Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2463]

Bullinger an
Ambrosius Blarer
Zürich,
18. Juni 1546

Autograph: St. Gallen Kantonsbibliothek (Vadiana), Ms 35 (VBS VI), 148 (Siegelabdruck) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 449f, Nr. 1292

Blarer möge den beiliegenden Brief [Nr. 2464]vertraulich nach Augsburg an (Georg Frölich] weiterleiten. Der Bischof von Lund und Roskilde [Johann von Weeze] verbrachte etliche

Bitte um Entsendung von Hilfstruppen: s. dazu Nr. 2460,2-8.
16 Die Eidgenossen.
17 Vgl. Roth, Augsburg III 361-363.
18 Vgl. Mt 13, 38.
19 Hallers Standhaftigkeit ist auch in anderen Quellen belegt: s. Roth, Augsburg III 352f.
20 Hallers Frau Elsbeth, geb. Kambli, und Tochter Agnes: s. HBBW XVI 77, Anm. 3.
21 Hallers Sohn, der ebenfalls den Namen Johannes erhielt, wurde in der Nacht vom
23. auf den 24. Juli 1546 geboren; s. Nr. 2511,134-136; die Notiz Wolfgang Hallers unter dem 24. Juli 1546, in: Kalender für die Jahre 1544 bis 1546, Zürich ZB, Ms D 269/3: "Natus fratri nostro filius Augustie Vindelicorum". — Johannes Haller d.J. wurde später Pfarrer an verschiedenen Orten und wirkte zuletzt von 1580 bis 1586 am Berner Münster. Er starb am 14. Oktober 1595; s. Bähler, Haller 29, Anm. 110; Pf-Bern 32. 35. 72. 109. 160. 349.


Briefe_Vol_17-093arpa

Wochen in den Fünf Orten, wo er weihte und firmte. Allerdings befürchtet man, dass er Böses im Schilde führte und die [katholischen Orte] dazu verleitete, sich dem Schmalkaldischen Bund gegenüber ablehnend zu zeigen und dem Papst [Paul III.]Söldner zu überlassen, um den alten Glauben zu schützen und den neuen zu unterdrücken. Genaues weiß man allerdings nicht. Am [10. Juni] hat von Weeze auf der Durchreise in Zürich übernachtet. Einige Räte haben brauchgemäß mit ihm in der Herberge gespeist, aber nichts erreicht. Er hat vorgegeben, mit König [Ferdinand] und Kaiser [Karl V.] nicht völlig zufrieden zu sein, weil diese einen Grafen in die Reichenau einsetzen wollten. Alles reine Täuschung! Blarer soll dem Kaiser [Karl V. ] nicht trauen. Er soll ferner Bullinger auf dem Laufenden halten, was er seinerseits auch tun wird. Den Teilnehmern am [Konzil] zu Trient ist nicht zu trauen; sie geben keine Ruhe, bis es zum Krieg kommt. Bullinger arbeitet an seinem Lukaskommentar, der abschnittsweise gleich in den Druck geht. Momentan ist er beim dritten Kapitel des neunten Buches. Blarer soll entschuldigen, dass er daher seltener schreibt. Er soll die Briefboten von Konstanz zur Gutwilligkeit ermahnen. Bullinger entlohnt sie ja.

Gnad und frid. Ich bitt gar trüwlich, ir wollind disen brieff 1 fürderlich dem stattschryber 2 gen Augspurg vertruwcklich 3 , und das er versorget sye 4 , schicken. Uns ligt ettwas dran.

Wyter wüssend, das der byß dschaff von Lundis und Roßhyld 6 in den V orten 7 xin 8 ettlich wuchen. 9 Da hat er gewycht 10 und gefirmpt. Manch biderman sorgt aber, er hab seltzame pratticken gefürt 11 , joch 12 zum minsten die ort abgewendt, das sy dester minder bescheid dem schmalkaldischen a pundt gäbind, 13 vilicht dem papst 14 knächt lassind, den allten glouben schirmen hälffind und den nuwen undertrucken. Man weist wol nut eigentlichs 15 . Man denckt aber nut guts. So kan man den lüten gar nut guts truwen, dann sy haltend sich darnach. 16 Als er hie Zürych durchgeritten, ist er donstags by nacht 17 kummen, ist nie uß der herberg gangen und morndes 18 darvon geylt.

