Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[527]

Johannes Zwick an
[Bullinger]
[Konstanz],
12. Februar [1535]

Autograph a : Zürich ZB, Ms F 62, 585r.-v. (Siegelspur) Ungedruckt

Bucer hat sich wohl deshalb nicht über das Zürcher [Abendmahls-]Bekenntnis [Nr. 482] geäußert, weil Luther besonderen Wert auf die Aussage legt, daß mit den sichtbaren Zeichen der Leib Christi dargereicht und empfangen wird. Dies ist zwar im Sinne der "unio sacramentalis" nicht falsch, ähnlich wie die Aussage, das Abendmahl sei ein Opfer, doch ist der Streit um solche uneigentliche Redeweisen müßig. Wenn Bucer und Philipp [Melanchthon] an ihrer Auffassung bezüglich einer Übereinkunft mit dem Papst und den Bischöfen festhalten, stehen neue Spaltungen bevor; dieser Meinung sind auch andere Konstanzer. Bittet um Bullingers Gutachten für Chelius [Nr. 514]. Dankt für den Käse und fragt nach den Spielsachen, die er Bullingers Kindern geschickt hat.

Salus.

Nuper indicavi tibi 3 , charissime frater, quid ego suspicer, cur nihil forte rescripserit hactenus Bucerus de confessione vestra 4 , quantum scilicet ego coniicere possum, nempe quod non satis exprimere videamini Luthero exhibitionem sive traditionem corporis Christi in negotio caenae. Cum enim Christus dicat tam diserte: "Accipite"[Mt 26, 26 par], putat Lutherus, denique et Bucerus, maxime urgenda haec verba. Hinc fieri potest verum b esse, quod alii aliunde ad te 5 , Lutherum in hoc esse, ut dicas, "daß der war lyb und das war blut Christi in die hand und in den mund geben, und was dem brot bscheche, das sollichs c dem lyb Christi bscheche." Das will er aber darum allain haben, damit das wort "accipite", das ist die ubergab des libs, alhie durch und mit den sichtbaren zaichen wol usstruckt werde.

Haec, ni fallor, mens est Lutheri. Quanquam vero propter sacramentalem unionem sic dici possit et veteres sic loquuti fuerint, tamen verum est, quod tu scribis, verborum esse scopulos 6 . Et Lutherus satis est captiosus; utcumque enim sic dici possit, scimus tamen re ipsa non esse. Caena vere dicitur sacrificium, scilicet ob sacrificii memoriam. Caeterum, si omnino iterum atque etiam urgeas esse sacrificium, asseverabo constanter dici sic posse, esse re ipsa non posse. Sed non alia ratione urget Lutherus huius generis locutiones

a Mit Randbemerkungen von J. H. Hottinger.
b vor verum ein gestrichenes, unlesbares Wort.
c vor sollichs gestrichenes werdt den.
1 Da dieser Brief mehrfach an vorausgegangene Schreiben anknüpft, steht Bullinger als Empfänger fest (vgl. Z. 1f. 34-41).
2 Die Bezugnahme auf frühere Schreiben
sowie die Erwähnung des Gutachtens für Chelius (vgl. Z. 33) ermöglichen eine zweifelsfreie Datierung.
3 Oben Nr. 515, 2-10.
4 Gemeint ist das Zürcher Abendmahlsbekenntnis vom Dezember 1534 (HBBW IV, Nr. 482).
5 Myconius am 4. Februar, s. oben Nr. 521, 30-34.
6 Bullingers Brief, auf den sich Zwick hier bezieht, ist nicht erhalten.


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in caena quam, ut iam dixi, propter unionem sacramentalem. Noch d ists ain misslich ding; dann also wil ich wol das gantz Pange lingua e7 verantworten. Es ist doch ein grosse plag, das f ir glerten so vyl zu arbaiten ||585v. hettend und müssend uch selbs also freuen 8 , wiewol ich sorgen, es sye noch nit am end.

Quodsi Bucerus et Philippus 9 perseverabunt in sua sententia, de concordia scilicet cum pontifice et episcopis ineunda 10 , iam animum addemus sectis, pariemus novas, fratres scindentur invicem, populus concitabitur, und thät man uns dann eben recht, der uns all zu tod schlüg. Haec in tuum et charissimi Pellicani sinum effundo, mecumque sentiunt, quotquot cordati apud nos sunt 11 . Iesus Christum[!], sanctissimum et divinum istud ecclesiae suae caput et fundamentum, ne desit nobis. Amen.

12. februarii.

Tuus Io. Zvick. Omnino fac, ut videam, quam tu Gallo vel Chelio responsionem dederis 12 .

Es ist nun ain guter poss 13 , drum das ich uch gfraget, ob man solchen kaes by uch fayl habe 14 . So hond irs verstanden, als ob ich uch noch me hab wellen abbetlen. Es ist aber nit min mainung gwesen, doch so danck ich uch vast 15 trülich. Es ist zuvyl; were an dem ersten stuck uberig gnug gwesen. Ich hab uwern kinden zum nechsten 16 narrenwerk 17 gschickt; wais noch nit, ob es uch worden ist oder nit. Hat g uwer muter 18 nit wol damit mögen usskomen, so will ich uch me schicken. Grützend mir uwer muter und husfrowen 19 uffs aller trülichost, und beware uch gott mit allem, das uch lieb ist.

[Ohne Adresse.]

d ab Noch mit anderer Feder und Tinte geschrieben.
e Pange lingua in Majuskeln.
f vor das zwei unlesbare, gestrichene Wörter.
g vor Hat gestrichenes Hond.
7 Ein Thomas von Aquin zugeschriebener Hymnus zur Fronleichnamsvesper ("Pange, lingua, gloriosi corporis mysterium", s. Balthasar Fischer, in: LThK VIII 21; vgl. auch Erwin Iserloh, in: TRE I 97f).
8 aufreiben, plagen (SI I 1338).
9 Philipp Melanchthon.
10 Zwick bezieht sich auf die Gutachten, die Chelius eingeholt hatte; siehe oben Nr. 513, Anm. 4.
11 Gleichgesinnte waren Thomas Blarer und Konrad Zwick (vgl. oben Nr. 513, 11f).
12 Oben Nr. 514.
13 Scherz, Spaß (SI IV 1733).
14 Vgl. oben Nr. 515, 34-37.
15 ganz, sehr (SI I 1112).
16 kürzlich (SI IV 636).
17 Spielzeug (vgl. Grimm VII 384f); vgl. oben Nr. 515, 31f.
18 Anna Bullinger, geb. Wiederkehr.
19 Anna Bullinger, geb. Adlischwyler.