Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2955]

Ambrosius Blarer
an [Bullinger]
[Konstanz],
18. Juli 1547

Autograph: Zürich StA, E lI 338, 1421 (ohne Siegelspur) Teildruck und zusammenfassende Ubersetzung: Blarer BW II 640, Nr. 1457

[1] Nachdem der Reichsvogt Sebastian Gaisberg in Zürich gewesen war, hat er auf dein Heimweg, in Winterthur, zusammen mit einem anderen Konstanzer Ratsherrn [...], der auch

a Hier und unten Text teils im engen Einband verdeckt. -
b-b Fehlt in der Vorlage.
14 Siehe zuletzt Nr. 2881 und Anm. 37. Siehe ferner Bächtold, Rat 102f.
15 Heinrich Fleckenstein, Gesandter von Luzern, und Hans Bünti, Gesandter Unterwaldens; s. EA IV/1d 824.
16 Hans Rudolf Lavater und Itelhans Thumysen; s. Nr. 2934,34f.
17 Aus EA IV/1d 825 d und e geht hervor, dass zwei französische Gesandte an der Tagsatzung teilnahmen. Ihre Vorträge sind aaO, S. 832f zu d, zusammengefasst. Es waren Guillaume du Plessis. sieur de Lyancourt (s. zuletzt Nr. 2881,47-50),
und Sébastien de L'Aubespine, abbé de Bassefontaine (vgl. Nr. 2955,1-3). - Da Du Plessis noch vor Franz' I. Tod zu den Eidgenossen gesandt worden war, ist hier eher von L'Aubespine die Rede.
18 Heinrich II.
19 Offensichtlich war Gasts Brief vom 14. Juli (Nr. 2949) noch nicht in Zürich eingetroffen; vgl. Nr. 2949,1.
20 Francisco de Enzinas.
1 Dass Bullinger der Empfänger ist, ergibt sich aus dem Inhalt.


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dorthin geschickt worden war, Sébastien de L'Aubespine, abbé de Bassefontaine [den Gesandten König Heinrichs II. von Frankreich], getroffen. Hätte man nämlich den französischen Gesandten in Konstanz empfingen, würde dies für Aufsehen gesorgt haben. Bassefontaine machte große Versprechungen und behauptete, der König wäre bereit, mit Geld, Soldaten und anderem zu helfen. Die Konstanzer haben sich demzufolge zu einem Schreiben an diesen entschlossen und es dem Gesandten übermittelt. Blarer lässt es Bullinger vertraulich und unter der Bedingung zukommen, dass er es wieder zurückschickt und von niemandem abschreiben lässt. Er möchte nicht beschuldigt werden, so etwas unter die Leute gebracht zu haben, da dieser Brief ihm ausnahmsweise zur Verfügung gestellt wurde, um ihn eilends abschreiben zu können. -[2]Er möchte Bullinger nicht vorenthalten, dass er aus der ganzen Angelegenheit den Eindruck gewonnen hat, dass alles, was [den Zürchern] oder den anderen [drei protestantischen Orten von den Innerschweizern] zu tun verboten wird, mit der Behauptung gerechtfertigt wird, der Franzose wolle es so. Ob aber auf diese Weise das Gute befördert wird, sei dahingestellt ... -[3]Nun zeigt es sich immer deutlicher, dass es doch gut gewesen wäre, wenn man sich [hinsichtlich der Kontaktaufnahme mit Frankreich] an den ursprünglichen, [von Konrad Zwick, Ambrosius und Thomas Blarer] entworfenen Plan gehalten hätte. -[4] Wie schade, dass die Konstanzer ganz allein auf sich gestellt sind und sich nur auf Umwegen und nur so langsam helfen können! Wie groß muss die Sündenlast sein, die einen solchen Zorn Gottes nach sich zieht! Und der Sturm ist noch nicht vorbei! Wir müssen noch vom [Teufel] zermalmt werden. Der treue Gott erbarme sich unser und sei uns gnädig. -[5]Bullinger soll für die Konstanzer beten und alle von Blarer herzlich grüßen. - [6] Blarer hat sich beim Diener [...]erkundigt, ob [dem Drucker Christoph Froschauer]die Exemplare [der Rudimenta cosmographica von Johannes Honter]bezahlt wurden. Der Diener antwortete, dass Bullinger es getan habe. Deswegen erhält dieser nun die fünf Batzen mit großem Dank zurück.

Lieber herr und bruder, sonders hab ich nitt ze schriben, dann 2 (wie ir villicht wol wisst) a das der Fontanus 3 by unserm herr Vogt Gaissberg 4 , so zu Zürich gewesen, am haymryten zu Wyntertur gesin 5 , dahin dann noch amer des raths 6 von hinnen 7 verordnet worden, damitt er 8 nitt selbs her kerne und grosß geschray 9 dorrusß wurde. Der hat sich vyler und grosser ding von des 10 wegen vernemen lassen, das er helffen welle mitt gellt, leuten 11 und in ander weg, etc. Daruff sich mine herren amer antwurt 12 entschlossen und ime die zugeschickt haben. Die schick ich euch in vertrauwen hiemitt zu

