Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[1436]

Bullinger an
[Rudolf Gwalther]
[Zürich, um 29. November 1540]

Autographer Entwurf a Zürich ZB, Ms F 37, 405r. -v. (ohne Siegel) Regest (mit Zitat): Köhler, Hessen und die Schweiz 471, Nr. 21; Teilübersetzung: Rudolf Studenten 61f

Gwalther und seine Kollegen stellen nicht nur ständig Geldforderungen, sondern wollen sich auch durch Titel wichtig machen, die für ihre künftige Aufgabe belanglos sind - mehr zu den gewünschten Promotionen schreibt [Johann Jakob] Ammann -; die Mutter von [Johannes] Wolf hat bereits genug Opfer für ihren Sohn gebracht, und es tut ihnen gut, sich einschränken zu müssen. Falls der an den Hof des [Landgrafen] geschickte Brief sie nicht erreicht hat, sollen sie sich danach erkundigen. Der [von Marburg nach Konstanz gekommene]Ratsherr ist angewiesen worden, ihm und [Johann Jakob] Wick höchstens fünf Gulden zu leihen, die sie im Frühjahr zurückzahlen sollen. Eine Erhöhung seines Stipendiums ist ausgeschlossen, und das Beispiel von Werdmüller und Fries sollte ihn vor Verschuldung warnen; vielleicht wird man ihn und seine Kollegen bald zurückrufen. Versteht nicht, was er über Eobans Epicedium geschrieben hat, und möchte nicht, daß dieser mit einem Gedicht auf Zwingli die Fünf Orte provoziert; wird die gewünschten Zwingli-Porträts besorgen lassen und grüßt Gwalthers Lehrer. Schlägt Widmungsempfänger für dessen "Monomachia" und "Epistolae heroinae" vor. Weitere Grüße. Die Gerüchte über eine Schlacht zwischen den Zürchern und den Fünf Orten sind falsch; der gemeinsame Auszug zur Unterstützung Rottweils hat im Gegenteil Hoffnungen auf die baldige Überwindung des religiösen Gegensatzes in der Eidgenossenschaft geweckt, und auch sie sollen Gott darum bitten.

Gratiam et vitae innocentiam a domino.

Omnes vestrae literae 3 aliud nihil quam pecunias postulant. At hac conditione non estis a nobis dimissi. Pactum est, quid daremus, et illo persoluto ne quid postularetis amplius. Nunc vero nullus est postulandi finis. Praeterea novos in dies modos excogitatis, quibus reddamini graviores. Quorsum enim

a Mit Randbemerkungen und Unterst reichungen von J. H. Hottinger. Von der Ausfertigung ist als Fragment die linke untere Ecke erhalten (Zürich ZB, Ms F 80, 224, mit Siegelabdruck). Der Text, der vom Entwurf deutlich abweicht, lautet wie folgt: ... das sag den andern ouch. ac senatores, quod iniuss[i?] ... Missae sunt literae Francford[iam] ... schaffner im hoff des lan[dgrafen] ... scholarchis per scholasterem ... iunxeram literas tibi quoque ins[criptas?] ... quod si nondum redditae sun[t] ... [Monomachiam] Davidis et Goliath inscribe ... pari Megandro, Erasmo Fabrit[io] ... Pellicano, Theodoro Bibliandro, Ama[no] ... epicedio d. Eobani, viri clar[issimi]...
1 Siehe unten Z. 28.
2 Bullinger reagiert auf Briefe Gwalthers und seiner Studienkollegen vom 13. November (s. oben Nr. 1430-1432). Der Brief muß nach dem 24. November geschrieben sein (vgl. unten Z. 57); vermutlich wurde er etwa gleichzeitig verfaßt wie der Brief Werdmüllers an Gwalther vom 29. November (Zürich ZB, Ms F 42, 277; zum Inhalt vgl. Rudolf Studenten 621).
3 Bullinger bezieht sich auf die Briefe Gwalthers und seiner Kollegen Johannes Wolf, Johannes Haller und Johann Jakob Wick.


