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Autograph: Zürich StA, E II 357a, 615f (Siegelspur)
Teildruck und zusammenfassende Ubersetzung: Blarer BW II 516-518, Nr. 1354
[1]Blarer wünschte, er hätte öfter einen Boten zur Verfügung, damit er Bullinger immer gleich
Bericht erstatten könnte. — [2] Bei [Konrad] Hofherr hat er sich nach den sechs Gulden
erkundigt. Dieser sagte, dass er sie [nach Zürich] schicken werde, sobald sein SchwagerBriefe_Vol_18-079 arpa
[Fridle ...] aus Bischofszell ihm diesen Betrag zurückerstattet und nach Konstanz gesandt
haben wird, und dass er diesbezüglich an [Hans]Meefuss schreiben wolle. —[3] Die Memminger
sind über die Gefangennahme des Boten [Konrad Schweri] gut informiert. So konnte
Blarer von dem sich gerade in Konstanz befindlichen Memminger Stadtschreiber [Georg Maurer]
alles erfahren. — [4] Blarer übersendet einen aktuellen Brief [Georg] Frölichs mit der
Bitte um Rücksendung. Man wartet stündlich auf weitere Nachrichten [über den Kriegsverlauf].
— [5] Im Hinblick auf die Ursachen, warum die Sache [der Schmalkaldener] nicht
vorangeht, stimmt Blarer mit Bullinger völlig überein. Ihn ängstigen Sieg sowie Niederlage
[der Schmalkaldener] gleichermaßen! Bullinger weiß ja, warum [Publius Cornelius Scipio]
Nasica [Corculum] Karthago nicht zerstören wollte und welche guten Folgen sein Zögern
hatte. Desgleichen wagt Blarer kaum an die Auswirkungen eines Erfolgs der [Protestanten] zu
denken ...
— [6] Vor etlichen Wochen wurde er auch über das Schicksal Thomas Naogeorgs
unterrichtet und hat ebenfalls die Glaubensartikel gelesen, die diesem vom Kurfürsten [Johann
Friedrich von Sachsen] vorgeworfen werden. Es gäbe noch von anderen ähnlichen Fällen zu
berichten, doch wollte er Bullinger nicht damit betrüben. Auch wäre es gut, wenn die Öffentlichkeit
so spät wie möglich davon erfahren würde. Wenn die Situation unter den Protestanten
jetzt schon [dermaßen angespannt ist], wie mag es erst sein, wenn man keinen Feind mehr hat!
—[7] Blarer denkt wie Bullinger über die Mathematiker und deren Vorhersagen, billigt aber
diesbezüglich Jakob Rufs Einstellung, der ihm neulich [seine Überlegungen] zur Himmelskonstellation
mitteilte. Wie auch immer, der Herr des Himmels wird alles zu unserem Heil
lenken. —[8] Vom Vorhaben [der Berner, ins Burgund einzufallen], hat Blarer gehört, wusste
aber nichts von dem [Schirm]bündnis zwischen dem Burgund und der Eidgenossenschaft. Ein
solches Unternehmen würde auf jeden Fall Anstoß erregen und wäre außerdem gefährlich.
Deshalb sollte man es unbedingt verhindern! — [9] Ein den Eidgenossen [wohlgesinnter]
Konstanzer [Konrad Zwick?] schreibt aus dem [schmalkaldischen Lager bei Füssen] einem
Freund [Thomas Blarer?] über das unflätige Benehmen der dort liegenden neun eidgenössischen,
jeweils kaum 200 Mann umfassenden Fähnlein. Diese schlagen sich untereinander,
kommen ihren Verpflichtungen nicht nach, nehmen aber alles, was sie können. [Der Hauptmann]
Hans Blum aus St. Gallen und ein anderer [Ottmar Fridbolt] wurden wegen ihres
Verhaltens sogar beurlaubt. Es ist ungewiss, ob die anderen bleiben werden. Sie beharren auf
einem eigenen Oberst, was aber die Kommissare [Philipps von Hessen] nicht bewilligen
wollen. —[10] Die Berner Anfrage [um die Entsendung des Pfarrers Jodocus Kilchmeyer] ist
begrüßenswert, damit man in der Glaubensauffassung endlich zur Eintracht gelange. Wenn
doch nur Bullinger sich eine Zeitlang nach Bern begeben könnte, bis der Streit beigelegt wäre!
