Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2468]

Ambrosius Blarer
an Bullinger
[Konstanz],
21. Juni [1546]

Autograph: Zürich StA, E II 357a, 624 (Siegelspur) Zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW 450f, Nr. 1293

Blarer schreibt in Eile. Bullingers Brief [Nr. 2464]für [Georg Frölich] hat er dem Augsburger Boten [...] anvertraut. Die Diener des Konstanzer Bischofs [Johann von Weeze]prahlen damit, dass dieser angeblich von den [Fünf]Orten wie Kaiser [Karl V. ]behandelt worden sei. Er soll über 18'000 Menschen gefirmt haben. Man sagt auch, er habe 14 Tage in Zürich verbracht und sei dort auf das Beste und kostenfrei beherbergt worden, was sehr befremdet. Der Konstanzer und der Augsburger Rat werden die Zürcher über die Geschehnisse und auch über die Werbungen des Kaisers um Truppen (die er angeblich anderswo einsetzen will) unterrichtet haben. Die Lage mahnt zur Vorsicht. Es überrascht Blarer, dass die Konstanzer Briefüberbringer nur ungern Briefe [aus Zürich]mitnehmen, da sie sich ihm gegenüber immer bereitwillig zeigen; auch gibt er ihnen immer Trinkgeld. Bezog Bullinger sich denn auf den Stadtboten [...] oder auf die Metzger, die Blarer auch stets entlohnt? Bullingers Lukaskommentar möge so erfolgreich werden wie dessen frühere [Bibelkommentare]! Pfalzgraf [Friedrich] möchte [Martin] Frecht aus Ulm für die Reform der Heidelberger Universität berufen. Deshalb würde Frecht gern [Johannes] Marbach [als Nachfolger] gewinnen, doch auch die Ravensburger wollen diesen und haben darum schon nach Straßburg geschrieben. [P.S.:]Bullinger wird sicher über die Räuberbande [am Bodensee], zu der auch Eidgenossen gehören, informiert sein. Blarer wundert sich, dass [Konrad] Hofherr so lange nicht geschrieben hat. Dieser soll von Bullinger aufgefordert werden, an seinen [Mäzen], den Augsburger Bürgermeister Jakob Herbrot, zu schreiben, der über seine Undankbarkeit sehr verärgert ist.

Gnad und frid durch Christum, etc. Lieber herr und brüder, in höhster yl: Ewern brieff 2 hab ich dem botten von Augspurg 3 uff fleysigst bevolchen, dem stattschreiber 4 ze uberantwurten. Hoff, er werds thain 5 .

Unsers bischoffs a6 halber habend sich seine diener vyl gerümpt, wie hoch und herrlich man inn in den orten und nitt anderst dann den kaiser 7 selbs gehalten habe, und aller ding costfrey. Hab ob 8 achtzechentausend menschen gefirmbt. Ist ouch die gantz sag hie aussgangen, er seye 14 tag zu Zürich gewesen und zum besten gehalten, ouch letstlich uss der herrberg gelöst worden, 9 welchs unß sehr befrombt. 10

a Am Rand in der Hand Blarers und wegen des engen Einbandes nur zum Teil lesbar: [m]elius tu [dicis by]ß dschaf. Vgl. nämlich Nr. 2463, 4-17
1 Das Jahr ergibt sich aus dem Inhalt.
2 Brief Nr. 2464 vom 18. Juni, den Bullinger seinem Brief an Blarer vom gleichen Tag beigelegt hatte; s. Nr. 2463,1-3.
3 Unbekannt.
4 Georg Frölich.
5 tun.
6 Johann von Weeze.
7 Karl V.
8 über, oder: etwa; s. SI I/1 49e.
9 D.h. dass seine Beherbergungskosten übernommen worden wären.
10 Zu Bullingers Bericht über von Weezes Besuch in der Eidgenossenschaft und in Zürich, wo er nur einmal übernachtete, s. Nr. 2463,4-17, sowie Nr. 2474,11-18.


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Der löff 11 halber und wievyl der kaiser allenthalb knecht annem, werden ewere herren von den unseren bericht sein, 12 wie ouch von den von Augspurg. 13 Es langt aber ettlich miner herren gar glouplich an, 14 das der kaiser all dise rustung und knecht anderschwa 15 hin bruchen welle. Aber noch danecht 16 ist den sachen nitt ze trauwen und hell uffzusechen 17 . Wir wissend, das wir übels wol beschuldt, dessgleichen das unser find hertzens und willens gnug haben, unnß zu verderben. Gott schiks mitt gnaden und zichtige 18 unß zu seinen ehren.

