Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2583]

Eberhard von Rümlang
an Bullinger
[Bern],
13. September 1546

Autograph: Zürich StA, E II 360, 413 (Siegelspur) Ungedruckt

Es gibt guten Grund zur Freude über die Wahl des [für das Berner Münster bestimmten] Pfarrers! Zwar schlugen die Störenfriede [Beat Gering und Simon Sulzer] dem Großen Rat einheimische (um ja niemanden von außerhalb zu erhalten) und buceranisch gesinnte Kandidaten vor und lobten diese auf ihre verlogene Art über alle Maßen. Doch konnte man trotz allem den Küsnachter [Pfarrer]Jodocus [Kilchmeyer) durchsetzen. Nun möge Bullinger dafür sorgen, dass vonseiten Zürichs keine Verzögerung eintritt! Was Rümlang nämlich über die Gespräche Bullingers mit Andreas Rappenstein und [Peter Im]Haag erfuhr, hat er mit den anderen [Berner Zwinglianern] umgesetzt. So wurden im Rat der Zweihundert die zwei Zürcher [als Kandidaten] vorgeschlagen: der eine aus Winterthur [Matthias Hirsgarter?], der andere aus Küsnacht [Kilchmeyer]. Als Rümlang über die beiden ausgefragt wurde, befürwortete er den aus Luzern stammenden Kilchmeyer, weil dieser gelehrt, integer, erfahren und reif ist. Auch habe er eine volltönende und laute Stimme. Und so erhielt man diesen! [Gering und Sulzer]ärgern sich natürlich sehr darüber. Rümlang muss bald nach Zürich kommen, da sein Onkel [...] in Winterthur gestorben ist. Bullinger möge [bis dann]für das weitere [Vorgehen] sorgen. Gruße.

erst mit vorliegendem Brief auf dieses Ereignis anspielt, ist wohl als Hinweis zu deuten, dass die diesem Geschehnis gewidmete Basler Veröffentlichung (s. dazu s. Nr. 2551, Anm. 9) zu diesem Zeitpunkt gedruckt wurde.
8 Zum Unwetter in Lecce (Königreich Neapel und Sizilien) s. Nr. 2572, Anm. Il.
9 König Ferdinand I. — Ein Gerücht, das auf eine Entstellung der in Nr. 2572,60— 66, überlieferten Nachricht zurückzuführen sein wird.
10 Vgl. Nr. 2563,50f.
11 Paul III., im Folgenden als Antichrist bezeichnet.
12 Das Gerücht wurde seit Ende August in Deutschland verbreitet und gab Anlass zu einer gedruckten "Warnung" des Landgrafen und des Kurfürsten Johann Friedrich I. von Sachsen; s. Nr. 2570, Anm. 2; Nr. 2576, Anm. 72; Nr. 2577, Anm. 74.
13 Adagia 1, 2, 14 (ASD II/I 226-228, Nr. 114).


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Gratia et pax a domino. Optime Bullingere, letare res ex voto cessisse in concionatore eligendo! Nominarunt nostri turbatores 1 tres Buceranos 2 ducentis 3 , qui et Bernates sunt, quos miris encomiis 4 licet mendaciter ad astra extulerunt precibus adhibitis, ne extraneos acciperemus, sed indigenas. Nos vero non dormitavimus et obtinuimus d. lodocum Küsnacensem 5 . Effice ergo, ne sit in senatu Tigurino mora vel impedimentum!

Andreas Rappenstein mihi communicaverat, quae tu cum eo locutus, simuique Hagius 6 ; et ego deinde ea cum aliis 7 executus sum. In senatu diacosiorum 8 nominati sunt duo Tigurini, unus a Vituduro 9 et alius a Küßnach 10 . Et interrogabar ego, cuiusmodi essent viri. Ego d. lodoco testimonium et calculum dedi, quod esset doctus, probus, integer, expertus et non nuperus, verum annis moribusque gravis et sonora voce praeditus. Obtinuimus ipsum. Dicebam quoque ipsum esse Lucernanum. Et licet egerrime