— [11] [Lukas] Schrotteisen, der [Rechtsbeistand]Herzog Christophs von Württemberg, war
in Konstanz und erzählte, dass der Herzog bei [König Franz I.] ist, Letzterer den [Schmalkaldenern]
gewogen sei, ihnen 2'000 Reiter und auch Geld (wie Bullinger es aus dem Schreiben
Frölichs entnehmen kann) schicken wolle. —[12]Möge Gott bewirken, dass Kaiser Karl
[V.] das Schicksal ereilt, das Bullinger ihm wünscht! — [13] Bullinger hat eine Kopie des
kaiserlichen Schreibens an die [Neun] Orte gelesen. Es ist eine Schande, wie der Magistrat
dieser Orte lügt, um [auf die Politik] Einfluss nehmen zu können! — [14] Blarer muss aufhören,
da der Bote [...]eintrifft. —[15] Konrad Zwick ist noch nicht [aus Füssen]zurückgekehrt.
Sonders vertrauwter, lieber herr und bruder, ich wolt ge[rn]a , es stiesse mir
offter bottschafft zu euch an die hand 2 , dam[itt] ich allweg gleich, was ich
hette, euch zuschicken köndt!Briefe_Vol_18-080 arpa
Des Curionis 3 und der sechs guldin halb hab ich by im erfragt. Sagt er, wie sein schwager 4 die bezalen werde und uff hütt oder morgen her schicken, darum er dann selbs ouch dem Mefuß 5 schreiben will. Beschicht es nitt, lasst michs wissen. Will ich selbs sechen, das er 6 zalt werd. Er 7 hat das gellt seinem schwager zu Bichoffszell 8 entlechnet 9 .
Des uffgehaltnen botten 10 halber wissen die von Memmingen wol, wie sich die sach hellt. Dann der stattschreiber von Memmingen 11 ist diser zeyt hie. Hat mir alles anzögt.
So schick ich euch hiemitt des Leti 12 jungst schreiben 13 , darusß ir bericht werden, wie es domals gestanden. Was yetzund weyter verloffen, gewarten wir all stund zu vernemmen. Den brieff aber schicken mir wider; dann 14 ichs alles zusamen behalt usß ursachen.
Das ir mir dann schreibt von ursachen, darum unser sach nitt fort geht, 15 byn ich gar ains mitt euch, und angstet mich gar nach 16 gleych so hertzlich uff den syg als uff das niderligen 17 , wiewol es danecht 18 ain grossen underschid hat. Scis, cur Nasica Carthaginem expugnatam noluerit et quam oscitantiam pariat securitas. Was dann die unseren selbs underainander anfachen werdind, sich ich vor meinen augen in zeytlichen und der religion sachen, und mag mich mitt dem gedanken nitt gern kümmern, diewyl ichs damitt nitt wenden mag. 21
Von dem Thoma Naogeorgo 22 bin ich vor ettlichen wochen bericht worden und die articul 24 empfangen, die im der churfürst 25 , das er sy gelehrt hab, zugemessen 26 hat. Hab euch davon nichts schreiben wellen noch damitt bekümmeren, wie ich dann deren ding vyl mehr waiß und teglich erfar, dann
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mir lieb ist, und gar ungern wellt, das es vyl ander leut ouch wissten. Gott wells mitt gnaden verhüten, das mans nitt nun noch ze frü innen werde 27 ! Ach gott, sollten wir gar herren im land 28 werden unnd kain widerstand mehr haben, wie wurde es unß so übel gehn! Wir wellen unß doch 29 in solicher trübseligen zeyt nitt in gottes gefallen richten! Wie sollts erst gehn, so wir nieman mehr entsitzen 30 müssten? Gott heliff unß! Es ist angst und not zur rechten und lincken syten.
