Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2877]

Bullinger
an Johannes Haller
Zürich,
9. April 1547 Abschrift von unbekannter Hand (17. Jh.) a : Zürich ZB, Ms F 46, 594f Ungedruckt

[1]Ehe Bullinger dazugekommen ist, Haller zu antworten, hatte er schon drei Briefe von ihm [HBBW XIX, Nr. 2821. 2837. 2844]empfangen. Sollte es in Augsburg zur Wiedereinsetzung der katholischen Geistlichkeit kommen, möge Haller den Zürcher Rat brieflich darum bitten, beim Augsburger Rat seine sichere Rückkehr nach Zürich zu erwirken, es sei denn, dass viele Gläubige ihn zum Bleiben auffordern, um den Zerfall der Gemeinde zu verhindern. Laut der Apostelgeschichte gründete ja Paulus Kirchen (in denen er lehrte) auch dort, wo es Synagogen und verabscheuenswerte heidnische Tempel gab. Haller soll sich stets an Gottes Wort, am Beispiel der Propheten und Apostel sowie an den Ratschlägen des trefflichen Georg Frölich orientieren. -[2]Die von Haller im letzten seiner drei Briefe bekundete Liebe zur Augsburger Kirche und seine Bereitschaft, sogar den Tod für sie in Kauf zu nehmen, sind ganz im Sinne der Apostel! Christus stärke ihn! Die Gefahren und Beschwerden, ja auch die Verschlagenheit und die Unbeständigkeit so vieler, die Haller bedauert, wurden schon vom Herrn vorhergesagt, der dabei betonte, dass dies nur der Anfang vom Ende sei und allein clic Standhaften gerettet werden. Haller halte sich in allem an das erleuchtende Wort des Herrn! -[3] Wie gut, dass er in seinem neusten Brief vom 14. März [nicht erhalten] vom Sieg des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen über den Markgrafen Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach

e Hier und unten Text teils im engen Einband verdeckt. -
a Mit Randbemerkungen und Unterstreichungen von Johann Heinrich Hottinger.
14 Johannes Buchter und Markus Wüst: s. Nr. 2872, Anm. 33. Anm. 34.
15 Bezug auf Nr. 2872,28-33.
16 Vgl. z.B. 1Sam 3, 18.
17 Vgl. Nr. 2873,29. 18 Francisco de Enzinas.
19 Bernardino Ochino.
1 Datum, Unterschrift und Adresse wurden vom Abschreiber durch einen Vermerk am Briefanfang ersetzt: Idem [= Bullinger] eidem [= Haller]. Tiguro Augustam. 9. aprilis 1547.


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(in welcher Schlacht viele Adlige starben oder gefangen wurden) berichtet hat! Denn in Zürich wusste man nicht, ob die Nachricht stimmt. -[4]Falls Michael Keller und Wolfgang Musculus wegen des Evangeliums aus Augsburg vertrieben, werden, soll Haller ihnen sagen, dass sie in Zürich willkommen sind. -[5]Auf dem. letzten Tag zu Baden [vom 28. März]hat König Franz I. von Frankreich gemäß dein [Sold]bündnis [von 1521 mit den Fünf Orten]Kriegsknechte angefordert. Doch weigerte er sich, den Fünf Orten mitzuteilen, wo die Söldner eingesetzt werden sollen. Luzern, Schwyz, Zug und Nidwalden hätten ihm die Knechte bewilligt, wenn auch Un und Obwalden damit einverstanden gewesen wären. Daher soll Franz I. erst auf einem Tag zu Solothurn, am Sonntag Quasimodo [17. April], eine definitive Antwort erteilt werden. Dann wird auch der König die noch ausstehenden Schulden bezahlen. Vermutlich kommt es zu einem großen Feldzug, der laut einigen nach Mailand, laut anderen nach den Niederlanden führen soll. -[6]Aus einem Brief aus Chur [Nr. 2871]erfuhr Bullinger, dass etwa 7'000 Italiener nach Mailand und Trient aufgebrochen seien, um nach Deutschland zu ziehen, und dass man noch nicht wisse, ob die Venezianer sie durchlassen werden. Diese Nachricht ist allerdings nicht verbürgt.