1 Beat Gering und Simon Sulzer, die Anführer der bucerisch-lutherisch orientierten Partei in Bern; vgl. Nr. 2587,1-5.
2 Am Mittwoch, 9. September, schlugen Gering und Sulzer die folgenden Kandidaten vor: "Hannß Leuwen" (Johannes Löuw/Leu), "Predicannten zue Gsteig" bei Interlaken; "Albrecht Vogt", seit 1533 Dekan des Thuner Kapitels; und "Herr Christen" (Christian Danmatter), "Predicannten zue Belpp"; s. Michael Stettler, Berner Chronik (StA Bern, DQ Il). Bd. D: 1541-1550, f. 153v. —Zu den drei Pfarrern s. Pf-Bern 4 (Danmatter). 219 (Leu). 347 (Vogt). Zu Danmatter s. bereits HBBW Il 93f.
3 d.h. zuhanden des Großen Rates.
4 Loblieder.
5 Am 15. September wandte sich der Berner Rat an den Zürcher Rat mit der Bitte, ihm (entsprechend des am 12. September gefassten Beschlusses des Großen Rates; s. dazu Stettler, aaO, f. 158r.) Jodocus Kilchmeyer, damals Pfarrer in Küsnacht, als Nachfolger des verstorbenen Dekans Erasmus Ritter (s. Nr. 2549, Anm. 2) zu gewähren (Zürich StA, E 11.5, Nr. 15[a] vom 15. September 1546). Zunächst schlugen Kilchmeyer und der Zürcher Rat die Bitte ab. Die Berner Boten auf der Badener Tagsatzung von September 1546 zeigten sich darüber sehr enttäuscht (s. aaO, A 227/1, Nr. 86, vom 21. September). Am 23. September wurde aber die Bitte bei den Zürcher Behörden inständig
wiederholt. Der Berner Rat versprach, Kilchmeyer seinem Alter entsprechend zu schonen (aaO, E I 1.5, Nr. 15[b]). Daraufhin ließ sich dieser auf einen Versuch von sechs Monaten ein und erreichte bei den Zürcher Behörden, dass diese ihm während der entsprechenden Probezeit den Posten in Küsnacht freihielten. Kurz vor dem 25. Oktober trat Kilchmeyer sein neues Amt an. Am 25. April 1547 wurde mit der gemeinsamen Einwilligung Kilchmeyers und des Berner Rats der endgültige Vertrag geschlossen (aaO, E I 1.5, Nr. 15[c]).
6 Peter Im Haag.
7 die anderen zwinglisch gesinnten Berner. — Zu diesen s. HBBW XIV 17.
8 In senatu diacosiorum: Im Rat der Zweihundert (von greck = 200).
9 In Winterthur hatte Matthias Hirsgarter die erste Pfarrstelle inne, Heinrich Lüthi die zweite; s. Pf-Zürich 110. Stettler, aaO, f. 154r., berichtet, dass Sulzer und Gering den Winterthurer dem Kilchmeyer bevorzugten, weil er "geleerter und geschickter" sei. — Der junge unerfahrene Winterthurer Hans Zart (Sardenus), der kurz zuvor sein Studium in Straßburg beendet hatte und noch 1546 Provisor in Thun wurde, wird hier also für solch einen wichtigen Posten nicht in Frage kommen; s. HBBW XIV 1421, Anm. 6; Pe Zürich 646; Pf-Bern 129. 242. 257. 360.
10 Kilchmeyer.


Briefe_Vol_17-458arpa

ferant nostri turbatores 11 ! Deus tamen nobis gratia sua adfuit, quem antea, priusquam sententie dicebantur, invocaveramus.

Brevi ad te veniam, quia patruus meus 12 Vituduri fato functus obiit. Tu reliqua procurabis. Deus dignetur nos sua gratia tueri.

Salutabis universum clerum Tigurinum. Vale, optime, cum universa tua familia. Datum 13. die septembris anno 1546.

Totus tuus Eber. a

Rumlang.

[Adresse auf der Rückseite:] Vigilantissimo integerrimoque viro d. Heinricho Bullingero, ecclesiaste Tigurino primario, patrono suo semper excolendo.