Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3141]

Bullinger
an Matthias Erb
Zürich,
Freitag, 17. Februar 1548

Autograph: Basel UB, Ms. Ki. Ar. 25c, Nr. 55 (alt: 53)(Siegelspur) a Ungedruckt

[1]Bullinger hat zwei Briefe von Erb [HBBW XX, Nr. 3098; Nr. 3135]empfangen und zugegebenermaßen selbst schon lange nicht mehr geschrieben. Das letzte Mal schickte er wohl im November letzten Jahres einen Brief [HBBW XX, Nr. 3048, vom 21. Oktober]für Erb [zur Übermittlung] an Graf Georg von Württemberg-Mömpelgard. -[2]Im Dezember erhielt er mit Erbs erstem Brief [HBBW XX, Nr. 3098]dessen einst schriftlich festgehaltenen Überlegungen [über das Abendmahl], für die er sich bedankt. An diesen hat er nichts auszusetzen, sondern stimmt ihnen zu. Ihrer Lehre pflichten die Apostel bei oder besser gesagt: Sie beide stimmen in ihrer Lehre mit jener der Apostel überein. Mögen sie stets in dieser Haltung verharren! -[3]Das von Erb in seinem letzten Brief [Nr. 3135]beklagte Schweigen der Zürcher hat gewichtige Gründe. Deshalb aber ist ihnen Erb um nichts weniger lieb! Sie gedenken der Reichenweierer in ihren Gebeten. Sie wissen auch, dass sie die Reichenweierer nicht aufmuntern müssen, da diesen der Heilige Geist Trost spendet. Ebenfalls ist ihnen bekannt, dass die Reichenweierer sich an Gottes Wort halten und anderen Trost spenden. -[4]Die Zürcher bedauern den Zerfall von Kirche und Kirchenzucht in der Herrschaft Reichenweier. Doch Erb und seine Kollegen sollen bei der Verkündigung des Wortes Gottes ihr Mögliches tun, so lange wie möglich ausharren und Gottes Beistand erflehen, allerdings ohne diesen herauszufordern! Wenn aber der Heilige Geist und die Umstände sie zur berechtigten Flucht veranlassen, sollen sie sich wie schon Christus, Petrus und Paulus nicht vor der Flucht scheuen, um der Kirche für geeignetere Aufgaben erhalten zu bleiben. -[5]Falls die Zürcher Kirche [dann noch]besteht, wird sie die Prediger aus Reichenweier gerne empfangen und so gut wie möglich unterstützen. Auch wenn die Zürcher selbst untergehen oder vertrieben werden, wird Gott sie nicht verlassen! In ihn wollen sie all ihr Vertrauen setzen. Nun ist also die [End]Zeit gekommen, in der man meint, es sei ein besonderer Dienst für Gott, [die Evangelischen]umzubringen. Der Herr aber wird [die Gläubigen]sicher nicht verlassen! -[6]Kaiser Karl V wirbt angeblich Söldner an. Mit diesen werde er zunächst die Eidgenossen, dann die Hansestädte und danach Papst [Paul III.] und [König Heinrich II.] von Frankreich angreifen. Nur Gott, dem sich die Zürcher anvertrauen, weiß, was geschehen wird. -[7]Grüße, insbesondere an den Stadtschreiber [Oswald Fürstenlob]und [den Pfarrer]Nikolaus König.

S.D. Binas 1 a te, suavissime mi Erbi, a tua humanitate accepi, ac fateor ingenue diu intermissum esse scribendi officium. Ultimo enim, si bene memini, scripsi 2 in

a Ohne Schnitt- oder Nadelstichspuren.
1 Erb hatte zuletzt am 22. Dezember 1547 (HBBW XX, Nr. 3098) und am 10. Februar
1548 (Nr. 3135) an Bullinger geschrieben.
2 Bullinger meint hier sehr wahrscheinlich seinen


briefe_vol_21-196arpa

novembri anni praeteriti et literas principi vestro misi 3 .

