam. Haec enim sola petuntur.

Sedecima huius Cassellis egressus est lantgraphius 11 cum exercitu, postquam cum ecclesia sua dominico precedente 12 communicasset et se precibus eius commisisset. Vigesima sexta putatur profectus ultra Wurtzburgum 13 et nunc non procul abesse a castris nostrorum; 14 cum quibus ubi se coniunxerit, petiturus est recta fontem mali, nisi prohibeatur a sociis.

Rex Danie 15 et civitates Saxonice 16 contra Belgas 17 se probe instruunt. Custodit autem dux Mauricius 18 fines communes a ditionibus Ferdinandi 19 vicinis, ut Lusitia 20 , Silesia, Bohemia. Gandavensis saxum hoc volvit 21 annis

1 Mit "bolus ille" sind die Truppen gemeint, die bei Salem (Salmansweiler) lagen und sich rechtzeitig (ehe sie von den Schmalkaldenern angegriffen wurden) nach Tirol zurückziehen konnten; s. Nr. 2505, Anm. 84 und Anm. 86.
2 Adagia 3, 6, 99 (ASD II/6 391, Nr. 2599).
3 Gemeint ist Kaiser Karl V.
4 Vgl. Gen 3, 1; 2Kor 11, 14; Apk 12,9.
5 Der in Gent geborene Kaiser.
6 Vgl. 1Thess 5, 3.
7 Indem die Schmalkaldener länger für den Unterhalt ihrer Truppen aufkommen müssen.
8 Karl V.; s. schon Nr. 2501,20.
9 Vgl. Hi 5, 12f; Ps 33 (Vulg. 32), 10f.
10 Vgl. Judith 5, 29.
11 Philipp von Hessen.
12 Am Sonntag, 11. Juli.
13 Siehe dazu Nr. 2514, Anm. 51: Nr. 2515, Anm. 3.
14 Siehe dazu Nr. 2518, Anm. 47.
15 Christian III. von Dänemark.
16 Gemeint sind die Hansestädte; vgl. Nr. 2511,34-42.
17 Die südlichen Niederlande. — Zur Sperre des Seewegs s. Nr. 2511, Anm. 30.
18 Herzog Moritz von Sachsen. — Vgl. dazu Nr. 2541,23f; Nr. 2603,23f.
19 König Ferdinands I.


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iam 25. Quibus fallaciis. quibus mendaciis sit interea contra principes et civitates usus, ipse cogitabis. Perdet autem dominus omnes, qui loquuntur mendacium. 22 Num ergo putas illum impune laturum sua mendacia?

Narratur hic Wishornum oppidum captum et thesaurum repertum satis grandem, 23 abbatias item passim occupari, 24 similiter et omnes civitates episcopi Augustani 25 receptas. Civitates quasdam multari pro incendio. 26 Milites a (equites adversariorum) a aliquid tentasse contra Leopontios 27 , nescio in quibus faucibus, sed infeliciter. Dic, si quid habes certi.

Queruntur nostri de indigentia pecuniae, qua tamen abundent hostes. Verentur ergo, ne quid sit facien[durn]b contra, quam deceat. Hoc mihi dolet vehementer. In hoc tamen sum, quod si dominus daturus est victoriam, ||241v. daturus est et pecuniam, unde milites sustentari poterunt.

Ex Helvetiorum Pagis 28 nescio quibus ingens hac vis transit, quicquid isti 29 prohibeant - belli certe viri. Et constat aliquem numerum esse nunc Argentine.

De fulmine, quod Salodorenses petiit 31 audisti nimirum. Crudele est, quod dicitur. Perierunt homines aliquot. Reliqui sic fuerunt territi, ut propemodum desperarint.

a- a Von Myconius am Rande nachgetragen.
b Textverlust durch Beschädigung des Papiers.
20 Lausitz.
21 Vgl. Adagia 2, 4, 40 (ASD 11/3 352, Nr. 1340).
22 Ps 5,7.
23 Dabei handelte es sich um die Beschlagnahmung des Gemeinen Pfennigs in Weißenhorn (Lkr. Neu-Ulm, Bayern): s. Nr. 2516.19-22.
24 Vgl. Nr. 2514,73f; Nr. 2538,35-40.
25 Otto Truchsess von Waldburg. — Vgl. dazu Nr. 2510,10f.
26 D.h., dass die Städte zahlen mussten, um nicht in Brand gesteckt zu werden.
27 Hier wohl im Sinne von Graubündner, wie dies aus Heinrich Glarean, Descriptio de situ Helvetiae et vicinis gentibus Idem de Quatuor Helvetiorum Pagis cum commentariis Osvaldi Myconii, Basel, Johannes Froben, 1519 (VD16 L2675), S. 60, hervorgeht. —Zum Begriff "Leopontius" s. schon Nr. 2494, Anm. 8.
28 Die Schweizer Kantone.
29 Gemeint sind hauptsächlich die katholischen Orte; vgl. Nr. 2478, Anm. 30; Nr. 2489, Anm. 33, und die Verweise in Nr. 2505, Anm. 48.
30 Vgl. Nr. 2515,3f.
31 Am 26. Juli 1546 wurde in Solothurn der Nideggturm von einem Blitzschlag getroffen,
wobei 30 Zentner Büchsenpulver explodierten, fünf Menschen starben und viele verletzt wurden. Den später errichteten Neubau nannte man Riedholzturm; s. Benno Schubiger, Die Kunstdenkmäler des Kantons Solothurn, Bd. 1: Die Stadt Solothurn I, Basel 1994, S. 168. 222, Anm. 128; Bruno Weber, "In absoluti hominis historia persequenda". Über die Richtigkeit wissenschaftlicher Illustration in einigen Basler und Zürcher Drucken des 16. Jahrhunderts, in: Gutenberg-Jahrbuch 61, 1986, S. 107f; Vadian BW VI 554. Das Unglück wurde sogar in einem Augsburger Druck festgehalten; s. Beschreibung der grausamen erschröcklichen geschicht vom Himmel herab mit ungewonlichem Wetter, Plitzen, Feürsträl und Hageln [...] zu Mecheln in Brabandt, zu Soleturn in Schweitz und zu Lezo in Neapels..., [Augsburg] 1546, f. Aiij,v. (VD16 B2213 — Nachdruck in Robert Foncke, Die Explosion des Mechelner Sandtores (1546) in Flugschriften der damaligen Zeit, Antwerpen/Paris/Amsterdam 1932, S. 75-85), wo die Begebenheit fälschlich auf den 27. Juli datiert wird (es gibt einen weiteren Druck dieses Berichtes in aaO, B2212); s. ferner Nr.


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Vale in Christo, in quo et fortis sis cum Rodulpho 32 et aliis fratribus. Basileae, 30. iulii anno 1546.

O. M. tuus.

[Adresse darunter:] D. Heinricho Bullingero, viro doctissimo, fratri in domino observando suo.