Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2484]

Bullinger
an Ambrosius Blarer
Zürich,
2. Juli 1546

Autograph: St. Gallen Kantonsbibliothek (Vadiana), Ms 35 (VBS VI), 154 (Siegelabdruck) Druck: Blarer BW II 459f, Nr. 1302

Einem Brief [nicht erhalten]zufolge, den Bullinger heute aus Chur von einem Freund [...] erhielt, haben die Drei Bünde beschlossen, [Italienern und Spaniern]den Durchzug durch das Veltlin zu verwehren, da diese gegen Deutschland ziehen. Der Mailänder Gouverneur [Ferrante I. Gonzaga] muss vier italienische und spanische Regimenter aufnehmen. Bullinger schrieb gestern an Blarer [nicht erhaltene Beilage zu Nr. 2483] über die Lage der Bündner und deren Brief an die Eidgenossen. Der [Schmalkaldische Bund]soll [Kaiser Karl V.]nicht erlauben, seine Truppen zu vereinigen. Würden sie eine nahe gelegene Truppeneinheit besiegen, würden sie den anderen Angst einflößen. Den Eidgenossen hat ein sofortiges Abwehren von Feinden immer genützt. Wie verheerend ein Abwarten ist, zeigt die Niederlage im [Zweiten] Kappeler Krieg. Heute hat der kaiserliche Gesandte [Jean Mouchet de Poligny] bei seinem Erscheinen vor dem Zürcher Rat vorgegeben, dass die Rüstungen des Kaisers gegen einige ungehorsame Fürsten zielen. Diese Verlogenheit missfiel dem Rat sehr. Der Zürcher Rat wird wohl selbst darüber nach Konstanz berichten. Der Kaiser hetzt mit seiner spanischen List gegen rechtschaffene Menschen. Gott möge seinen Schutz verleihen!

Gnad und frid. Hütt dato empfach ich brieff 1 von Chur von einem vertruwten, güten fründ 2 uff diß meynung 3 : Die 3 Pündt 4 sind hie by einandren.

c Auf f 153v., links am Rand, das Empfangsdatum von Blarers Hand: 3. iulii 1546.
34 Der seit den 1530er Jahren schwelende Konflikt zwischen Frankreich und dem Kaiser um den Anspruch auf Mailand, der erst mit dem Frieden von Crépy zugunsten des Kaisers gelöst wurde; s. HBBW VI 137, Anm. 27; HBBW VIII 180f, Anm. 9; HBBW XIV 419, Anm. 2.
44 Zum geldrischen Erbfolgestreit, der mit dem Friedensschluss von Venlo am 7. September 1543 zugunsten des Kaisers endete, s. HBBW XIII 256, Anm. 23.
45 gefährlich; s. SI IX 1956.
46 Vorliegendes Schreiben wurde mit einer
heute nicht mehr erhaltenen Beilage versandt, die Nachrichten über Graubünden und Auszüge aus einem Brief der Graubündner an die Eidgenossen übermittelte: s. Nr. 2484,6-8.
1 Nicht erhalten.
2 Unbekannt.
3 uff diß meynung: mit dem folgenden Inhalt.
4 Graubünden, bestehend aus Gotteshausbund, Oberem oder Grauen Bund und Zehngerichtebund.


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Habend einhellig beschlossen, die Walchen 5 nitt durch das Veltlin (wie sy begärt) ze ziehen ze lassen, 6 dann 7 es wider Tütschland gällten sol. Und hat der gubernator in Meyland 8 befälch, vier regiment anzenemmen von Italier und Hispaniern. Doch hab ich üch gester durch den botten von Augspurg 9 eigentlich 10 geschriben, 11 wie 12 es stat in Pündten und was sy an die eydgnossen geschriben habend 13 .

