Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2673]

Baldassare Altieri
an [Bullinger und Konrad Gessner]
Venedig,
13. November 1546

Autograph: Zürich StA, E II 365a, 447 (Siegelspur) Ungedruckt

[1]Auch wenn Altieri und die Adressaten einander schon lange nicht mehr geschrieben haben, ist doch die zwischen ihnen bestehende, unzerstörbare Verbindung im Geiste Christi nicht schwächer geworden. Und da Altieri die Zürcher wegen ihrer Lehre und Frömmigkeit immer

17 Vgl. Nr. 2670,291.
18 Philipp von Gundelsheim. 19 Nicole Bonvalot.
20 Ein falsches Gerücht; s. Peer Frieß, Die Außenpolitik der Reichsstadt Memmingen in der Reformationszeit, Memmingen 1993 — Memminger Forschungen 4, S. 201.
21 Die Zürcher scheinen die Konstanzer über den Besuch Granvelles beim Basler Bischof und vermutlich auch über den Inhalt des hier erwähnten Briefes benachrichtigt zu haben, da Konstanz sich am 15. November dafür bedankte; s. Zürich StA, A 177, Nr. 140.
22 Unbekannte. — Vielleicht die Studenten Wilhelm Vermod (zu ihm s. Nr. 2653, Anm. 42) und sein Bruder Johannes aus Nozeroy (s. M-Basel 45, Nr. 26).
23 Gemeint sind die Innerschweizer, die man laut Myconius wegen ihrer Umtriebe im Auge behalten sollte; vgl. Nr. 2658,45-55. Seitens der Freiburger war nämlich im Oktober 1546 eine Gesandtschaft der katholischen Orte an Franz I. vorgeschlagen worden; s. EA IV/1d 6911 b. 696 g. 703 c. 717 d; Nr. 2721 und Anm. 22.
24 Laut Nr. 2682,1, wurde vorliegendes Schreiben zusammen mit dem am gleichen Tag verfassten Brief Nr. 2671 nach Zürich befördert.
1 Dass vorliegender Brief auch an Bullinger gerichtet ist, geht aus der Tatsache hervor, dass er unter den Briefen Bullingers erhalten geblieben ist. Aus unten Z. I ergibt sich die Adressierung an mehrere


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sehr geschätzt hat, möchte er nun den frommen und gelehrten Reisenden [...], der hauptsächlich in Rom wegen des Evangeliums viel leiden musste, nicht ohne einen Brief gehen lassen. Der Überbringer wünscht sich nichts anderes, als die Zürcher kennenzulernen. Sollten aber diese etwas für ihn tun, wäre es, als ob sie es für Altieri täten! [2]Die Zürcher sollen wissen, dass Altieri in Venedig als Stellvertreter der deutschen Fürsten und des [Schmalkaldischen] Bundes agiert. Dank seines Wirkens gedeiht das Evangelium in Italien (abgesehen von Venedig, [wo dies schon der Fall ist]) sehr gut. Ja, Altieri hofft auf eine noch größere Verbreitung des Evangeliums, zumal die Venezianer angesichts der aktuellen Lage einer Unterstützung der deutschen [Protestanten] nicht wenig zugetan sind. Vielleicht kommt es sogar noch zu einem Bündnis zwischen Venedig und den [Schmalkaldenern]! Vorläufig aber sollen [Bullinger und Gessner] dies noch geheim halten. [3] Die Lage Kaiser (Karls V.] wird von Tag zu Tag schlechter. Hoffentlich werden die [protestantischen] Fürsten bald den Sieg erringen! Noch kennt Altieri nicht den Beschluss der [protestantischen] Eidgenossen betreffend die [habsburgischen und päpstlichen Nachbargebiete]. Er zweifelt jedoch nicht, dass diese sich als treue Verbündete erweisen werden. Sollte Altieri dabei behilflich sein können, ist er dazu bereit. [4]Größe. Vom Briefüberbringer kann man die Nachrichten über Italien erfahren.