Ternas 2 a charitate tua accepi, dum paro hanc responsionem. Si restituantur in integrum sacerdotes 3 (quod avertat dominus!), tu omne negotium senatui nostro perscribas, suadeo, et, ut tibi reditum aperiant, orato, scriptis ad senatum Augustanum literis, quibus et te revocent et, ut tranquille deducaris, orent, nisi forte tot sint fideles et sancti, qui ecclesiam semel collectam nolint dispergi et a te postularint, ut apud ipsos maneas. Nam apostolus 4 in pluribus urbibus (sicuti Acta docent) ecclesias constituit, et docuit in ecclesiis, in quibus urbibus extabant et Iudaeorum synagogae et delubra execrabilia ethnicorum. Semper in consilium adhibebis verbum domini, exemplum prophetarum et apostolorum, denique consultationem optimi et sanctissimi vin d. G. Laeti 5 .

Perplacet, quod in posterioribus 6 testaris te amare Augustanam ecclesiam et paratum esse pro ea mori in domino, dummodo ei consulatur et ea conservetur in veritate fidei. Haec vere apostolica vox est! 7 Dominus Jesus confirmet te in hoc egregio animi tui instituto. Quod interim pericula, perfidiam multorum, turbas et trepidationem, claudicationem denique non paucorum annuncias et deploras, 8 memineris, oportet, verborum domini, qui in evangelio haec omnia ventura praedixit. 9 Idem autem adiecit: "Haec dolorum initia sunt! Qui perseveraverit in finem, hic salvus erit"10 . Hortor ergo

2 Hallers Briefe vom 21. Februar und vom 5. und 12. März (HBBW XIX, Nr. 2821. 2837. 2844).
3 Gemeint ist die katholische Geistlichkeit.
4 Paulus.
5 Georg Frölich, Stadtschreiber von Augsburg. Er war für Haller ein enger Freund und Berater, auch in der Frage einer etwaigen Rückkehr nach Zürich; s. HBBW XIX 151,73; 229,30-230,40; 234,39-42; 252,17-26; 290,41f.
6 Damit ist Hallers Brief vom 12. März gemeint.
Bullinger spielt hier auf HBBW XIX 414,32-40 an. -Vgl. aber schon zu diesem Thema HBBW XIX 97,38-40; 191,22-24; und 253f, aus dem Briefwechsel zwischen Haller und Bullinger.
7 Vgl. Lk 17, 33; Röm 14, 7f.
8 Anspielung auf HBBW XIX 442f; 463, 16-19.
9 Vgl. Mt 10, 17-28; 24, 1-42; Lk 21, 7-31 . - Vgl. ferner Apg 14, 22; 2Kor 6. 4-10.
10 Mt 24, 8. 13.


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tuam pietatem, ut hisce te consoleris, verbum domini unice respicias in omnibus. "Est enim lucerna pedibus nostris et lumen semitarum nostrarum" 11 .

Postremas 14. 12 martii scripsisti. His exponis victoriam electoris reportatam a Brandenburgio 13 , in qua multi comites et nobiles vin partim caesi, partim capti sunt. Gratias autem ago domino nostro, qui non in perpetuum destituit auxilio populum suum. 14 Gratam rem fecisti, qui eam nunciaris victoriam! Apud nos enim dubitabatur, num rumor verus esset.