Briefe_Vol_10-192arpa

attinet multo sumptu gradus magisterii recipere? Ubi domum redieritis et ecclesiae vices erunt rependendae, nemo rogabit, num sitis magistri an famuli, sed quam docti et boni. Non negabit vobis Marpurgensis schola testimoniales literas de vestro studio et virtute. Imo tu ipse tibi eris testis locupletissimus, si praestes opere, quod a docto et bono requiritur aut expectatur. Verum plura de titulis recipiendis scholaster Amianus scribet 4 . Wöllend ir aber so frävvel 5 sin und alles das nach üwer gfallen thun, das üch ind köppff schüst 6 , so wüssend wir dann, das unser herren üch und nitt pfläger zu meistern gemachet habend. Wolphii mei mater 7 vidua et tenuis quidem vidua conqueritur et ipsa de sumptu imodico filii Numeravit Froschouero in septembri a nundinis 8 redeunti aureos sex, quos maluisset in alios usus maxime necessarios expendere. Novit ille matris tenuitatem et pergit interim exigere a paupercula. Ettwan 9 armut lyden und sich trucken 10 hat ouch sin lob und frucht.

Scriptae sunt literae 11 ad vos, praesertim ad sodales tuos tres de confidenti profectione a Tubinga 12 , item de aliis quibusdam rebus, et missae sunt in curiam principis 13 Franckfordiae ad oeconomum 14 . Quas si nondum recepistis, quaerite, obsecro, et curate per fotos, ut reddantur.

lussi, senator ille, cuius tu nomen imprudenter siluisti 15 , 4 aut 5 ad summum aureos tibi numeret et totidem Wickio; sic eum iusserat pater 16 . Vos curabitis, ut illi reddantur ad vernas nundinas 17 , ubi stipendium vestrum mittetur per Froschouerum.

Ego vero tibi, Gvalthere, non possum auctius polliceri stipendium quam nuper definitum 34 gl. Est et pluribus aliis studiosis et pauperibus dandum. Vide, ne aere alieno te degraves; exemplo sint Werdmullerus 18 et Phrysius 19 , quorum uterque hodie altissime demersus gemit cupiens se aliquando frugaliorem fuisse. Interim tamen Froschouero te diligenter commendabo 20 . Fortassis brevi revocabimini.

De epicedio Eobani, viri clarissimi, quid scribas 21 non intelligo. Si tamen epicedion in memoriam Zvinglii scriptum putas, nolo, id evulges, nam temetipsum

4 undatierte Brief Johann Jakob Ammanns an Gwalther findet sich in Zürich ZB, Ms F 42, 4; zum Inhalt vgl. Rudolf 60f.
5 unverschämt.
6 einfällt.
7 Margaretha Leu, gest. 1568; s. Schweizerisches Geschlechterbuch = Almanach généalogique suisse, Bd. 7, Basel 1943, S. 687.
8 von der Frankfurter Messe.
9 Zuweilen.
10 sich darein schicken.
11 Nicht erhalten.
12 Zur eigenmächtigen Abreise Wolfs, Hallers
und Wicks aus Tübingen vgl. oben Nr. 1421 und 1431.
13 an den Hof Landgraf Philipps von Hessen sen.
14 Wer gemeint ist, bleibt unklar.
15 Vgl. oben Nr. 1430, 2-8; 1432, 2-11.
16 Peter Wick.
17 Zum Termin der Frankfurter Frühjahrsmesse s. oben Nr. 1390, Anm. 9.
18 Vgl. dessen oben Anm. 2 erwähnten Brief an Gwalther.
19 Johannes Fries.
20 Vgl. oben Nr. 1430, 691.
21 Oben Nr. 1432, 21-23.


Briefe_Vol_10-193arpa

perderes, nec vellem optimum et doctissimum virum ||405v d. Eobanum quicquam acerbius in Quinquepagicos scribere. Nosti tu, quam difficilis stomachi sint isti homines. Aegre quicquam in se dictum liberius concoquerent, imo acusarent illum laesae maiestatis apud principem etc. Cave itaque, ne quid vel ab Heivetio vel ad Helvetium huius causae aliquid perscribatur. Icones Zvinglii parari curabo 22 . Salutabis diligentissime clarissimos viros Eobanum, Lonicerum, Gasparum Rodolphum, Noviomagum 23 ac reliquos amicos et fratres.