Viri prestantissimi et in domino colendissimi. Etsi tam diu nihil mutuo scripserimus, 2 non iccirco celestis illa necessitudo, quam per spiritum Christi utrinque contraximus, 3 est quicquam imminuta; hec, cum eterna sit, nulla potest oblivione vel temporum intercapedine deleri. Ego, cum vos semper magnifecerim propter singularem doctrinam multamque pietatem ac propensam in omnes charitatem, committere non potui, ut is noster frater 4 iter isthac habiturus esset absque literis meis, ac ne ipsum etiam atque etiam vobis commendarem. Qui et vir est sane pius ac multa passus pro nomine Christi, presertim Rome, estque literis bonoque ingenio preditus. Cui, si quid prestiteritis, id totum mihi ipsi collatum esse arbitrabor, tametsi nil preterea a vobis expostulet, nisi ut vos agnoscat atque complectatur.

Reliquum est, ut sciatis me hic Germanic principum ac ceterorum confederatorum 5 vices agere 6 . Que res effecit, ut evangelium lesu Christi non

Personen; das "utriusque vestrum" in unten Z. 32 beschränkt die Anzahl der Adressaten auf zwei. Dass der zweite Briefempfänger vermutlich Konrad Gessner war, findet eine Stütze in der Beobachtung, dass der nächsterhaltene Brief Altieris, nämlich dessen Schreiben vom 29. Januar 1547 (zürich StA, E II 365a, 449f; Adresse auf f. 446a), sowohl an Bullinger als auch an Gessner gerichtet ist. — Die Bekanntschaft von Gessner mit Altieri ging wohl auf Gessners Besuch in Venedig im Sommer 1543 zurück. Höchstwahrscheinlich trat Gessner dort mit Sympathisanten des Protestantismus in Kontakt, denen er nach seiner Rückkehr auch Bücher gesandt zu haben scheint, was Altieris Brief an Bullinger vom 6. Dezember 1543 nahelegt (HBBW XIII 332); s. Mark Taplin, The Italian Reformers and the Zurich Church, c. 1540-1620, Aldershot 2003, S. 22. — Zu Gessners Aufenthalt in Venedig s. Urs Leu,, Conrad Gessner (1516-1565). Universalgelehrter und Naturforscher der Renaissance, Zürich 2016, S. I Wf.
2 Altieri hatte zuletzt am 6. Dezember 1543 an Bullinger geschrieben (HBBW XIII, Nr. 1824).
3 Vgl. Eph 4, 3.
4 Unbekannt. — Es ist möglich, dass dieser damals nicht nach Zürich gelangte; s. unten Anm. 14.
5 die schmalkaldischen Verbündeten.
6 vices agere: vertreten, als Stellvertreter handeln; s. Edwin Habel und Friedrich


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tam hic quam in reliqua Italia altiores radices egerit 7 . Ac spero indies aucturn in. Nam Veneti non mediochriter afficiuntur ob eam rem ita ut ad Germanorum res juvandas sint propensissirni. 9 Et fortasse, si deus voluerit, fedus 10 quoque curn illis inibunt. Hec, amabo, curn sint magni ponderis, taciturnitate opus est, ut apud vos serventur; que eo lubentius scripsi, quia certo sciebarn eam rem vobis fore gratissimam.

Res caesaris 11 in Germania quotidie hunt deteriores. Ac speramus propediem huc deferri nostros principes adversus illum victoriam consequutos. Vos autem quid decreveritis, 12 adhuc ignoramus. Sed non veremur, cum causa hec propter evangelium et publicam libertatem tuendam suspecta sit, et ob id vobis cum Germania communis esse videatur, quin illam, quoquomodo Gröbel, Mittellateinisches Glossar, Paderborn u.a. 1989, Sp. 424. —Altieri war 1546 Geschäftsträger des Schmalkaldischen Bundes in Venedig; s. HBBW XIII 186f, Anm. 1.