Tu secure offeres d. Cellario 15 et d. Musculo 16 omnia nostra, siquidem propter veritatis praeconium eiecti fuerint Augusta in exilium. 17

Zu Baden ist aber 18 ein Tag geweßt 19 . Begert der Frantzoß 20 knecht nach der vereinigung 21 . Dargegen die 5 Ort wüssen wollen, wohin er die bruch. Wil der Frantzoß nit sagen und fodert 22 heftig. Lucern, Schwytz, Zug, Underwalden nit b dem Wald 23 hetend jetzund zugesagt, wann 24 Un und Oberwalden zugesagt. Also ist ein tag gesetzt gen Solothurn dominica quasimodo. 25 Da soll man entlich 26 antwurten; da wil er 27 die ansbrecher 28 zalen

b In der Vorlage mit.
11 Ps 119 (Vulg. 118), 105.
12 Damit ist ein vierter Brief gemeint, wie dies aus Nr. 2884,2f, hervorgeht. Am 12. März konnte Haller noch ganz zum Schluss seines Briefes nur kurz die gute Nachricht vom Sieg des Kurfürsten Johann Friedrich I. von Sachsen in Rochlitz melden; s. HBBW XIX 414,49-54. Offensichtlich aber schickte er zwei Tage später mit einem heute nicht mehr erhaltenen Brief ausführlichere Angaben zu dieser Schlacht. - Da Bullinger Hallers Brief vom 14. März nicht zusammen mit den drei anderen erwähnt, ist dieser kurz vor oder während der Abfassung des vorliegenden Schreibens übermittelt worden.
13 Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach. - Hier wird auf den Sieg des kurfürstlichen Heers in Rochlitz am 2. März angespielt; s. Nr. 2872, Anm. 27. - Zu den im Folgenden erwähnten Gefangenen, Verwundeten und Todesopfern s. HBBW XIX, Nr. 2849,[4]; 2851,[2]; 2862,[8]; 2863,[2].
14 Vgl. z.B. Ps 102 (Vulg. 101), 9; Sap 16, 6; Jer 3, 12-15.
15 Michael Keller.
16 Wolfgang Musculus.
17 Musculus hatte im Falle einer etwaigen Flucht aus Augsburg mit seinem Schreiben vom 5. März einen Besuch in der Eidgenossenschaft in Aussicht gestellt
(HBBW XIX 392), während Keller mit seinem Brief vom 29. März ausdrücklich um Zuflucht bei Bullinger gebeten hatte (HBBW XIX 459).
18 erneut.
19 Gemeint ist die am 28. März 1547 in Baden begonnene Tagsatzung; s. EA IV/1d 797-802.
20 König Franz I. von Frankreich, der am 31. März 1547 gestorben war, worüber zur Zeit der Tagsatzung noch niemand Bescheid wusste. Auch Bullinger hatte davon noch keine Kenntnis, als er diesen Brief verfasste. - Zu diesen Verhandlungen s. EA IV/1d 799 k.
21 Das im Jahr 1521 abgeschlossene Soldbündnis zwischen den Fünf Inneren Orten und Franz I.; s. Nr. 2976, Anm. 1.
22 fordert.
23 Gemeint ist Nidwalden; s. SI XV 1479. 24 wenn.
25 17. April 1547. Diese Tagsatzung wurde am Montag, 18. April, eröffnet; s. EA IV/1d 804-807.
26 definitiv; s. SI I 317. - Zu dieser Antwort, mit der die Knechte (für Franz' Sohn und Thronfolger Heinrich II.) bewilligt wurden, s. EA IV/1d 804f c.
27 Franz I.
28 Ansprecher, als "petitor", Kläger, der die Bezahlung einer ihm zustehenden Schuld beansprucht; s. SI X 773f (die Lesung


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und schulden legen. Acht wol, es werde ein grossen aufbruch 29 geben, etlich achtend in Meyland, etlich in das Niderland.

Das ist nüt gwüsses: Es sollend aber etwas in 30 7'000 Italier gen Meiland kommen, auf Trient. Ziehen in Tütschland. Weißt man noch nit, ob ihnen die Venediger blatz und paß machen. Also schreibt man mir von Chur.

Gott mit dir!

[Ohne Unterschrift.]

[Ohne Adresse.]