Monomachiam 24 inscriberem d. Felici Fry 25 , praeposito collegii, Leoni Iudae, Gaspari Megandro, Erasmo Fabricio 26 , H[einrycho] Bullingero, pastoribus et concionatoribus b Heroinas 27 Pellicano, Bibliandro, Amiano, Collino, Bindero c - Hebraico, Graeco, Latino lectori, ludimagistro . Si vis, parato et aliud quodpiam poema Ianni Rhellicano, paedagogo collegii abbatissani 28 , Ioanni Phrysio, ludimagistro, Otthoni Werdmullero, professori philosophiae d , Sebastiano Fabritio 29 et Diethelmo Cellario, hypodidascalis etc., so hasts alle geeret und ghein erzürnt.

Salutabis sodales tuos omnes, praesertim Wolffium, filium dilectissimum, cui ex animo bene volo ut et reliquis.

Mendatium est, quod fama sparsit de conflictu nostrorum et Quinquepagicorum 30 . All eydg[nossen[sind wol eins und habend 1000 man wöllen gen Rootwyl 1 legen in zusatz 31 ; die sind schon zu Schaffhusen gelägen, und zugend 24. novembris e Zürych mitt und under andren uuß uß der statt f Zürych, Ury, Schwytz und Zug; die badtend imm uußziehen durch niderdorff vomm fischmerckt, daß man inen verzige 32 , sy wöltend uns alls guts thun g . Wyter hat man uußgenommen 15'000 mann zu vendlinen 33 , und wolt man von allen orten und zugewandten der gantzen eydgnoschafft h ein gmeinen

b pastoribus et concionatoribus am Rande nachgetragen.
c von Hebraico bis ludimagistro am Rande nachgetragen.
d professori philosophiae am Rande nachgetragen.
e 24. novembris am Rande nachgetragen.
f uß der stadt am Rande nachgetragen.
g von die badtend bis guts thun am Rande nachgetragen.
h und zugewandten der gantzen eydgnoschafft am Rande nachgetragen.
22 Vgl. oben Nr. 1430, 50-60; 1432, 24-26.
23 Gerhard Geldenhauer.
24 Vgl. oben Nr. 1430, 44-48.
25 Propst Felix Frey.
26 Erasmus Schmid.
27 Vgl. oben Nr. 1420, Anm. 10.
28 Rhellikan war Zuchtmeister des Fraumünster-Alumnats.
29 Sebastian Guldibeck.
30 Vgl. oben Nr. 1430, 64-67.
31 als Hilfskontingent. —Die eidgenössische Truppe, die in Schaffhausen bereitstand, konnte bereits Ende November wieder entlassen werden, da sich eine friedliche Lösung der Landenberger Fehde abzeichnete; vgl. EA IV/1c 1271-1277; Hans Lehmann, Stoffel von Breitenlandenberg und der geplante Kriegszug der Eidgenossen nach Rottweil. 2. Die Vorbereitungen der Eidgenossen zum Kriegszug und sein Ende, in: ZTB 1938, NF 58, S. 102-127; HBD 30, 15-26 (irrtümlich auf 1541 datiert).
32 verzeihe.
33 Als Fähnlein wurden sowohl die Feldzeichen als auch die entsprechenden Heeresabteilungen bezeichnet.


Briefe_Vol_10-194arpa

34 zug thon han; so ists von gotts gnaden gericht. Die eydgnossen wöllend sich fürohin zusamen hallten, und was ioch 35 kumme an sy, den glouben nitt zu einer ursach der trennung nemmen. Jetzund handlet man darvon, das ouch die 5 ort, Fryburg und Solenthurnn 1 und Wallis, so wir umbs gloubens willen angerendt 36 wurdint, zu uns setzind unds ein sach unser aller sye. Vil lüt wöllend vermeinen, sy werdint unsern glouben nitt wyt werffen 37 . Sy sind sunst 38 früntlicher dann noch nie 39 . Gott weist 40 , was werden sol; den bittend trüwlich, daß er uns einigheit in rächtem glouben verlyhe. Vil lüten meinend, bschächs jetzund nitt, so beschäch es nitt bald mee. Das weist gott; den bittend trüwlich. O wie stünd es so wol, möchtend 41 wir eins imm glouben Jesu Christi, unsers lieben herren, werden; wie wöltend wir so vil guter diensten armen, getrengten biderben 42 lüten thun und so trüwlich hälffen denen, die vomm antichristen pinigt werdent. Dorumb bittend gott trüwlich, lieben sön.

[Ohne Adresse.]