Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2599]

Hartmann von Hallwyl
an Bullinger
Donauwörth,
26. September 1546

Autograph: Zürich StA, E II 360, 403 (ohne Siegel) a Ungedruckt

Hallwyl meint, dass es ein grober Fehler war, das niederländische Heer ungehindert zum Kaiser [Karl V.]gelangen zu lassen. Seitdem zeigt sich jedoch der Kaiser nicht aggressiver, noch zeigt er sich scheu, indem er etwa das an der Donau liegende Gebiet, auf dem sich die [schmalkaldischen]Truppen aufhalten, vermeiden würde. Auch Letztere sind [durch den Zuzug der Truppen unter der Führung des Grafen Christoph von Oldenburg] merklich verstärkt worden. Es gibt heftige Scharmützel. Die Truppen des Grafen von Oldenburg sollen in einem Dorf [...] 200 Spanier getötet haben. Landgraf [Philipp von Hessen] misst dem Verlust Neuburgs [a.d. Donau]keine große Bedeutung bei (wohl aber dem Verrat der Hauptleute, die dort lagen). in Anspielung auf das kürzlich stattgefundene Gespräch mit Bullinger berichtet Hallwyl, dass ein [schriftliches] Gesuch des [Schmalkaldischen Bundes] an die [protestantischen] Städte der Eidgenossenschaft nun sicher ist. Bullinger soll dafür sorgen, dass man aus der Antwort deutlich spüren kann, wie wichtig den [protestantischen]Eidgenossen Gott, ihre Religion und ihre Freiheit sind. Bei einer lauen Antwort würden sie Spott und Arger erregen, ja sie würden bestimmt Gottes Strafe zu spüren bekommen. Also Mut! im Lager lobt Hallwyl stets die Standhaftigkeit und Aufrichtigkeit der Zürcher Obrigkeit, über die er ja vor kurzem unterrichtet wurde. Sollte man zur Handlung schreiten, wird man wohl wissen, wie dies anzustellen sei. Alles kann man ja nicht dem Papier anvertrauen. Der Weise wird verstehen. Gott helfe! [P.S.:]Das Thema Graubünden wird in Hallwyls Gegenwart oft angeschnitten. Zürich möge mit diesem Ort intensiv verhandeln und dann berichten. Viele fremde Angreifer würden die Verzögerungstaktik des Kaisers verderben können.

Min gütwillig, frewntlich dinst zefor, lieber her und gütter frewndt. Der kriegßhandlong halb ist miner achtong nit kleiner feler geschechen, das das niderlendisch volck one einiche 1 verhinderong zw dem keysser 2 ankommen ist. 3 Kan aber noch nit vermercken, das der kyßer von der selben ankunft um so fil trutzlich oder vermeßelich sige 4 worden, weder das er stetz noch 5 des lantz an der Tonow sich halttet, uff dem die unsern nit ligent. 6 Es habent auch die unsern sich nach sines kriegßvolcks uß dem Niderlandt ankunft mercklichen gesterckt. 7 Wirt diser zit nutzit 8 anderst gehandlet, dan 9 starcke scharmutz und wunderbarlich fil armer lüten gemacht. Uff den 24. septembris sollent des graffen von Altenburg 10 volck 200 Spangier in einem dorff 11

a Mit Schnittspuren.
1 irgendeine.
2 Karl V.
3 Das niederländische Heer unter der Leitung von Feldherr Maximilian von Egmont, Graf von Büren, das sich am 15. und 16. September dem kaiserlichen Heer bei Ingolstadt angeschlossen hatte; s. Nr. 2560, Anm. 39.
4 sei.
5 nach.
6 Vgl. Nr. 2594,31-33.
7 Nämlich durch das vom Grafen Christoph von Oldenburg geführte Heer, das sich dem niederländischen Heer hätte widersetzen sollen; s. zuletzt Nr. 2585,62— 64.
8 nichts; s. Götze 169.
9 als.