In decembri primas tuas accipio una cum tuis meditationibus ohm conscriptis. 4 Pro quibus ago tibi gratias. Nec habeo, quod ea in causa vituperem: Convenimus! Tuis enim scriptis mea congruunt. Ac scio nobiscum consentire aut nos potius consentire cum apostolis. Age, perseveremus semper in doctrina ipsorum, ut simul etiam simus in corpore et consortio ipsorum.

Posteriores tuae 5 et ipse conqueruntur de nostro silentio. Sed habe nos excusatos, mi frater! Negotia enim imphicatissima obstant, quo minus, quod volumus, possimus. 6 Amamus te nihilominus. Commendati estis nobis in precibus nostris. Consolatione scimus non esse vobis opus. Consolatorem habetis spiritum paracletum 7 . Tenetis in animis verbum dei. Alios consolamini.

Dolet autem nobis ita dilapsam esse et ecclesiam vestram et ecclesiae disciplinam. 8 Vos, quod potestis praedicatione verbi dei perficere, perficite. Durate, quoad potestis! Invocate auxilium domini! Interim ne tentaveritis dominum. 9 Cum ipse dei spiritus et res invitarit vos ad fugam iustam, ne pudeat cum Christo, Petro et Paulo vos servare rebus melioribus et ecclesiae.

Si vivimus et salvi sumus, patent vobis omnia nostra. Libenter excipiemus vos et iuvabimus pro nostra virili. Si cecidimus aut pulsi sumus ipsi nostris sedibus, non negligemur a domino nostro. In hune collocemus omnem fiduciam. Nunc est tempus, de quo iam dudum audivimus. 10 Veniet tempus, ut, qui occident vos, videatur cultum praestare deo. 11 Certe deus non neghiget nos!

Caesare 12 dicitur expedire et conscribere militem, quem ducat primum contra

letzten erhaltenen Brief an Erb, datiert vom 21. Oktober 1547 (Nr. 3048), den er zwingend über Basel und zwar zusammen mit einem an Graf Georg von Württemberg-Mömpelgard gerichteten und heute nicht mehr erhaltenen Brief sandte; s. HBBW XX, Nr. 3050, [4]. -Bullinger hatte dem Brief für den Grafen sein eigens für diesen verfasstes handschriftliches "Bedenken ob der verraether Judas auch an dem Tisch deß Herren gesessen"beigelegt; s. HBBW XX, Nr. 3048, Anm. 13 und oben Nr. 3105,5-7.
3 Nicht erhalten. -Georg von Württemberg-Mömpelgard, zu dieser Zeit im Basler Exil, beantwortete den hier erwähnten Brief am 4. Januar 1548 (Nr. 3105).
4 Seinem genannten Brief vom 22. Dezember 1547 hatte Erb die deutschsprachige Version seiner Abhandlung über die Teilnahme von
Ungläubigen am Abendmahl beigelegt. Es ist kein erhaltenes Exemplar bekannt; s. HBBW XX, Nr. 3098, Anm. 6.
5 Erbs genannter Brief vom 10. Februar 1548.
6 Bullinger hatte sich wenige Tage zuvor brieflich auch bei Oswald Myconius über die mannigfaltigen Aufgaben und Pflichten beklagt, die ihn vom Briefeschreiben abhielten; s. Nr. 3137,4-7.
7 Vgl. Joh 14, 26.
8 Die neuen, in Mömpelgard wirkenden, lutherisch gesinnten Geistlichen versuchten, ihren Einfluss auch auf die Herrschaft Reichenweier auszuweiten; s. Nr. 3135, Anm. 1.
9 Vgl. Mt 4, 7 par.
10 Gemeint ist die Endzeit.
11 Vgl. Joh 16, 2.
12 Karl V.


briefe_vol_21-197arpa

Hlelverios , deinde contra urbes maritimas 13 , hinc contra papam 14 et Gallum 15 , etc. Quid futurum sit, novit deus, cui res nostras commendamus.

Vale cum tuis omnibus b imprimis [s]criba c,16 et Regio b,17 Tiguri 17 frbruarii 1548 Bullinger.

[Adresse auf der Rückseite:] Ornatissimo viro d. Matthiae Erbio, Richenvillane ecclesiae ministro, suo in domino charissimo fratri. Reychenweyher.