Das unser löfer 19 unwillig seind, brieff ze nemen, befrömbdt mich zum höchsten, dann sy gar der unglichen thaind 20 . So gib ich inen alweg 21 das trinckgelt und wän 22 , sy seyen wol zefriden. Bitt euch, mir in vertrauwen anzezögen, welche sich unwilligt erzögt 23 habind, diser stattbott 24 oder die metzger, denen ich doch ouch allweg Ionen 25 .

Dominus conatus tuos in Lucam 26 suo spiritu bene fortunet, ut non minus foeliciter hic quam prius in aliis 27 optimi enarratoris omnes numeros impleas.

Pfaltzgrauff 28 begert Frechten 29 zu Ulm, die schul Haidelberg ze reformieren. Und sech 31 Frechtus gern, das doctor Hans Marpach 32 gen Ulm

11 Ereignisse.
12 Nämlich durch das Schreiben des Konstanzer Rates an den Zürcher Rat vom 17. Juni (Zürich StA, A 177, Nr. 2).
13 Mit dem Brief des Augsburger Rates an Zürich vom 13. Juni 1546 (Zürich SIA. A 202/1, Nr. 10).
14 Es langt aber ettlich miner herren gar glouplich an: Es kommt aber meinen Herren sehr glaubwürdig zu Ohren.
15 Nämlich angeblich in Portugal; s. Nr. 2464,19f.
16 noch danecht: dennoch.
17 hell uffzusechen: [gilt es] wachsam zu sein.
18 züchtige.
19 Läufer, Briefboten.
20 dann sy gar der unglichen thaind: da sie ganz den gegenteiligen Eindruck erwecken. 21 immer.
22 denke.
23 erwiesen.
24 Dieser Bote ist ohne Namensangabe in Zürich StA, Seckelamt Rechnungen F III 32, Rechnungsbuch 1545/46, S. 106 der Ausgabenabteilung, nachgewiesen.
25 lonen: stets bezahle. — Vgl. Bullingers Beschwerde in Nr. 2463,27-29.
26 Bullingers Lukaskommentar; vgl. Nr. 2463,24f. — Zum Druck s. Nr. 2545, Anm. 2.
27 Bullingers Bibelkommentare, von denen bis Juni 1546 Folgende schon erschienen waren (mit Datum der Erstausgabe): Kommentare zur Apostelgeschichte (1533), zu allen neutestamentlichen Briefen (1537), zum Matthäus- (1542), Johannes- (1543) und Markusevangelium (1545). Zu denken wäre auch an die Schrift "De Scripturae sanctae authoritate" (1538); s. HBBW XV 94, Anm. 4.
28 Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz.
29 Martin Frecht, der die Berufung nach Heidelberg ablehnte; s. Hans Rott, Friedrich II. von der Pfalz und die Reformation, Heidelberg 1904 — Heidelberger Abhandlungen zur Mittleren und Neueren Geschichte 4, S. 82. 88.
30 Zu der angestrebten Reform der Heidelberger Universität, für die der Kurfürst zuerst Melanchthon vorgesehen hatte, und zur Berufung von Paul Fagius s. HBBW XVI 105f,77-79; Rott, aaO, S. 70-75. 31 sähe.
32 Johannes Marbach war damals Pfarrer in Straßburg.


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keme, aber die von Ravenspurg haben sin 33 ouch ernstlich begert und denen von Strasburg desshalb geschriben. 34

Datum in grosser yl, aubends 21. iunii.

A.B.

Der newen brenner 35 halber, under denen ettlich aidgnossen sind, werden ir gut wissen haben. 36

Curionem 37 valde miror adeo pertinaciter cessare nec quicquam ad nos scribere. 38 Dic, ut quamprimum literas scribat ad consulem Augustanurn lacobum Herbrot 39 , quem pessime habet hominis ingratitudo, quod nunquam quicquam scribit nec pro collocatis in se beneficiis gratias agit.

[Adresse auf der Rückseite:] Dem hochgelerten christlichen herrn Heinrich Bullinger, meinem insonder vertrauten, vylgeliepten herrnn unnd bruder zu Zürich, etc.