Lieber, lassend inn 14 mitt sinen huffen 15 nitt zamen kummen. Schlahend den nächsten 16 ze boden, so macht ir ein forcht in überigen. Gott wirt gnad gäben. Die eydgnossen hat nie nut baas 17 geholfen, dann 18 das sy den fygend 19 nitt vil über nacht habend uff irem boden ligen lassen. Das lang uffziehen 20 verdarpt uns 21 in dem Cappier krieg, 22 , und insonders, das wir die nitt woltend für find haben, die es aber warend; 23 deren guten worten wir glouptend, biß das es inen rächt kamm und uns unglägen was. Do was gut knuttschen. 24

Hüt dato hat der keysser 25 hie Zürych einen Burgundier, sinen botten 26 , vor radt gehept. Sagt vil guts zu (ist bübenwerch 27 ). Entschuldigt den keysser

5 Hier: Italiener und Spanier.
6 Vgl. die Verhandlung am Tag zu Baden, 5. Juli 1546 (EA IV/ld 634 i), sowie die am gleichen Tag verfasste Bitte der Berner an Zürich, gemäß dem Wunsch der Konstanzer die Graubündner zu ersuchen, den kaiserlichen Truppen keinen Durchzug durch ihre Gebiete zu gewähren (Zürich StA, A 177, Nr. W.
7 weil.
8 Ferrante I. Gonzaga.
9 Unbekannt. Es handelt sich dabei um den Überbringer des Schreibens, das der Augsburger Rat an den Zürcher Rat am 26. Juni verfasst hatte (Zürich StA, A 202/1, Nr. 11). Er ist in Zürich StA, Seckelamt Rechnungen F III 32, Rechnungsbuch 1545/46, S. 107 der Ausgabenabteilung, ohne Erwähnung des Namens nachgewiesen.
10 genau.
11 Wohl in einer Beilage zu Brief Nr. 2483 vom 1. Juli.
12 die Bündner.
13 Der Brief der Bündner an die Eidgenossen wurde am 28. Juni 1546 verfasst (Zürich StA, A 248/1, Nr. 139). Er wurde einem Schreiben der "Gemeyner dryer pünthen Räth" an den Rat Zürichs vom 26. Juni (Zürich StA, A 248/1, Nr. 138) beigelegt. In dem Brief an die Eidgenossen versicherten die Bündner, dass sie
den Durchzug fremder Söldner durch ihre Gebiete nicht dulden würden und sie bereit wären, den Eidgenossen behilflich zu sein.
14 Kaiser Karl V.
15 Haufen [von Kriegsknechten].
16 Zu verstehen: eine nahe liegende Truppeneinheit des Kaisers.
17 nie nut baas: nie etwas besser.
18 als.
19 Feind.
20 Zögern. 21 verdarpt uns: wurde uns zum Verhängnis.
22 Im Zweiten Kappeler Krieg (Oktober 1531).
23 Gemeint sind die Innerschweizer.
24 Do was gut knthtschen: Da war es leicht, [die Zürcher] zu schlagen; oder: Da war (entstand) ein richtiges Gefecht; s. SI III 773.
25 Karl V.
26 Jean Mouchet de Poligny, trésorier de Bourgogne, dem der Kaiser am 14. Juni eine Anweisung für die Eidgenossen von Regensburg aus schickte; s. Viglius van Zwichem 3. Text der Instruktion in Karl V. BW II 493-496. In seiner handschriftlich gebliebenen Abrechnung (s. schon Nr. 2452, Anm. 5) findet sich der Eintrag: Item, suyvant aultres lettres de l'empereur repartit ledit tresorier de Bourgoingne pour retourner devers leser


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der rüstung halb, etc. a Der bott hatt heyter 28 fürgäben, der keyser [wölle] b ettlich ungehorsamm fürsten straaffen. 29 Der gantz radt ein unwillen daran gehept a . Ich trüw 30 , min herren werdent selbs üch des berichten 31 . Es ist des verlognen wäsens, das er ouch gägen andren eerenlüten tript. Gott behüt uns vor Hispangischen listen. Gott mitt üch.

Datum zu 2 urn zu Zürych, 2. iulii 1546.

Bullinger.

[Adresse auf der Rückseite:] Praestantissimo viro d. Ambrosio Blaurero, fidelissimo ministro Constantiensis ecclesiae, domino et fratri suo semper co[l]endoc. Constantzd. 32