a Klammern ergänzt.
2 außer.
3 Sébastien de L'Aubespine, abbé de Bassefontaine.
4 Sebastian Gaisberg, Ratsherr von Konstanz. Er war seit Oktober 1545 Reichsvogt, und verkörperte eine gemäßigte Haltung dem Reich gegenüber, im Gegensatz (s. dazu Nr. 3065, Anm. 12) zu Konrad Zwicks isolationistischem politischen Kurs; s. Dobras, Ratsregiment 66. 69. Wf.
5 gewesen.
6 Unbekannt.
7 Zu verstehen: aus Konstanz.
8 L'Aubespine.
9 Gerede.
10 Heinrich II., König von Frankreich.
11 Soldaten; s. Adelung II 2041.
12 Der an Heinrich II. gerichtete Brief (zu einer Kopie davon s. unten Anm. 14) wurde spätestens am 17. Juli verfasst. In dem Schreiben gaben die Konstanzer zu verstehen, dass sie noch mit dem Kaiser in Verhandlung stünden, sich dabei aber bemühten, ihren Glauben behalten zu dürfen. Sie seien bereit, auf die Hilfe von Heinrich II. zurückzugreifen, falls der vom Kaiser angebotene Friede weder die Ausübung ihrer Religion noch die Sicherheit der benachbarten und mit dem König verbündeten Eidgenossen gewähren würde.


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mitt geding 13 , das ir mir die widerum schickind und kainswegs nieman abschreiben lassind, 14 dann 15 ich warlich litt grosß nemen weht, 16 das man söllt in erfarung kommen 17 , das sölichs von mir ußgebracht were; 18 dann der brieff ist mir seltzam 19 und, in grosser yi abzeschriben, worden 20 .

Wolt ich euch danecht 21 nitt verhalten 22 , dann es bedunckt mich usß allen sachen, 23 was ir oder ander usß forcht nitt haben thain 24 dörffen, das werd uff den Fr[antzosen]gespylt 25 , das ers thu 26 Ob aber gut sachen dadürch gefurdert werden, das waist der lieb gott.

Ich find und verstehn aber ye lenger ye mehr, were ettlichen güten ratschlegen, davon ir wol wisst, gefolget worden, das es sehr güt gewesen. 27 Sag ouch, wir werdends ye lenger ye baß 28 erfaren.

Ach herr gott, das es doch alles allenthalb so schreg 29 und allain den unschlunigen 30 weg gehn will! Wie grosß sind doch unsere sünd, die sölchen zorn verschuldend! Es sicht mich warlich, warhich all ding darfur an, 31 es seyen noch die wetter nienen zergangen 32 . Wir müssen noch mitt dem hammer aller wellt 33 ouch zerknitscht 34 werden. Der truw gott seye uns gnedig und barmhertzig und erhalt unß mitt gnaden in das ewig leben!

13 mitt geding: unter der Bedingung.
14 Bullinger fertigte sich aber eine Abschrift davon an (Zürich StA, A 205.2, Nr. 14), die er wie folgt betitelte: "Der Statt Constantz antwort uff den französischen fürtrag zd Wintherdur gethan".
15 denn.
16 nitt grosß nemen weht: nicht in Kauf nehmen möchte.
17 söllt in erfarung kommen: vernehmen würde.
18 ußgebracht were: unter die Leute gebracht worden wäre.
19 ausnahmsweise; vgl. DRW XIII 337.
20 ist mir worden: wurde mir anvertraut.
21 dennoch.
22 verschweigen.
23 es bedunckt mich usß allen sachen: aus der ganzen Angelegenheit habe ich den Eindruck gewonnen.
24 tun.
25 uff (jemanden) gespylt: (jemandem) in die Schuhe geschoben.
26 Zu verstehen: [dass] was euch [den Zürchern] oder den anderen [den drei protestantischen Orten] zu tun verboten wird [nämlich von den Innerschweizern], gerechtfertigt wird, indem man behauptet, dass der Franzose es so wolle.
27 Anspielung auf den von Blarer, dessen Bruder Thomas und deren Cousin Konrad Zwick Ende Januar 1547 entworfenen Plan, wie und unter welchen Bedingungen die Konstanzer (mithilfe Bullingers oder der Zürcher) mit Frankreich Kontakt aufnehmen könnten; s. HBBW XIX 164f. 193f. 331-335. Weitere Verweise dazu im selben Band auf S. 21 und 28 in den Anm. 41 bzw. 91-94.
28 besser.
29 allenthalb so schreg: überall so schlimm.
30 langsamen.
31 Es sicht mich all ding darfür an: Alles deutet darauf hin.
32 die wetter nienen zergangen: der Sturm nicht vorbei.
33 Gemeint ist der Teufel, wie dies schon aus Origenes, In Teremiam Homilia XX (MPG XIII 525-530) bei der Kommentierung von Jer 50, 23, hervorgeht. Vgl. ferner 2Kor 12, 7. Im Laufe der Zeit wurde diese Deutung weiter überliefert: s. Hans-Werner Goetz, Gott und die Welt. Die Geschöpfe: Engel, Teufel, Menschen, Göttingen 2016, 5. 263 und Anm. 449.
34 zermalmt; s. Si III 773.


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Bittend trulich, trulich fur mich und unser kirchen! Grutzt alle menschen von hertzen.

Den knecht 35 hab ich gefragt, ob er das gelt um die bucher 36 geben hab. Spricht er, ir 37 habinds bezalt. Derhalb schick ich euch die 5 batzen zu grossem danck. Datum 18. juli 1547.

Tuus A. Bi.

[Ohne Adresse.]38