7 radices egerit: Wurzeln geschlagen hat; s. Kirsch 2385 s.v. radix.
8 Gemeint ist die damalige Lage der deutschen Protestanten.
9 Zur freundlichen Gesinnung der Venezianer gegenüber den deutschen Protestanten s. die in Nr. 2663, Anm. 34, angegebenen Stellen. — In einem undatierten Brief Altieris an Francisco de Enzinas schreibt Altieri ebenfalls, dass die Angelegenheit der deutschen Protestanten in Italien einen guten Ruf habe, "praesertim apud istos dominos Venetos, qui Germanicae libertatis tuendae usque adeo sunt studiosi, ut nihil praetermitterent, quod ad eam rem pertinere videretur"(Enzinas BW 204). Entgegen der Meinung des Herausgebers von Enzinas' Briefwechsel, Ignacio J. Garciá Pinilla, ist Altieris undatierter Brief an Enzinas wohl auf Ende November oder Dezember 1546 und nicht erst auf ca. März 1547 zu datieren. Dies geht nämlich aus den darin geäußerten Aussagen zur damaligen Lage des Schmalkaldischen Krieges deutlich hervor. Altieris Brief an Enzinas kann aber nicht zusammen mit dem vorliegenden Schreiben an Bullinger dem in oben Z. 6-8 erwähnten Reisenden aus Rom mitgegeben worden sein, zumal Altieri in seinem undatierten Brief an Enzinas sonst nicht hätte schreiben können: "De fratre tuo [Diego Enzinas, der sich da-
mais in Rom befand].... nihil certi habeo. Ac valde miror quomodo Lucensis ille [Teodosio Trebellio] tibi affirmare potent se a me percepisse fuisse Romae cmbustum, cum nunquam id dixerim." Letzteres deutet darauf hin, dass Altieri mit seinem undatierten Schreiben an Enzinas einen etwa Mitte Oktober (vgl. Nr. 2624,5f) verfassten Brief des Enzinas an ihn beantwortete.
10 Altieri bezieht sich hier vermutlich auf seine Bemühungen, die venezianische Signorie zu Verhandlungen mit den Schmalkaldenern zu bewegen. Der Papst suchte dies allerdings zu verhindern; s. NBD IX 321, Anm. 3. Auch Piero Strozzi, der sich im Herbst 1546 in Italien befand, strebte damals ein Bündnis zwischen den Schmalkaldenern und Venezianern an, das in einem im Oktober 1546 aufgefangenen Brief thematisiert wurde; s. NBD IX 306f mit Anm. 1.
11 Karl V.
12 Altieri war offensichtlich noch nicht informiert worden, dass die protestantischen Eidgenossen auf ihrem Tag in Zürich vom 19. bis 26. Oktober (s. dazu Nr. 2606, Anm. 60) einen Überfall auf die habsburgischen und päpstlichen Nachbargebiete abgelehnt hatten; s. dazu Nr. 2662, Anm. 12. —In dem in oben Anm. 9 erwähnten undatierten Brief Altieris bittet dieser hingegen Enzinas, "ad conciliandos istorum Elvetiorum [gemeint sind die Vier eidgenössischen Städte] animos erga nostros [gemeint sind die Schmalkaldener]" hinzuwirken, was im März 1547 kaum mehr sinnvoll gewesen wäre.


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potestis, iuvetis, foveatis et servetis tanquam eterni federis socii. Ego, si quid hic prestare possum vestri commodi causa, rogo vos etiam atque etiam, ut opera mea uti, frui velitis non minus familiariter quam vobis ipsis. Scitis enim, quantum vos amem atque unice observem.

Valete in domino, in quo, uti iampridem fecistis, mutuo me diligite. Caetera, que apud nos sunt, cognoscere ex hoc homine 13 potestis. Datum Venetiis, idibus novembris 1546.

Utriusque vestrum observantissimus Balthasar Alterius.

[Ohne Adresse.]14