Briefe_Vol_17-507arpa

erlegt haben. Den verlurst um Newenburg 12 han ich von dem landtgraffen 13 verstanden, das (ußerthalb 14 der verreterei, so die houptleutt 15 , so darinnen gelegen, geprucht handt) b nit groß geachtet wirt. 16

Der sachen halb, wie wir nechst geret handt, 17 richtent sich dohin, das ich achten, die evangelischen stett in der Eidgnoschaft 18 werdent von disen stenden 19 angesucht werden, 20 wie ir one zwiffel das vernemen werdent. Da 21 wellent mitt ernst und flis anhaltten bei den ewern, damitt dermassen antwurt daruff falle, das man warlich spüren und sechen mege, das unß der lieb got, sin namen und eer, unsere religion und libertet lieber sige dan die ubrige gantze welt. Wo 22 das nit geschicht, wirt unser lawer sin 23 und gemutt zw unserm grossen spott und verachnis bei aller welt verschreit werden, und unvermeidenliche straff ||403v. gottes volgen. Wolan! Ir wussent den sachen woll recht zethun. Ich preissen 24 allenthalb hie 25 miner herren von Zürich standthafte und redlikeit in disen sachen (wie sei mich dan nechst 26 des undericht). One zwiffel wirdt es sich ietzt an der tadt gnugsam erfinden. 27 So

b Klammern ergänzt.
10 Graf Christoph von Oldenburg; s. Nr. 2558, Anm. 23.
11 Unbekannt. — Zur hier erwähnten Episode konnte nichts Näheres ermittelt werden. Heinrich Thomann erwähnt sie ebenfalls in seinem Brief an den Zürcher Rat vom 25. September (Zürich StA, A 177, Nr. 46), doch wird seine Quelle auch Hallwyl gewesen sein.
12 Neuburg an der Donau; s. dazu die Verweise in Nr. 2594, Anm. 42.
H Philipp von Hessen.
14 abgesehen von.
15 Zu deren Namen s. Nr. 2596, Anm. 22.
16 Vgl. aber Nr. 2596,27-40.
17 Dieser Angabe zufolge ist der ins schmalkaldische Lager zurückreisende Hartmann [III.] von Hallwyl (der Mitte August aus dem schmalkaldischen Lager nach Bern bestellt worden war; s. Nr. 2538,2-8) durch Zürich gereist (vgl. auch unten Z. 241), wo er sich offensichtlich mit Bullinger unterhielt. Die Durchreise in Zürich ist ferner durch die Tatsache belegt, dass Hallwyl, der spätestens am 22. September ins schmalkaldische Lager zurückgekehrt war, Thomann einen am 15. September verfassten und an ihn gerichteten Brief des Zürcher Rats übermittelte; s. EA IV/1d 736 (22. September).
18 Die protestantischen Stadtkantone Basel, Bern, Schaffhausen und Zürich.
19 dem Schmalkaldischen Bund.
20 Am 26. September schrieben tatsächlich Kurfüst Johann Friedrich von Sachsen, Landgraf Philipp von Hessen und der Kriegsrat des Schmalkaldischen Bundes einen Brief an Zürich, Bern, Basel und Schaffhausen: Man hätte aus der Instruktion des zum zweiten Mal ins Lager gesandten Hallwyl "die große Neigung der Städte zu ihren Religionsverwandten entnommen". Angesichts der Tatsache, dass, falls der Feind siegen würde, dies ebenfalls das Verderben der Stadtkantone bedeuten würde, werden diese gebeten, "den Papst und Kaiser in 'sinen' ihnen benachbarten Landen" anzugreifen... "Da der Feind seine Abgötterei mit der Faust aufrecht halten wolle, so sei an einen gütlichen Vergleich nicht zu denken; sollte aber ein solcher zu Stande kommen, so würden die Städte in demselben eingeschlossen werden" (EA IV/1d 739f). Aus einem Brief Thomanns an Zürich vom 16. September entnimmt man ferner, dass man der Meinung war, dass die Stadtkantone das Elsass belagern sollten (aaO, S. 737).
21 Dann.
22 Wenn.
23 lawer sin: laue Gesinnung.
24 lobe.
25 Im schmalkaldischen Lager.
26 dan nechst: vor kurzem. — Vgl. oben Anm. 17.


Briefe_Vol_17-508arpa

es zw handlong wurde komen, würdent, wie ich gemerckt 28 , erliche, zimliche 29 , sichere mittel megen erfunden werden. Es last sich nit alles schriben. Dem weissen 30 ist gnog darvon geseit. 31 Der herro got gebe sin gnadt. 32

Datum im feidtlager Donenwerdt, den 26. septembris im 46. iar.

Hartman von Halwil.

Der Grawen püntten halb bin ich fil angesprochen, wie mitt denen ze handlen were, dan sie zw dem handel fest dinstlich geachtet. Mechte durch Zwrich an dem Ort fil gehandlet werden! 33 Wellent deßi 34 nachgedencken haben und mich ewers bedenckens berichten. Dem keysser mögent sine rattschleg, die er uff beharen 35 grichtet, anderer gestalt nit bass vernittiget 36 werden, dan fil frembder hendt im das harr zerichten 37

[Ohne Adresse.]