Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[869]

Bullinger an
Oswald Myconius
[Zürich],
28. Juli 1536

Autograph: Zürich StA, E II 347, 69f (Siegelspur) Ungedruckt

Schickt einen kürzlich geschriebenen Brief [Nr. 864]. Begrüßt die Stellungnahme von Myconius und [Grynäus] zur [Wittenberger Konkordie]; [die Zürcher] wollen weder die Konkordie noch das [Augsburgische] Bekenntnis unterzeichnen. Lehnt weitere Zusammenkünfte wie auch jedes Abgehen vom [Ersten Helvetischen] Bekenntnis ab. Gruß. Onofrius Setzstab ist heimlich in [französische]Dienste getreten; auch aus Schwyz, Toggenburg und Luzern sollen dem französischen [König Franz I.] Söldner zuziehen, doch Zürich achtet sorgsam darauf, keine Partei zu begünstigen. Der St. Galler Abt [Diethelm Blarer von Wartensee] hat zusammen mit Gesandten aus Luzern und Schwyz erfolglos versucht, den Loskauf des Toggenburgs rückgängig zu machen; Zürich hat [Hans Rudolf] Lavater dorthin entsandt, und [die Zürcher Theologen] sind gegen den Anspruch des Abtes aufgetreten. Erkundigt sich nach der Beachtung von Standesschranken bei Eheschließungen in Basel; in Zürich haben die Verwandten einer Bürgerstochter deren Verehelichung mit dem Sohn des [Abdeckers]Heitz [Großholz] verhindert.

||70 Gratiam et pacem a domino.

Scripsi, ut superioribus literis petieras, ante aliquot dies responsionem 1 , sed per inopiam tabellionum non misi, quae scripseram. Verum nunc mitto.

Placent, imo perplacent, quae respondistis super confessione Saxonica senatui 2 . Nolumus subscribere nos neque conscriptioni Wittembergensi neque confessioni Saxonicae 3 . Responsionem vestram remitto et gratia[s]a ago.

Inter caetera scribis 4 : "Tum et de conventu communi erit consultatio." Scias igitur, venerande mi Myconi, nos posthac in nullum venturos conventum. Semel convenimus Basileae, semel confessi sumus 5 . Nihil causae est, cur conveniamus amplius, nisi in confessa veritate perseverare nolimus. Quid sollicitamur ac te[n]tamur b toties? Kurtz dannen 6 : Ee 7 wil ich di[e]c ein mol gestellt confession hälffend scherppff[en]d dann miltern. Was tript man hür und fer[n]e8 mit unß? Si Lutherus cum suis nostram ferre potest confessionem, gratias ago deo. Si non potest, nobis de confessione vel tantillum mutare non erit integrum, nisi erroris prius convicerin[t] f . Subscripserunt Argentoratenses sancte pollic[i]ti g posthac se contra hanc confessionem nil daturos, sine nobis

a-m Textverlust wegen Beschädigung des Randes.
1 Am 18. Juli (oben Nr. 864).
2 Myconius und Grynäus hatten den Dreizehn ein ablehnendes Gutachten zur Wittenberger Konkordie (vgl. Anm. 3) vorgelegt; s. oben Nr. 866, 25-29 mit Anm. 14.
3 Myconius verwendet die Bezeichnung
"sächsische Konfession" auch für die Wittenberger Konkordie, während Bullinger darunter die Confessio Augustana versteht; vgl. oben Nr. 863, Anm. 1.
4 Oben Nr. 866, 34f.
5 Zum Ersten Helvetischen Bekenntnis s. oben Nr. 737, Anm. 1.
6 kurzweg (SI XIII 96).
7 eher.
8 treibt man immerzu (SI II 1585).


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acturos nihil 9 . Expecto eventum rei. Non est, quod illi aliud [ex]pectent h de nobis; quod semel sumus confessi, confitemur hodie quoque. Quid quaerunt amplius?

Vale, mi charissime frater, una cum Gryneo, domino observando.

Onoffrius Setzstabius urbe el[ap]sus i clanculo militiam ingressus est mercen[na]riam k10 . Svitii et Togeni tribus, ut aiunt, sign[is]1 ad Gallum 11 profecti sunt. Profecturos aiunt e[t]m Lucernates. Nostri perpetuo sui similes perseverant nec ullius se partibus iungunt.

