Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[868]

Bullinger an
Joachim Vadian
[Zürich],
22. Juli 1536

Autograph: Zürich StA, E II 342, 56 (Siegelspur) Gedruckt: Vadian BW V 334f

[Abt Diethelm Blarer] von St. Gallen, der zusammen mit Gesandten von [Luzern] und [Schwyz] in Zürich war, um den Loskauf des Toggenburgs rückgängig zu machen, wurde zwar korrekt, aber ohne jedes Wohlwollen behandelt; er bekam vorn Rat keine endgültige Antwort. Zürich und Basel setzen sich dafür ein sich von fremden Herren freizuhalten; wenn dies nichts fruchtet, wird sich Zürich vorsehen müssen. Die Befürworter einer Konkordie mit Luther haben [bei den Verhandlungen in Wittenberg] zwar Vorbehalte angebracht, in der Sache aber nachgegeben. Bucer hat seine Ausführungen zum Abendmahl im Evangelienkommentar neu bearbeitet und [dem Drucker]Herwagen geschickt. Endet, da [Hans] Widenhuber drängt und die Predigtstunde naht.

Gnad und frid vonn gott.

Was der münch 1 von S[ant] Gallen vor den 4 orten 2 fürtragen, ist üch unverborgen. Er begärt den kouff, den Doggenburgernn gäben, zu venüten 3 . By unß ist er nitt werd xin. Diewyl aber der zweyen orten radtsbotten 4 by imm xin, hatt man lüt zu inen verordnet 5 und inen den wyn geschenckt, vom und inn radt beleydt 6 , sust aber nienanhin 7 gefürt, nienan uff gheiner stuben 8 geschenckt noch besonder gesellschafft geleystet. Min h[err]Röyst 9 was zu imm bescheyden 10 ; aber nie hatt er zu imm gewöllen, dann er wenig gunsts zuo imm und sinen pfaffenknächten treyt 11 . Ghein entliche 12 antwurt ist imm worden, dann man werde ouch andere verhören, die inn der sach zu handlen. Mitt

1 Abt [Diethelm] Blarer von Wartensee.
2 vor den vier Schirmorten des Klosters St. Gallen: Zürich, Luzern, Schwyz und Glarus.
3 für nichtig zu erklären (SI IV 872f. — Zum Loskauf des Toggenburgs vom Kloster St. Gallen unter dem Schutze von Zürich und Glarus im Jahre 1530 vgl. Gottfried Egli, Die Reformation im Toggenburg, Diss. phil. Zürich, Schafthausen 1955, S. 157f, und oben Nr. 865, Anm. 7; Weiteres unten Nr. 869, 25-31.
4 Hans Golder von Luzern und ein nicht bekannter Gesandter von Schwyz (vgl. oben Nr. 865, 5f mit Anm. 5f, und unten Nr. 869, 25-27).
5 abgeordnet (SI 1440).
6 geleitet (SI III 1493).
7 nirgendwohin.
8 gemeint sind die Zunftstuben.
9 Bürgermeister [Diethelm] Röist.
10 bestellt (SI VIII 248).
11 wenig Wohlwollen ... hegt.
12 endgültige (SI I 317).


Briefe_Vol_06_373arpa

sömlicher angehenckter 13 antwurt habend sy inn abgefertigt. Der münch ist wol gefütert, feyst und starck. Acht wol, S[ant] Benedicten regel 14 thüge imm nut wee.

Von gottes genad ist by unß ghein schwanckenn imm glouben. Der fürtrag miner h[erren] vonn Zürych und Basel ist gelich, trifft das kriegen, püntnussen und pensionen an, dero sich zu müssigen 15 dann min herren wol verston , und ermässen mögind, was uß dem spyl werden. Wenn aber mencklich 16 zu krieg louffen und sich in püntnuß und gunst der fürsten wit ynwicklen, werdent sy mitt der zyt besser fug haben, sich ouch zu versähen, wenn ioch ghein warnung noch pitt nützid hilfft 17 . Hoff zu gott, sölichs wurde nitt mitt schaden des gloubens beschähen.

Video concordiae istius 18 duces et consultores delusos esse sua spe. lurarunt in verba Lutheri, qui a nobis palinodiam postulavit. Subscripserunt tamen, revocationem renuerunt; sed tamen accesserunt communicantes cum eis 19 .

Retractavit Bucerus, quae in 4 evangelia olim scripsit de eucharistia. Ea Basileam misit ad Hervagium 20

Plura iam non potui festinante Widehubero et contionis hora urgente.

Vale, vir observande.

22. iulii 1536.

H. Bullinger.

[Adresse auf der Rückseite:] Praestantissimo viro doctori loachimo Vadiano, Sangallensi consuli prudentissimo, suo domino colendissimo.

13 verklausulierter (SI || 1458).
14 Vgl. Benedikt von Nursia, Regula monachorum, bes. Kap. 39.
15 diese zu meiden (SI IV 499). — Der Vorstoß erfolgte bereits im Juni und führte zur Sondertagung vom 30. Juli (vgl. EA IV/1c 709f, bes. g, j, k).
16 jedermann.
17 wird die Zürcher Obrigkeit schließlich umso mehr Grund haben, sich vorzusehen,
wenn weder Warnen noch Bitten etwas hilft.
18 Zur Wittenberger Konkordie und zu ihrer Entstehung vgl. die oben Nr. 838, Anm. 5 genannte Lit.
19 Vgl. oben Nr. 866, 19-21 mit Anm. 9-11.
20 Zu Bucers "Retraktationen", die im September 1536 bei Herwagen erschienen, vgl. ebd., Anm. 12.