Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[994]

Johannes Zwick an
Bullinger
[Konstanz],
16. Mai 1537

Autograph: Zürich StA, E II 346, 93r.-94v. (Siegelspur) Ungedruckt

Ist zurück [aus Tübingen] und übermittelt Grüße von Ambrosius [Blarer], der an seinem Amt schwer trägt. Bittet, Bucers Schreiben zu ignorieren und die Stellungnahme Luthers [zum Brief der reformierten Städte der Eidgenossenschaft] abzuwarten, von der er sich angesichts der Ergebnisse des Bundestags zu Schmalkalden einiges verspricht. Ist besorgt darüber, daß Bucer die Konkordienfrage nicht ruhen läßt und durch sein Vorgehen Uneinigkeit unter die eidgenössischen Kirchen trägt. Rät dazu, an den früher vorgelegten Bekenntnissen festzuhalten und den Schein einer Distanzierung von Zwingli und Oekolampad zu vermeiden. Empfiehlt, Bucer erst nach Luthers Antwort zu schreiben. Glaubt nicht an das Gelingen der Konkordie in der von Bucer gewünschten Form und bedauert die Einmischung der Straßburger in die Beratungen der Schweizer. Gruß.

Salus et pax Christi sit tecum.

Redii salvus domum 1 , mi Bullingere, et adfero tibi, Pellicano, Leoni 2 , Theodoro 3 et reliquis bonis innumeram salutem ex Ambrosio 4 , quam ille ardentibus votis a domino vobis precatur. Salvus est certe charissimus ille frater noster, sed multis laboribus oneratur, quibus ferendis sine manu domini certe non sufficeret. Orate ergo pro illo. Sic enim pro communi ecclesiarum profectu orabitis.

Nunc, quod precaris, ut, quae vestra referre putavero, non celem, facerem hoc et libenter et merito. Nisi vero tuis literis 5 occasionem mihi dares, nihil certe dignum haberem monitione. Sed nunc moneo, rogo et obtestor per quicquid est sacrum, dissimulate, quaecumque scripsit Bucerus 6 , et expectate Lutheri ipsius responsionem, ex qua audietis, si quid amplius tractandum. Aliter se res habuerunt ante conventum Schmalkaldensem, aliter post illum 7 , nec dubito Lutherum aequiorem futurum, quam nunc possitis vobis persuadere. Frustranea est autem omnis sollicitudo vestra, antequam audiatis, quid ille ad vestra 8 .

Si quid interim agendum a cum Bucero, vide, ut caute agatis. Ich hette imerdaren vom lieben mann ain hofnung ghept, er wurd die sach etwas

a nach agendum ein gestrichener, unlesbarer Wortanfang.
1 Zwick hatte Ambrosius Blarer in Tübingen besucht; vgl. Moeller, Zwick 195.
2 Leo Jud.
3 Theodor Bibliander.
4 Ambrosius Blarer.
5 Nicht erhalten.
6 Gemeint ist, wie aus dem Folgenden hervorgeht,
einerseits das Schreiben Capitos und Bucers an Luther vom 19. Januar (vgl. oben Nr. 988, Anm. 3), andrerseits der Brief Bucers vom 1. April (oben Nr. 983).
7 Vgl. Zwicks Bericht über den Bundestag zu Schmalkalden in seinem Brief vom 24. März (oben Nr. 975).
8 Vgl. oben Nr. 934, Anm. 15.


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haben lassen ersitzen; es will aber nit sin. Daby hab ich zwo gros sorgen: Die erst, das er im nun zu vil thü, zum anderen, das ich vil me sorge, er werde unainikait under uch machen. ||93v. Und es ist schon ains tails gschechen, wie mich duncken will. Darum zucht er och ymerdaren Basel, Sangallen etc. an in sinem schriben, als die mit b , und Zurch, och Bern, als die wider den handel 9 . Ich habs uch aber me dann ain mal gschriben und schribs aber 10 : Wann ir kilchen in aignosen 11 nit werdend wol und ainhellig zusamen saechen, so c werdend ir uch und ander lut 12 verderben. Darum gfalt mir och Bucers ding in dem fal ubel, das er um etlich kilchen bulet und sich understat an sich zu hencken 13 , und von den anderen redet er so spitzig und gantz odiose. Welte doch got, das die sach nun ain halb jar still stünd und man ain andern on gfrett 14 liesse! Vilicht wurd darnach nun dister 15 besser zhandlen.