Abbas ||69 Sangallensis 12 comitatus legatis Lucernatum et Schviciorum in senatum nostrum ingressus petiit quaedam contra Doggios 13 , sed nihil impetravit. Nostri Lavaterum miserunt ad Doggios; huius expectamus reditum. Er, der apt, näm inen gern den kouff wider und brächt sy widerumb an das klotzhuss 14 . Nos pro publica contione monacho detraximus leoninum 15 . Adortus est illum et Pellicanus in diversorio monens, ut resipiscat; sed contempsit Antronius

Vale. Plura iam non sinunt occupationes.

Responde mihi ad hanc quaestionem, obsecro 17 : Ob man by üch zuliesse, das ein keybenschynder 18 oder hänckersbub 19 oder sust ein unerliche 20 person einem frommen 21 burger sin dochter zu der ee näme? By unß ist sömlichs beschähen 22 ; hatt deß Heytzen 23 sun einem sin dochter genommen und sy inn.

9 Im Abschied vom 4. Februar ist nur festgehalten, Dass keine eidgenössische Stadt ohne Vorwissen der anderen etwas am gemeinsamen Bekenntnis ändern oder dieses drucken lassen dürfe (EA IV/1c 617 c; vgl. Köhler, ZL II 460).
10 Wegen des unerlaubten Solddienstes für Frankreich wurde Setzstab, wie aus einem Begnadigungsgesuch der X Orte vom 16. April 1540 (Zürich StA, A 26. 2, Nr. 72) hervorgeht, des Landes verwiesen; vgl. Georg Gerig, Reisläufer und Pensionenherren in Zürich 1519-1532, Zürich 1947. — Schweizer Studien zur Geschichtswissenschaft, NF 12, S. 113.
11 König Franz I.
12 [Diethelm] Blarer von Wartensee.
13 Zu den Verhandlungen über den Loskauf des Toggenburgs s. oben Nr. 865, 5-10, und 868, 2-12.
14 Die verächtliche Bezeichnung eines Klosters abs Klotz- oder Kotzhaus (statt: Gotteshaus) spielt auf die Völlerei der Mönche an; s. SI II 1715f.
15 Bullinger scheint auf die Fabel vom Esel in der Löwenhaut anzuspielen; vgl. Röhrich I 242.
16 Abschätzige Bezeichnung für den Abt;
vgl. HBBW II, S. 88, Anm. 3; 263, Anm. 6.
17 Myconius' Antwort ist nicht überliefert.
18 Wasenmeister, Abdecker (SI VIII 914f).
19 Henkersknecht (SI IV 932).
20 unehrenhafte (SI I 395).
21 ehrenwerten (SI I 1295).
22 solches geschehen. — Hans Großholz, Sohn des Wasenmeisters Heitz Großholz (s. Anm. 23), und Barbara Hottinger von Zollikon hatten einander heimlich die Ehe versprochen. Am 20. Juli überwies das von den Verwandten der Frau angerufene Ehegericht den Präzedenzfall an den Rat. Dieser beauftragte die Eherichter, Bullinger zur Beratung beizuziehen. Am 27. Juli wurde die Ehe nach langer Verhandlung für unzulässig erklärt, da die Zustimmung der Eltern und Verwandten nicht im voraus eingeholt worden war. Außerdem wurde festgehalten, der Sohn (nicht aber die Tochter) eines "unehrlichen" Mannes sei für eine bürgerliche Familie unzumutbar, da Name und Zunftunfähigkeit auf die Kinder übergehen würden. Siehe Zürich StA, YY 1. 5, S. 741-744.
23 Heitz (Heinz, Heinrich) Großholz; vgl.


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Der vatter 24 ist allt; hatt gemeindt, es müsse sin. Allß er aber underrycht, hatt er sich mitt der früntschafft 25 darwider gestellt, und sind geteylt 26 . Dann noch sy nitt zamen gäben noch bygelägen.

28. iulii 1536.

H. Bullingerus tuus.

[Adresse darunter:] Optimo viro d. Osvaldo Myconio, charissimo fratri. B[asi]eae]n .