Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2262]

Bullinger an
Oswald Myconius
Zürich,
7. Oktober 1545

Autograph: Zürich StA, E II 342, 131 (Siegelabdruck) Ungedruckt

Im Namen ihrer Freundschaft will Bullinger nicht mehr mit Myconius über dessen [Markus]kommentar streiten. Dass Myconius mit Gwalther nicht gut auskommt, ist bedauerlich, zumal Gwalther ein treuer und frommer Mensch ist. Was Kaiser Diokletian [Karl V.] dem alten [Hermann von Wied] antut, hat Bullinger schon längst erfahren. Möge Gott Ersteren dabei zerschmettern! Am 11. Oktober findet in Baden eine durch die Provokationen des Statthalters von Mailand [Alfonso d'Avalos] veranlasste Tagsatzung statt. Auch wird man über die Erneuerung der Blinde handeln. Myconius soll dafür sorgen, dass die Basler sich weigern, die Bünde unter Anrufung der Heiligen zu schwören, so, wie die Berner (die diesbezüglich geschrieben haben) es auch tun werden. [Heinrich] Buchter lässt dankend grüßen. Mit [Kaspar]Schneeberger wird Bullinger gemäß Myconius' Rat umgehen. In der Antwort an diesen [Nr. 2255] betreffend Schwenckfeld schrieb Bullinger im Namen aller Pfarrer. Dass Myconius darauf noch nicht reagiert hat, ist verwunderlich. Hoffentlich hat er den Satz "Lasst uns weiterhin wegen [Schwenckfeld] in Ruhe!" nicht auf sich bezogen, sondern ihn als eine weiter zu vermittelnde Antwort der Zürcher an die Ansuchenden verstanden. Myconius soll sich vor Schwenckfeld und den Seinen hüten! Bullinger empfiehlt Ludwig, den vielversprechenden Sohn des Bürgermeisters [Hans Rudolf] Lavater. Ludwig wird in Straßburg studieren. Bullinger bittet um Nachricht über die Niederlande.

Gratiam et pacem. De commentariis tuis,' domine et frater honorande, nihil dicam amplius. Bene res habet. Manet inviolata amicitia nostra. Si non bene convenit tibi cum Gvalthero 2 doleo; nam ego illum amo synceriter et experior in diem pium esse et fidelem. Spero autem te aliquando melius de illo iudicaturum et ipsum erga te fore magis comem et gratum.

Negotium, quod caesar Diocletianus 3 facessit optimo sem 4 vidi, audivi et legi iam pridem. Ago interim gratias pro tua fide et diligentia. 5 Quid, si concideret impius nebulo, dum impingere vult caput in 6 optime meritum senem? Oremus dominum, ut eripiat ipsum ex ore leonis. 7

Indicta sunt Badenam comitia ad 11. huius diem diens. maxime propter vicarii Mediolanensis 9 iniurias, tum propter alias etiam causas, quas haud dubie non ignoras. Agetur et de renovandis foederibus. 10 Tu apud tuos effice, das

1 Myconius' Markuskommentar von 1538; s. zuletzt oben Nr. 2252, 2-8.
2 Siehe dazu oben Nr. 2234, 18f; 2252,8-14.
3 Römischer Kaiser (Ende 3. Jh.), der die Christen verfolgte, und unter dem hier Karl V. zu verstehen ist.
4 Hermann von Wied.
5 Bezug auf oben Nr. 2252, 15-25.
6 Der eigentliche Ausdruck lautet: impingere caput in murum/parietem. Hier aber
liegt wohl zugleich eine Anspielung auf Mt 21, 44 par.. vor.
7 Vgl. Ps 22 (Vuig. 21), 22; 2Tun 4, 17.
8 Richtig: 19. Oktober; s. oben Nr. 2260 und Anm. 6.
9 Alfonso d'Avalos, Marchese del Vasto (Guasto), Statthalter von Mailand; s. dazu oben Nr. 2260, 12-16, Anm. 13. — Siehe ferner unten Nr. 2288.
10 Siehe dazu oben Nr. 2129. 2141 2144. Zur


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sy eintwäders ouch fry heruß sagind, wie sy schweren wellind, namlich alein by gott und nitt by den heylgen, wie ouch die von Bernn vorgestern minen herren geschriben habend, 11 das sy nitt anders schwerren werdint (anders söll nieman von inen reden, etc. Y. oder das sy daran syend, das man das schwerren dißmals rüwen laß und man die pündt 12 suß 13 hallt, wie dann"14 die 5 ort 15 ouch meinend, es bedörff keins schwerens, wenn man suß trüw sye, etc.