De literis Buceri ad Lutherum nolo iam iudicare; ipse loquuntur. De propositione iam denuo vobis facta 16 nescio, quid respondeam, nisi quod non videtur mihi consultum recedere a confessionibus vestris iam bis aut ter datis. Habetis unam, quam misistis huc Constantiam in conventum 17 ; habetis duas Basilienses 18 . Si ex istis non potest colligi sanus sensus, nescio, quid a vobis dari possit. Quodsi omnino iuxta praescriptum Buceri respondebitis, facietis hoc non sine suspitione revocationis apud omnes nationes. Deinde quam celeberrimum nomen obtinuerunt patres et praeceptores vestri Zvinglius et Aecolampadius; ab illis, videndum vobis est, ne desciscatis, cum illi veritatem tam simpliciter ||94r. et candide tradiderint. Und wo habend sy oder ir ye gsagt, das man allain brot und win im nachtmal empfahe und niesse, oder das Christus im nachtmal, das sin werck ist, nit zugegen? Darum, wann ir die stuck erst yezund und der gstalt sollend bekennen, als ob irs vor hin nit bekent, so werdend ir uch selbs und uwere praeceptores verlumbden, geltend aber, wo 19 Lutherus und die sinen bekennind, das Zwinglius und Aecolampadius von sacramenten recht ghalten. Quodsi nunc vobis omnino in praescriptam a Luthero confessionem iurandum, iam d videbimini et vos recedere a praedecessorum vestrorum hac in re simplicitate et veritate.

b nach mit ein gestrichener, unlesbarer Wortanfang.
c nach so gestrichener, unlesbarer Wortanfang.
d nach iam ein gestrichenes, unlesbares Wort.
9 Siehe WA Briefwechsel VIII 141, 79-95.
10 wieder.
11 bei den Eidgenossen.
12 Leute.
13 den Versuch nicht scheut, sie auf seine Seite zu ziehen.
14 unbeschwert, ohne Bedrängung.
15 desto.
16 Wahrscheinlich bezieht sich Zwick auf Bucers Schreiben an die eidgenössischen Kirchen vom 1. April (oben Nr. 983), das dem Wunsch nach größerer Zurückhaltung Ausdruck gibt; vgl. Blarer BW I 848 mit Anm. 1.
17 HBBW IV, Nr. 482.
18 Gemeint sind das Basler Bekenntnis von 1534 (s. HBBW IV, S. 51, Anm. 22) und das Erste Helvetische Bekenntnis von 1536 (s. HBBW VI, S. 101f, Anm. 1).
19 werdet aber anerkannt, wenn.


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So antwurtete ich nun dem Bucer nichts, sunder zuche die antwurt uff 20 , bis das Luther schribe. Welte dann Luther ye ain underschriben siner artikel 21 von mir haben oder etwas, das ich on argwon und böse gwissne nit thain 22 könd, so welt ich in dann darum bitten, das er mich by minen confessionen bliben liesse. Anders wist ich im nit zu thain. Wais uch och nit witers zu radten uff dis mal, will mich aber wyter bedencken, und falt mir etwas guts zu, will ich uch wissen lasen. Dann got waist, das mir die sach hoch anglegen.

Es ist der gut mann Bucer darhinder komen, das er vermaint, der himel werd fallen, wann die e concordy f eben uff die form und wys nit uffgricht werd. Ists dann gottes will, so gscheche das selbig. Ich habs aber nie gloubt und gloubs noch nit. Ich welt uch gern ||94v. noch witer davon schriben, so wais ich nichts me. Spiritus Christi ducat vos in omnem veritatem. Amen. O, es ist ain bös ding gwesen, quod Argentinenses vi quadam perruperunt colloquia vestra 23 . Hinc enim libertas adempta est vobis, ita ut conventus vestri non caruerint confusione.

Vale, cor meum, mi charissime frater. Quaecumque ad me scripsisti, bona fide apud me sepulta sunt. Idem abs te peto.

16. maii 1537.

Tuus Io. Zvick.

Salutabis mihi, quos etiam ab initio epistolae Ambrosius iussit salvere.

[Ohne Adresse.]

e nach die gestrichenes form der.
f con am Zeilenanfang irrtümlich wiederholt und gestrichen.
20 würde die Antwort aufschieben.
21 der Wittenberger Konkordie (BucerDS VI/1 114-134).
22 tun.
23 Capito und Bucer waren an der Tagung von Ende Januar /Anfang Februar 1536 in Basel erschienen und hatten Einfluß auf die Beratungen über das Erste Helvetische Bekenntnis genommen; vgl. HBBW VI, S. 119, Anm. 6.