a In der Vorlage Sch.
1 Brief Nr. 2464 vom 18. Juni, den Blarer dem Augsburger Boten anvertraute; s. Nr. 2468,2f.
2 Georg Frölich.
3 vertraulich.
4 das er versorget sye: dass man sorgfältig mit dem [Brief] umgeht.
5 Wortspiel "Beiß die Schafe" für "Bischof" unter Anspielung auf Mt 7, 15.
6 Johann von Weeze, nominell seit 1522 Erzbischof von Lund (Schweden) und seit 1530 Bischof von Roskilde (Dänemark); seit 1538 Bischof von Konstanz und kaiserlicher Gesandter.
7 Vgl. ferner Bullingers Bericht über von Weezes Besuch in Unterwalden und Schwyz in Nr. 2474,11-18.
8 gewesen ist.
9 Zu von Weezes Besuch in der Eidgenossenschaft und seiner Werbung für den Kaiser s. Zürich StA, A 205/1, Nr. 212
vom 21. Juni 1546; EA IV/1d 621f b. 681 c; PC IV/1 134, Nr. 100; 149, Nr. 119. Von Weeze soll Geld für den Kaiser gesammelt sowie die katholischen Orte aufgefordert haben, die protestantischen Städte daran zu hindern, den Schmalkaldenern beizustehen. —Vgl. den ähnlichen Bericht Bullingers an Frölich vom gleichen Tag (Nr. 2464,3-15).
10 geweiht; Segen gespendet.
11 pratticken gefürt: Intrigen gesponnen.
12 doch.
13 nämlich, ob sie bereit wären, Söldner zu schicken; vgl. Nr. 2460,5-8.
14 Paul III.
15 Sicheres, Genaues.
16 dann sy haltend sich darnach: denn sie erwecken diesen Eindruck.
17 Am 10. Juni 1546; vgl. Nr. 2469,15f.
18 Am folgenden Morgen.


Briefe_Vol_17-094arpa

Ettlich von räten habend mitt imm geässen und, wie der bruch 19 , geschenckt 20 , doch alles bimm nächsten 21 blyben lassen. 22 Da hatt er der glychen than, alls ob er nitt wol mitt königen 23 und keysern 24 zefriden, und wie sy ein graffen wöllind in die Ow 25 setzen, das imm ungeneimm 26 , etc. Alles nut dann betrug.

Lieber, lugend 27 ir, das ir dem keyser nitt ze vil truwind 28 und üch fürsähind 29 . Lassend mich allwäg wüssen, wie die sachen stand; das wil ich üch ouch. Wyter hab ich jetzund nitt könen schryben.

Die 31 zu Trient 30 sind roete buben ; ruwend nitt, biß sy das schwert uß der scheyden bringend. Man fund ein, er gedächt und redt: diewyl sy es nitt in der scheyden lassen, werend sy nitt ungeschickt zue scheiden! 32

Scribo iam in Lucam 33 et imprimuntur simul, quae scripsi. Versor jam in cap. 9. libro tertio. 34 Condonabis ergo, quod hucusque scripsi rarius.

Vale. Tiguri, 18. iunii 1546.

Lieber, redent zur sach, wenn ettwan üwer löüffer her kummend und ich inen gern brieff gäb, das sy willig und holdtselig 35 syennd. Ich begärs nitt umb sunst. 36

Bullingerus tuus.

[Adresse auf der Rückseite:] Dem hoch und wolgelerten, frommen und getruwen m. Ambrosyen Blaureren, predicanten zu Constantz, sinem fürgeliepten herren b .

b Darunter von Blarers Hand das Empfangsdatum: 21. iunii 1546. 19 Brauch.
20 Vgl. Zürich StA, Seckelamt Rechnungen F III 32, Rechnungsbuch 1545/46, S. 103 der Ausgabenabteilung, ein undatierter Eintrag (der vierte, nach einem Eintrag vom 9. Juni): "Um die visch, so man herrn Bischof von Costantz geschenk hat: 5 lib., 8 Schilling, 6 Heller".
21 bimm nachsten: beim Notwendigsten; bei dem, was sich gebührt.
22 Im Brief vom 22. Juni beschreibt Bullinger den Empfang des Bischofs in Zürich näher; s. Nr. 2469,14-30.
23 Ferdinand I. 24 Karl V.
25 Reichenau. — 1546 hatten die schwäbischen Reichsstädte im Schmalkaldischen Bund beschlossen, die Klöster, u.a. auch auf der Reichenau, aufzuheben. Der Konstanzer Rat verhinderte dies jedoch; s. Franz Xaver Conrad Steiger, Die Insel Reichenau im Untersee (Bodensee, bei Constanz) mit ihrer ehemaligen berühmten Reichs-Abtei, Konstanz 1860, S. 152.
26 unangenehm [sei].
27 achtet.
28 vertraut.
29 vorseht.
30 Am Konzil zu Trient.
31 "Buben", hier als Schimpfwort. Bullinger spielt auf die Kardinäle in ihrem roten Ornat und generell auf die Geistlichen an.
32 Gemeint ist: man versuche doch, einen zu finden, der glauben und sagen würde, dass sie (die Geistlichen) fähig wären zu schlichten, ohne zum Schwert zu greifen!
33 Bullingers Lukaskommentar, dessen Widmungsvorrede von August 1546 datiert und der bei Christoph Froschauer gedruckt wurde; s. Nr. 2545 und Anm. 2.
34 D.h. etwa in der Mitte, auch wenn Bullingers Kommentar in 9 Bücher aufgeteilt ist und das Lukasevangelium 24 Kapitel zählt.
35 zuvorkommend.
36 Siehe Blarers Antwort; Nr. 2468,18-22.