Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

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Bullinger an
Ambrosius Blarer
Zürich,
4. Oktober 1545

Autograph: St. Gallen Kantonsbibliothek (Vadiana), Ms 35 (VBS VI), 63 (Siegelabdruck) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 393, Nr. 1223

Der gelehrte und unbescholtene Zürcher Pfarrer Konrad Klauser ist auf dem Weg nach Isny, wo er als Pfarrer wirken wird, wenn man Gefallen an ihm findet. Als Herold der schwäbischen Kirche soll Blarer ihn beraten und weiterempfehlen. Am 11. Oktober findet eine Tagsatzung in Baden statt, wo über das üble Verhalten des Statthalters von Mailand [Alfonso d'Avalos] gegenüber eidgenössischen Bürgern, die von ihm eine Zeitlang gefangen gehalten wurden, diskutiert werden soll. Auch müssen die evangelischen Orte sich überlegen, wie sie auf eine Einladung, dem Schmalkaldischen Bund beizutreten, reagieren sollten. Herzog Charles [II.] von Orléans soll an einer Vergiftung gestorben sein. [Franz I.] erduldet wohl ein ähnliches Schicksal wie [König]Jerobeam, welcher seinen Sohn Nadab verlor.

Gratiam et vitae innocentiam a domino. Tandem datus est Isnacensi ecclesiae minister, hic d. Conradus Clauserus Tigurinus, 1 qui iam mittitur, ut audiatur, si forte placere possit. Vir est Graecae et Latinae lingue doctus, 2 lectionis multae, scripturarum satis peritus, vitae integrae, et a puero in bonis et piis studiis ab optimis praeceptoribus institutus. Praecipuam suam spem ponit post Christum in tuam dilectionem et fidem. Proinde commendo tibi hominem, ut ipsum instituas, quomodo versari possit magno cum fructu in illa ecclesia 3 Nosti tu quidem id, si quis alius, velut primus evangelii per Sueviam preco 4 Humanus alioqui et fidelis est, constans et multi laboris, neque ingratus erit tuis laboribus. Si videbitur utile, commenda tu illum quoque amicis tuis per literas. 5

1 Siehe unten Anm. 19.
2 Siehe oben Nr. 2143, Anm. 3.
3 In Isny; s. oben Nr. 2249, 44-54.
4 =praeco.
5 Der Rat von Isny hatte Zürich am 7. September um einen Pfarrer gebeten; s. oben Nr. 2249, Anm. 24. Am 22. September erfährt man aus einer von Bullinger verfassten Notiz (Zürich StA, E I 30.48, Nr. 6), dass [wohl die Zürcher Herbstsynode] den Pfarrer Hans Breitenweg von Gossau für diesen Posten vorschlug. Bürgermeister und Rat von Zürich baten aber um weitere Vorschläge. Genannt wurden: Jakob Leu, Pfarrer in Thalwil; Heinrich Strübi, Pfarrer in Eglisau; Konrad Klauser, Pfarrer in Elsau bei Winterthur; und Hans Kopf, seit
kurzem Pfarrer in Dietikon (wohin er wegen eines Ehebruchs versetzt wurde; s. HBBW VII 70, Anm. 2). Mit Ausnahme Kopfs und Klausers, die 1574 bzw. 1567 starben, waren die anderen Kandidaten wohl älter, da sie alle zwischen 1548 und 1551 verstarben. Der Rat entschied sich für Klauser. Über diesen bemerkte Bullinger (aaO): "in den Sprachen gelert, wol geübt mit predgen, eins frommen gmüth, styff in der leer und gottsforchtig; doch manglet uns an imm, das er ettwas unpärtiger [ungehobelt] ist". Am 14. Oktober 1545 schickte Isny Klauser mit einem Brief wieder zurück mit der Begründung, dass man sich über den Lohn nicht einigen konnte; s. Zürich StA, A 202/3, Nr. 3.


