[2973]
Autograph: Zürich StA, E II 359, 3067r. (Siegelspur) Ungedruckt
[]]Nachdem Haller bereits zweimal geschrieben hat [mit Nr. 2970 und Nr. 2972], muss er ein drittes Mai von einem noch größeren Übel berichten! Als er nämlich auf den Aufbruch des eidgenössischen Boten [...] wartete, kam Wolfgang Musculus zu ihm und erzählte, dass die Augsburger Ratsherren thin seine Kirche, den Augsburger Dom, weggenommen und diesen Kaiser Karl V. für die Messfeier zur Verfügung gestellt haben! Damit wurde den Pfarrern (die zu Recht vom Eifer für das Haus Gottes beseelt sind) das schlimmstmögliche Leid zugefügt, gegen das sie allerdings machtlos sind! Es sieht danach aus, als ob alle Pfarrer nach und nach aus ihren Kirchen vertrieben und ihrer Amter enthoben werden. Herzog Wilhelm IV. von Bayern beansprucht schon die Kirche St. Ulrich, in dessen angrenzendem Kloster er untergebracht ist. Ebenso wurden der Propst von Heilig Kreuz [Bernhard Werlin] und jener des Augustiner-Chorherrenstifts St. Georg [Jakob Wiedemann] beim Kaiser vorstellig, um wieder in den Besitz [ihrer Räumlichkeiten und Pfründen] zu gelangen. Die Chorherren von St. Moritz werden bestimmt auch Haller und Michael Keller vertreiben, zumal das St. Moritz-Stift in Augsburg so mächtig war wie jenes [des Großmünsters] in Zürich. -[2]Hoffentlich wird das von Haller erwartete Antwortschreiben der Zürcher Obrigkeit zeigen, dass Letztere die verlogene Lage in Augsburg erkannt haben und Haller nicht länger dort lassen wollen. Er und seine Amtskollegen können zwar weiter predigen, doch dürfen sie dies wie zu Zeiten [des Zweiten Kappeler Landfriedens] nur eingeschränkt tun. Gerne wurden sie zur Erbauung der Kirche beitragen, doch scheinen ihnen weder rügende noch zusprechende Worte dafür geeignet. Musculus will nicht länger bleiben. Haller lässt sich nichts anmerken, um nicht den Verdacht zu erwecken, er wolle bald nach Zürich. -[3] Diese wenigen Nachrichten wurden auf Deutsch verfasst, damit Bullinger sie auch anderen mitteilen kann. Abendgruß.
S. Ecce cogor tertium et maximum quoque malum scribere. Nachdem ich
diß 2 gschriben und all stund mein 3 , der bott 4 von Baden, so von gmeiner
Eidgnoßen wegen hie ist, werde gfergget 5 und well ufsin, so kumpt Musculus
culus 6 zu mir, sagt mir, wies imm gang 7 , das min herren imm sin kilchen
abkündet 8 und dem keiser 9 zu sim pfaffenwerck 10 vergunnt habind. DasBriefe_Vol_20-373 arpa
macht uns erst 11 ein schmertzen, größer, dann 12 uns noch keiner widerfaren!
Da sol uns billich 13 der yfer deß huses gottes freßen! 14 Aber wie söllend wir
imm thun 15 ? Wir könnends nitt wenden. Ich sorg, wir werdind nach und
nach uß allen 16 vertriben. Der hertzog von Peyeren 17 forderet auch schon S.
Ulrichs kirch, 18 dann er ligt imm selben closter. Der propst zum Krütz 19 und
der zu S. Georgen 20 supplicierend auch an keiser, das man si wider zu dem
iren in poßeß 21 laß kommen. So zwyfel ich nitt, dann das die chorherren zu
S. Moritzen 22 uns auch vertriben werdind, dann 23 es ist gwaltig halb 24 stifft
gsin wie das zu Zürich.
Nun wart ich uff schriben von Zürich 25 , dann ich hoff, min herren werdind ein benügen han 26 und mich bi disem schelmischen läben nitt laßen. Predgens halb farend wir für, dörffend aber schier anders nitt predgen dann wie daheim imm landsfriden 27 . Wir woltend gern thun, das zu erbuwung diente. Ich bsorg aber, es helff weder surs noch süßes. Musculus wil nitt bliben. 28 Ich halt mich still, das nieman mein, das ich hin well. 29
Haec paucis omnia Germanice, ut et aliis communicare possis. Vale denuo. Ultima iulii, vesperi.
[Ohne Unterschrift.] |
[Adresse auf der Rückseite:] M. Heinrych Bullinger. a30