D. Buchterus 16 te officiose salutat et agit tibi gratias. 17 Schnebergerum 18 amice excepi. Tractabo amicissime; videtur enim omnino talis esse, qualem tu pingis. 19

Scripsi de Schwenkfeldio 20 quod non ego modo, sed reliqui omnes unanimiter sentiunt. Miror autem, cum eas receperis, quas misi literas, nihil tamen responderis. 21 Non aegre feres, quod inter alia dicimus: "Lassend uns fürohin rñwig." Ideo enim adiecimus id, ut tu commodius precantes et interpellantes abs te abigere valeas. Vigila, oro, et cura, ne arrogans, invida et rixosa haec fera 22 apud tuos ullum habeat locum! Non credis, quam mi-||131v. sere et ecclesia dissiparetur et tu una cum optimis quibusque divexareris. Dominus se[r]vet b te a malo!

Qui has tibi offert, L[u]devychus, Lavateri consulis 23 filius, est, opt[i]mae spei adolescens. Abit Argentinam studiorum gratia. Commendo hunc tibi.

a Klammern ergänzt.
b Hier und unten Randtext im engen Einband verdeckt.
Behandlung der Sache während der hier angekündigten Tagsatzung s. EA IV/Id 547 r: Zürich, Bern und Basel weigerten sich, beim Schwören die Heiligen anzurufen, wogegen Luzern, Unterwalden und Uri weiterhin nur willens waren, die Bünde bei Anrufung Gottes und der Heiligen zu erneuern. Man einigte sich schließlich, "dass jetzt die Bünde nicht gemeinsam beschworen werden können. Daher wird es einstweilen verschoben in der Meinung, das jedes[!]Ort, den früher gegebenen Zusagen gemäß, die Bünde und den Landfrieden treulich halten solle".
11 Der Brief ist nicht erhalten. —Die Antwort ist jedoch im Berner Ratsmanual unter dem 3. Oktober 1545 bezeugt; s. Bern StA, All 11164, Nr. 294, S. 41.
12 Bündnisse.
13 sonst.
14 wie dann: wie denn auch.
15 Uri Schwyz, Unterwalden, Luzern und Zug.
16 Heinrich Buchter.
17 Vgl. oben Nr. 2252, 31-33.
18 Kaspar Schneeberger.
19 Vgl. oben Nr. 2252, 38-49.
20 Kaspar Schwenckfeld. —Bullinger bezieht sich auf oben Nr. 2255 vom 28. September.
21 Am 3. Oktober hatte Myconius darauf schon ungehalten geantwortet (oben Nr. 2259), doch offensichtlich hatte Bullinger diesen Brief noch nicht erhalten. Erst am 27. Oktober (unten Nr. 2271) nahm er darauf Bezug.
22 Vgl. 1Kor 15, 32.
23 Bürgermeister Hans Rudolf Lavater und dessen Sohn Ludwig. —Ludwig Lavater, geb. 4. März 1527 in Kyburg, gest. am 15. Juli 1586 in Zürich. Seine Mutter war Anna Reuchli. Ausbildung in Kappel am Albis, Zürich, Straßburg (Oktober 1545 bis ca. Mai 1547), Paris (Oktober 1547 bis Dezember 1548) und Lausanne (Januar und möglicherweise Februar 1549). Er heiratete am 8. Mai 1550 Margareta Bullinger (gest. 27. Oktober 1564), Tochter Heinrich Bullingers, und am 28. Februar 1565 Adelheid Struppler. Im März 1550


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Vale in domino. Tiguri, 7. octobris anno 1545.

Si quid habes ex Inferiore Germania, communica. Ocyssime scripsi; non relegi.

Tuus Bullingerus.

[Adresse darunter:] Clarissimo viro d. Osvaldo Myconio, Basiliensis ecclesiae antistiti vigilantissimo, domino et fratri colendo.