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Comitia celebrabuntur a Helvetiis Badenae 11. octobris. 6 Der marggis de la Quasta 7 , stathalter in Meyland, schlecht 8 unseren vogthyen änet dem berg 9 allen feylen kouff 10 ab by häncken. Brucht ettliche unnachpurliche stuck 11 wider die unseren und ire vogt. Ettliche der unsern hat er uff unserm grund gefangen, doch by langem 12 wider lassen uußkummen, etc. 13 So werdent sich ouch die evangelischen stett besonders 14 underreden, so man den Schmalkaldischen pundt trängen wolt, wie sy sich md 15 sach schicken, etc. 16

Aiunt ducem Aurelianensem 17 , quem Helvetii e sacro fonte levarunt, non sine veneni suspitione in Gallus esse extinctum, unde merito novae turbae

Siehe auch Peter Frei, Conradus Clauserus Tigurinus (ca. 1515-1567). Pfarrer, Schulmann, Gelehrter, Zürich 1997 — Njbl. der Gelehrten Gesellschaft in Zürich 160, S. 23-25.
6 Vgl. auch unten Nr. 2262, 10. — Die Tagsatzung begann aber erst am 19. Oktober; s. EA IV/Id, 542-553.
7 Alfonso d'Avalos, Marchese del Vasto (Guasto), Statthalter von Mailand.
8 schlecht ... ab: schlägt ab, verbietet.
9 änet dem berg: jenseits der Alpen.
10 feylen kouff: freien Handel.
11 Handlung.
12 by langem: endlich.
13 Siehe EA IV/Id, 542f. 557ff; Zürich StA, B VIII 224, f. 135v.—137r., Nr. 3. — Dort erfährt man, dass Beamte aus Mendrisio mehrere Eidgenossen auf helvetischem Boden festnahmen und sie nach Mailand verschleppten, wo sie eingesperrt und erst nach Zahlung von 11 Kronen freigelassen wurden. Offensichtlich handelte es sich dabei um Kaufleute, die Lebensmittel aus dem Herzogtum Mailand importierten oder zu importieren versuchten, und zwar in einer Zeit der Lebensmittelknappheit (s. oben Nr. 2088 und Anm. 21; 2089; 2150, 20-22; 2212; 2215, 23f; 2224 und Anm. 16), zumal der Abschied der Tagsatzung unmittelbar danach berichtet, dass "der Marquis del Guasto und die Gubernatoren im Herzogthum ein Mandat haben ausrufen lassen, es dürfe niemand Korn oder anderes Getreide im Herzogthum kaufen, noch den Eidgenossen zuführen bei Strafe des Hängens, und ein Kaufmann, der sich
dagegen vergangen, wirklich gehängt worden ist"(EA Wild 542).
14 separat.
15 indie.
16 Der Konstanzer Matthäus Molckenpur hatte sich im Namen des Schmalkaldischen Bundes bei den evangelischen Eidgenossen erkundigt, was der Bund im Falle eines Angriffs des Kaisers von den Eidgenossen erwarten könnte; s. oben Nr. 2227, 1-21 und Anm. 4; 2235,6-14; 2240, 4f. Konstanz gab den evangelischen Eidgenossen im September 1545 zu verstehen, es sei, falls diese nicht gegen den Kaiser zögen, "für beide Theile Gutes zu hoffen: Der Streit betreffend das Sacrament dürfte beigelegt ... werden; wenn der Kaiser gegen einzelne Orte der Eidgenossenschaft ... ungnädiger Meinung sein wollte, so würden die protestirenden Stände solches ... zu verhüten trachten" (EA IV/Id 529, Nr. 1). Deshalb die hier aufgeworfene Frage, wie sich die evangelischen Eidgenossen verhalten sollten, falls man ihnen eine Aufnahme in den Schmalkaldischen Bund anbieten würde.
17 Charles II., Herzog von Orléans, geb. 1522, gest. an der Pest am 9. September 1545 in der Nähe von Abbeville (Dép. Somme); s. Alessandro Guidiccione, päpstlicher Legat in Frankreich, an [Kardinal Alessandro Farnese], 18. September 1545, in: Correspondance des nonces en France. Capodiferro, Dandino et Guidiccione, 1541-1546, hg. v. Jean Lestocquoy, Rome/Paris 1963 —Acta nuntiaturae Gallicae 3, S. 389-392, Nr. 204.


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timentur a multis. Ego vero sentio Ieroboamum 18 fata Nadabi sui sic videre et brevi consequi oportere. Dominus Iesus servet nos!

Tiguri, 4. octobris 1545.

Bullingerus.

[Adresse auf der Rückseite:] Clarissimo viro d. Ambrosio Blaurero, fratri suo incomparabili. Costantz a , 19