De mathematicis et ipsorum iudiciis idem, quod tu, sentio. 31 Probo tamen sollicitum ac nostrorum studiosissimum animum Jacobi Ruffi 32 nostri, qui proxime diligenter ad me de celi facie scripsit. 33 Sed nos dominum celi venerabimur illique uni accepta feremus omnia, qui omnia ad nostram salutem moderabitur 34 . 616
|| Von Burgund b hab ich wol gehört. das es vorhanden, 35 aber warlich nitt gewisst, das es im pundt mitt euch ist. 36 Es wurde ja gewisß ain sach, die gar nichts söllte 37 , und ain böß geschray machen, zu dem das kain gluck daby sein wurde. Darin were 38 , wer mög, und thü das best; es solte nichts! Man verstigt 39 sich gar bald in denen dingen, das 40 gott erzurnt wirt.
Ewer Aidgnossen halber kan ich euch nitt bergen, das ain guter burger von hinnen 42 , der ain guter Aidgnosß ist und ouch yetzund by ynen, her
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schreibt ainem vertrauwten freund 43 allso: "Die Aidgnossen sind so unfietig worden. Schlachend ainander zu tod und die hend ab. Habend ir gut lob gar verloren. Zalend nitt allain nitt, was sy schuldig sind, sonder nemmend iren vyl 44 was an sy kompt. Habend ain gar böß regiment under ainander. Seind neun vendlin und aber under ainem kum 200, etc. Gestert hat man sy gemustert. Habend sich der Plum 45 von Sankt Gallen und noch ainer 46 sich so unutz gemacht über die massen, 47 das die commissarien inen uff hutt habend urlob geben. Nitt waiß ich, ob die andern selbs blyben werden oder nitt. Sy wellend nitt under unserm regiment sin, sonder ain aignen oberesten 48 haben. Das wellen aber unsere hessische und landgräfische commissarien nitt thain 49 ", etc. hec ille. Haltend mirs zu gut 50 Waiß wol, das ir mir hierin nichts verargt 51 .
Das die von Bern der ewern begern, 52 ist treffelich gut und daran sollt ir billich nichts sparen, wie ubel 53 es euch komen möchte, damitt ir aller ding verglychen 54 und ainig wurden in der lehr. Es ist unglöplich, was mitt der zyt für nachtail daruß erwachsen. 55 Wellt, das ir selbs ain zytle 56 zu Bern weren, byß sich alles abesse 57 !
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Es ist doctor Schrotysen 58 von Mympelgart, der by hertzog Christoff von Wirtemberg ist, hie gewesen. Mitt dem hab ich allerlay ouch gereddt. Sagt, das der hertzog Christoph yetzund by dem Frantzosen 59 seye, der sich vyl guts gegen den unsern empotten hab und gern welle 2'000 reuter schicken, so man welle, wie ir dann gehts halb 60 in Laeti litteris ouch vernemmen werden. 62
Gott welle, seye es nitt wider inn gebetten, das des kaiser Carlis 63 fatum sich allso finde, wie ir schreibt, und ewer prophecey war werde! 64 Der herr gott wirts wol gut machen. Wären wir nun 65 ouch gut wurde allen sachen bald geholfen.
Ich hab copey des kaisers schreiben an die V ort 66 gelesen. Es sollt ainer wild werden, das dise herren 67 , um das sy gwaltig 68 sind, mitt gwalt gsechende ougen blind und hörende oren toub machen wellend, 69 die lüge so unverschampt fürgeben dorffen.
Ich muß uffhoren. Yetz kompt unversechen diser bott 70 . Datum mittwoch hora 3. post meridiem.
Conrat Zwick ist noch nitt kommen 71 .
[Ohne Unterschrift.]
[Adresse auf S. [616b]c :] An meister Heinrich Bullinger zu Zürich.